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Vergessene Orte

In Baikonur fand ein Mann zwei Raumfähren in einem verlassenen Hangar

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Nuno Alves
Chefredakteur

22. Juli 2015, 18:16 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Als habe jemand mit gigantischen Klötzen Tetris gespielt und sie vergessen – so jedenfalls wirken die Gebäude, die wie verloren in der kargen Landschaft Kasachstans stehen. Doch wozu dienten sie, und was verbarg sich darin, vor allem in dem großen Hangar? Genau dies wollte der Fotograf Ralph Mirebs nun herausfinden. Was er dabei entdeckte, kann man ohne Übertreibung als spektakulär bezeichnen.

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„Es war, als betrete man das Grab eines antiken Gottes“, so beschreibt Ralph Mirebs den Moment, als er plötzlich in dem rund 130 Meter langen und 60 Meter hohen Hangar stand und begriff, dass er gerade einen Schatz entdeckt hatte: Vor ihm standen zwei Raumfähren, die sich ganz offensichtlich seit Jahrzehnten in einer Art Dornröschenschlaf befanden. „Ich fühlte mich wie Indiana Jones oder ein Kind in einem Spielzeugladen“, erzählt Mirebs, der als sogenannter Urban Explorer verlassene, teils zu Ruinen verkommene Gebäude und Anlagen erforscht, im Gespräch mit TRAVELBOOK.

Zweifelsohne ist der Fund auf dem riesigen Gelände des Kosmodroms im kasachischen Baikonur – etwa zweieinhalb mal so groß wie das Saarland –, spektakulär, denn es handelt sich um Relikte des sowjetischen Raumfahrtprogramms „Buran“ (Schneesturm), das die Kommunisten 1974 als Reaktion auf das Space Shuttle der NASA ins Leben gerufen hatten. Hier in der Steppe hatten die Sowjets fast 20 Jahre lang versucht, ein dem US-amerikanischen Modell ähnliches Shuttle zu entwickeln. Doch zu mehr als einem unbemannten Raumflug um die Erde am 15. November 1988 kam es nicht.

Von Baikonur startete Juri Gagarin ins All

„Ich hatte in einem Geschichtsbuch von dem sowjetischen Raumprogramm gelesen“, so Ralph Mirebs zu TRAVELBOOK. Weshalb er sich schließlich entschied, das geschichtsträchtige Gelände in Kasachstan zu besuchen, von wo aus die Hündin Laika 1957 als erstes Lebewesen und 1961 Juri Gagarin als erster Mensch im All ihre historischen Reisen angetreten waren.

Es folgte ein Wettlauf um den Kosmos, der nur vordergründig Forschungszwecken diente: In Wahrheit ging es bei der Erschließung des Weltraums vor allem um militärische Ziele. In Baikonur konnten die Sowjets aufgrund der Abgelegenheit des Geländes beides machen: ins All vorstoßen – und Langstreckenraketen testen.

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Doch mit dem Ende der Sowjetunion kam wenig später, genauer gesagt: 1993, auch das Aus für das Buran-Programm, das während seiner Laufzeit mehrere Prototypen von Raumfähren hervorgebracht hatte, die zum Teil in Museen landeten, unter anderem im Technik-Museum in Speyer.

Zwei jedoch scheinen in dem Hangar vergessen worden zu sein, was nicht zuletzt daran liegt, dass das Gelände weitläufig und schwer zugänglich ist. Und schließlich ist so ein Shuttle auch nichts, das man einfach so in einen Lkw packt und mitnimmt. Mirebs glaubt, dass im Zuge des Zusammenbruchs der Sowjetunion und dem Ende des Weltraumprogramms der Hangar geschlossen wurde. Die Besitzverhältnisse seien zwischenzeitlich recht komplex gewesen, erklärt Ralph Mirebs. Was sicher auch einer der Gründe sei, warum die Raumfähren damals nicht verschrottet worden seien.

Heute gehören sie streng genommen den Russen. Denn Russland hat den Weltraumbahnhof und die Stadt Baikonur für einen dreistelligen Millionenbetrag im Jahr langfristig von Kasachstan gepachtet. Für Touristen gibt es dort kaum etwas zu tun: Zwei Unterkünfte sind auf Tripadvisor gelistet, zudem ein Restaurant und eine Sehenswürdigkeit, nämlich das Museum der Geschichte des Kosmodroms von Baikonur.

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„Es wird ein trauriges Ende sein“

Ganz ohne Spuren sind die wahrscheinlich 22 oder sogar mehr Jahre nicht an den Shuttles vorübergegangen: Vögel hinterließen ihre Spuren – und natürlich auch Menschen. Kacheln des Hitzeschilds sind verschwunden, Scheiben des Cockpits zerstört, die Elektronik größtenteils gestohlen. Ansonsten befänden sich die Raumfähren in einem verhältnismäßig „guten Zustand“, berichtet Mirebs, der seine Entdeckungen als Urban Explorer auch auf Instagram veröffentlicht.

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Im Hangar selbst stünden noch „alte Computer in den Räumen, aber nur deren Gehäuse“, erzählt der Fotograf. „Alles, wo wertvolle Metalle oder Kupfer drinsteckte, wurde vor langer Zeit gestohlen.“ Ohnehin sei dies typisch für Russland: Verlassene Orte würden nicht erhalten. „Erst verschwindet das besonders wertvolle Metall, dann Kupfer und Aluminium, am Ende Stahl.“ Nur an schwer zugänglichen Orten könnten solche Konstruktionen jahrelang erhalten bleiben. Was die Zukunft des Hangars angeht, ist Mirebs „skeptisch“, wie er selbst sagt: „Entweder stürzt das Dach ein, oder das Metall wird verkauft. Es wird ein trauriges Ende sein.“

Angesichts der Größe des Areals ist es durchaus wahrscheinlich, dass Urban Explorer wie Ralph Mirebs bald noch mehr Vergessenes zutage fördern.

Themen Russland
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