6. März 2020, 6:49 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Jeder Passagier kennt sie: die im Flieger per Knopfdruck abrufbaren Flugkarten mit der aktuellen Position des Flugzeugs, Angaben zur Entfernung des Reiseziels und der voraussichtlichen Flugzeit. Einige Karten können aber noch mehr: Sie zeigen auch die Positionen von im Meer versunkenen Schiffen an. TRAVELBOOK erklärt, was es damit auf sich hat.
In dem prunkvollen, weiß-goldenen Speisesaal werden die Passagiere der ersten Klasse einst fürstlich gespeist haben. Nach dem Dinner flanierten sie vermutlich übers Deck, trafen sich im Rauchsalon oder Musikzimmer und redeten über Gott und die Welt – bis sie sich zur Nacht in ihre luxuriösen Kabinen zurückzogen. So oder ähnlich wird sich das Leben auf dem Luxus-Liner RMS „Lusitania“ abgespielt haben. Das Passagierschiff der britischen Reederei Cunard Line, das auf der Route Liverpool-New York-Liverpool eingesetzt wurde, galt zum Zeitpunkt seiner Fertigstellung im Jahr 1907 als das größte Schiff der Welt.
Der Untergang der RMS „Lusitania“
Heute liegt die die „Lusitania“ als Trümmerhaufen am Meeresgrund, genauer gesagt: vor der Südküste Irlands in einer Tiefe von 90 Metern. Ein deutsches U-Boot hatte das Schiff im Ersten Weltkrieg am 7. Mai 1915 versenkt. 1198 Menschen kamen dabei ums Leben. Zum Vergleich: Beim Untergang der durch zahlreiche Filme und Bücher weltberühmten „Titanic“ am 14. April 1912 starben 1514 Menschen. Das Passagierschiff der britischen Reederei White Star Line war rund 300 Seemeilen südöstlich von Neufundland auf seiner Jungfernfahrt mit einem Eisberg kollidiert.
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Karten mit Positionen von Schiffswracks
An welchen Stellen im Meer größere wie auch kleinere Schiffe begraben liegen, zeigen u. a. die sogenannten Moving Maps in Flugzeugen. Üblicherweise werden auf den Landkarten, die Flugpassagiere über das Unterhaltungssystem abrufen können, nur die jeweiligen Flugrouten mit der aktuellen Position des Flugzeugs, Angaben zur Flughöhe und der voraussichtlichen Ankunftszeit sowie einigen weiteren Parametern angezeigt. Auf manchen Karten und Flugstrecken aber können Passagiere auch Positionen von Schiffswracks sehen. Wie etwa das der „Lusitania“ oder des englischen Kriegsschiffs „Mary Rose“, das 1545 bei einer Seeschlacht vor der Südküste Englands sank.
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Anzeige der Wracks ist optional
Warum aber werden Namen von im Meer versunkenen Schiffen nun ausgerechnet über den Wolken angezeigt? „Kunden haben uns gesagt, dass sie das interessant finden. Deshalb bieten wir diese Karten an“, lautet die Antwort von Hervé Tilloy, Sprecher bei Collins Aerospace. Das in den USA ansässige Technologieunternehmen entwickelt u. a. Flugkartensysteme, die auch von europäischen Fluggesellschaften wie Lufthansa und British Airways genutzt werden. Ob die Schiffswracks auf den Karten tatsächlich angezeigt werden, hänge allerdings von der Airline beziehungsweise deren Konfiguration der Karte ab. „Solche Points of Interest sind derzeit eine Option, die Fluggesellschaften beim Einrichten oder Aktualisieren der Karten auswählen können“, erläutert Tilloy auf TRAVELBOOK-Nachfrage.
Twitter-User kritisieren Anzeige von Wracks
Einige Fluggesellschaften wie American Airlines, die laut „Daily Mail“ ihre Flugkarten ebenfalls von Collins Aerospace beziehen, haben die Option offensichtlich aktiviert. Dies zeigt u.a. ein von Fluggast Thomas Weber bei Twitter veröffentlichtes Foto. Weber ist allerdings der Meinung, dass Flugkarten mit den Schiffswracks nicht unbedingt förderlich für das Sicherheitsgefühl der Fluggäste seien. In seinem Tweet fragt er American Airlines: „Sehr geehrte @AmericanAir, nehmen Sie Schiffswrack-Standorte auf Transatlantikflügen in Ihre Karten auf, damit sich Ihre Kunden in Bezug auf die Sicherheit internationaler Reisen wohler fühlen?“ American Airlines antwortete daraufhin: „Wir möchten immer, dass Sie eine entspannte Reise haben, aber wir schätzen Ihr Feedback. Viele Kunden finden die historischen Stätten interessant.“
Auf einem Flug mit Emirates hat Twitter-Userin Wendy Felton auf der Karte ebenfalls die Namen von Schiffswracks entdeckt und findet es, wie sie in ihrem Tweet schreibt, „zutiefst seltsam, dass Emirates die Orte großer Schiffswracks auf der Flugverfolgungskarte markiert. Wer möchte während eines Fluges an tödliche Verkehrskatastrophen denken?“, fragt sie.
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Ähnlich äußert sich bei Twitter auch Florian Nikolaus, der mit Swiss von New York nach Zürich geflogen ist und auf der Flugkarte ebenfalls die Markierungen von Schiffswracks entdeckt hat. Er schreibt: „Mir war es ein bisschen unbehaglich, in der Luft auf katastrophale Ereignisse hingewiesen zu werden. Oder soll dies noch einmal bestätigen, dass beim Überqueren des Atlantiks Fliegen sicherer ist als das Schiff?“
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Kurz vorm Start Passagier fotografiert sein Gepäck aus dem Flieger und kontaktiert die Airline
Keine Wracks auf Flugkarten bei Lufthansa
Andere Airlines wie Iberia, KLM und Air France gaben auf TRAVELBOOK-Nachfrage an, dass auf den von ihnen genutzten Flugkarten keine Schiffswracks angezeigt würden. Lufthansa, die nach eigenen Angaben das Flugkartensystem „Voyager“ von Collins Aerospace nutzt, teilte mit, dass es – entgegen der Aussage des Unternehmens (Anm. d. Red.) – keine Option bei den Karten gebe, die Schiffswracks anzuzeigen. „Lufthansa hat sich also nicht dafür oder dagegen entschieden, sondern hat die Auswahl nicht“, sagte eine Sprecherin der Airline zu TRAVELBOOK. Aus welchen Gründen auch immer die Option Lufthansa nicht zur Verfügung stehen mag, eines erspart sich die Airline so bestimmt: verständnislose Äußerungen von Usern in sozialen Netzwerken.