10. November 2021, 13:00 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind seit Jahren große Themen, auch im Bereich Reise. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich dieses Interesse sogar noch gesteigert, wie eine aktuelle Studie zeigt, die TRAVELBOOK exklusiv vorliegt. Doch kann man im Bereich der Flugreisen überhaupt nachhaltige Entscheidungen treffen? Und wenn ja: Wie? Ein Versuch, Antworten zu finden.
Eine neue Studie des Flugsuchportals „Skyscanner“ zeigt, dass in Deutschland immer mehr Menschen an nachhaltigen Flügen interessiert sind. Die Studie, für die in Zusammenarbeit mit YouGov 6000 Personen im Alter von über 18 Jahren befragt wurden, weist nach, dass 63 Prozent der deutschen Verbraucher nachhaltiges Reisen für wichtiger denn je halten. Der Schutz der Umwelt (60 Prozent) ist für die deutschen Befragten das wichtigste Anliegen. Als Folge erklärten 39 Prozent der Befragten, dass sie bereit wären, für einen umweltfreundlichen Urlaub mehr zu bezahlen – 20 Prozent geben sogar an, dass sie bereit wären, für einen umweltfreundlicheren Flug einen Aufpreis von bis zu einem Viertel zu zahlen.
Doch was sind die Folgen der Studie? Wie können nachhaltiger(er)e Flugreise aussehen? Gibt es sie überhaupt? Und worauf sollte man beim Kompensieren von Flügen achten? Das hat TRAVELBOOK mit der Nachhaltigkeits-Expertin von Skyscanner, Sam Edwards, besprochen.
TRAVELBOOK: Sie sind ein Flugreiseportal und wollen sich für Nachhaltigkeit einsetzen – sind das nicht zwei Gegensätze, die gar nicht zusammenpassen?
Sam Edwards: Wichtig ist als Ausgangspunkt, dass Flugreisen einen wichtigen Part im Leben vieler Menschen ausmachen und deswegen kaum zu ignorieren sind. Es gibt eine große Nachfrage im Bereich Touristik und vor allem im Bereich der Flugreisen – auch nach der Corona-Krise hat sich diese Nachfrage nicht verringert, im Gegenteil. Wir wissen also, dass dieser Bereich ein großes Wachstum erfährt. Wenn es um die Nachhaltigkeit geht, geht es gleichermaßen um ein sehr komplexes Thema. Wir versuchen, vor allem den Reisenden Informationen zu geben, damit sie dann eine Entscheidung treffen können, die sich positiv auf die Umwelt auswirkt.
Welche Informationen genau?
Edwards: Wir haben die Rubrik „Greener Choice“, in der Reisende sich über Flüge informieren können, die weniger belastend für die Umwelt sind. Dadurch können sie aktiv den ökologischen Fußabdruck ihrer Reise verkleinern.
Was heißt in dem Zusammenhang „weniger belastend für die Umwelt“? Reden wir von einem bestimmten Prozentsatz an eingesparten Emissionen?
Edwards: Ja, in etwa. Wir haben das Programm 2019 entwickelt auf Basis von vielen Umfragen und Recherchen. Dabei haben wir herausgefunden, dass es am einfachsten ist, Reisende zu einem ökologischeren Flug zu überreden, wenn sie konkrete Informationen haben. Und die versuchen wir bei „Greener Choice“ darzustellen. Wir schreiben hier ganz genau, wie viel Prozent mit dem jeweiligen Flug im Vergleich zu anderen Flügen an Kohlenstoffdioxid-Emissionen eingespart werden kann. Basis ist dabei eine Datenbank, die genau zeigt, wie viel CO₂ bei welchem Flug auf welcher Route ausgestoßen wird. Und ein Flug, der mindestens 4 Prozent besser ist als der Durchschnitt, wird dann in der Kategorie „Greener Choice“ gelistet.
Ganz grundsätzlich: Besteht bei dem Label „Greener Choice“ nicht die Gefahr, dass Urlauber annehmen, die Flüge seien wirklich nachhaltig – wo sie ja eigentlich nur die bessere von erwiesenermaßen schlechten Optionen für die Umwelt sind?
Edwards: Wir sind der Meinung, dass Nutzer dieser Rubrik wissen, dass es sich hierbei um Flüge mit weniger Emissionen handelt – nicht um Flüge mit gar keinen Emissionen. Deswegen geben wir auch die Prozentzahl an, um genau dieser Gefahr entgegenzuwirken.
Die „Greener Choice“-Flüge gehen oft von ähnlichen Flughäfen, manchmal fliegen sie sogar dieselbe Strecke – und sind doch besser für die Umwelt. Wie kann das sein?
Edwards: Es gibt einige entscheidende Faktoren, zum Beispiel Ankunfts- und Abflugs-Orte, die Auslastung des Flugs anhand des Datums und der Anzahl der Passagiere oder auch das Alter des eingesetzten Flugzeugs.
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Gibt es Fluggesellschaften, die nachhaltiger als andere sind?
So etwas ist schwer zu sagen, da viele unterschiedliche Faktoren eine Rolle spielen. Zum Beispiel sind Low-Cost-Airlines meist sehr effizient, weil sehr viele Passagiere an Bord einer Maschine sind. Außerdem darf man dort weniger Gepäck an Bord nehmen – das reduziert dann die Emissionen. Deswegen sind diese Fluggesellschaften oft bei Rankings für nachhaltige Airlines relativ weit oben. Andererseits muss man aber auch strategische Maßnahmen in Betracht ziehen. Zum Beispiel investiert die Lufthansa in nachhaltigere Treibstoffe. Das sind auch Faktoren, die eine Rolle spielen.
Wenn wir von strategischen Maßnahmen sprechen: Was muss in den nächsten Jahre noch in der Luftfahrtbranche passieren?
Edwards: Kurzfristig könnte man Maschinen umrüsten und so Gewicht reduzieren, man könnte besser und sinnvoller besteuern und in der Flugverkehrskontrolle den Faktor Nachhaltigkeit mehr miteinbeziehen. Außerdem können bei bestehenden Flugzeugen die Triebwerke ausgetauscht werden, sodass weniger Treibstoff verbraucht wird. Abgesehen davon ist vor allem Sustainable Aviation Fuel (SAF) eine wirklich relevante Entwicklung, weil es eine Alternative zu Kerosin darstellt. Schon jetzt werden in einigen Maschinen Kerosin und SAF gemixt und dadurch können bis zu 80 Prozent der Emissionen eingespart werden.
Und langfristig?
Edwards: Auf lange Sicht spielen neben Alternativen zum bislang verwendeten SAF, das aus Öl gewonnen wird, vor allem elektrische Antriebe eine große Rolle. Hier haben wir aktuell noch das Problem, dass E-Flugzeuge nur auf sehr kurzen Strecken und mit sehr wenig Passagieren eingesetzt werden können. Aber ich hoffe, dass wir bis 2050 auch Lösungen für kommerzielle Flugzeuge finden.
Bis 2050 haben wir noch einige Jahre vor uns: Welche Rolle spielen in diesem Szenario CO₂-Kompensationen?
Solange wir noch keine nachhaltigen Flüge haben, die im Bereich „Zero Emission“ sind, brauchen wir definitiv noch Co2-Kompensationen. Wichtig bei diesen Programmen ist, dass man zertifizierte Anbieter wählt. Und grundsätzlich gilt: Je transparenter ein Unternehmen ist, desto vertrauenswürdiger ist es im Zweifelsfall auch.
Hier finden Sie noch weitere Informationen zu Co2-Kompensationen bei Flugreisen.