27. November 2020, 16:26 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Der Pura-Lempuyang-Luhur-Tempel auf Bali ist eines der beliebtesten Instagram-Motive überhaupt. Doch typisch für das soziale Netzwerk ist, dass hier, wie so oft, eine wunderbare Welt gezeigt wird, die jedoch die Realität gar nicht mehr widerspiegelt.
Es gibt Sehenswürdigkeiten, die sind so perfekt, dass es irgendwie drüber ist. Das „Gate of Heaven” auf Bali zum Beispiel – oder komplizierter: das „Candi Bentar“ am Tempel Pura Lempuyang Luhur.
Bild über Bild wird auf Instagram gepostet, auf dem irgendwer in einer mehr oder weniger spirituell-angehauchten Pose zwischen den beiden Türmen posiert, dahinter der Mount Agung, davor eine Spiegelung, die vermuten lässt, dass sich vor dem gespalteten Gate ein See, Teich oder irgendeine andere wässrige Fläche befindet.
Kein See am Gate of Heaven
Der Tempel lockt scharenweise Touristen an – und viele von ihnen sind vermutlich enttäuscht, wenn sie am Tor zum Pura Lempuyang Luhur eintreffen. Der Grund: Von einem See ist keine Spur. Dafür stehen und sitzen hier jede Menge Touristen, die auf das perfekte Foto hoffen. Und das kreieren sie mitunter selbst. Der „See” ist nichts weiter als die Reflexion eines Spiegels, der unter das Smartphone oder die Kamera geschoben wird.
Das ist zwar ein schöner Effekt, doof aber, wenn man sich auf das hübsche Motiv im echten Leben gefreut hat – einfach, weil man vielleicht Dinge schön findet und nicht nur auf der Suche nach einem Like-bringenden Instagram-Shot ist. Die Touristenmassen weggedacht, sieht die Realität am Pura-Lempuyang-Luhur-Tempel übrigens auch nicht fürchterlich aus. Vor dem Gate ist ein normaler Weg, der Vulkan dahinter bleibt derselbe.
„Instagram-User ruinieren alles“
Doch die Enttäuschung über die Realität am Gate of Heaven ist durchaus nachvollziehbar. So beschwerte sich etwa Polina Marinova auf Twitter, dass „Instagram-User alles ruinieren”. Sie erklärte: „Meine Hoffnungen und Träume waren zerschmettert, als ich rausfand, dass das ‚Wasser‘ am Gate of Heaven eigentlich ein Stück Glas unter einem iPhone ist.” Ihre dramatischen Worte unterlegt sie mit einem Beweisfoto.
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Hinzu kommt, dass man mit seinem Wunsch nach dem „perfekten“ Foto auch nicht alleine ist, sondern laut mehrerer übereinstimmender Berichte in langer Schlange mit vielen anderen „kreativen“ Instagram-Fotografen auf seine mutmaßlichen dreißig Sekunden Fotozeit warten muss. So empfiehlt etwa die Lifestyle-Bloggerin Diana Kubasova auf Instagram ihren Followern: „Ich rate euch, so ein Foto schon bei Sonnenaufgang zu machen. Später muss man zwei Stunden in der Schlange stehen und tagsüber kann die Hitze unerträglich werden“.
Hinzu kommt, dass die Vermutung nahe liegt, dass es sich bei den Fotos um ein ausgeklügeltes Geschäftsmodell handelt. Auf mehreren Videos und Fotos ist zu sehen, wie die Touristen von Einheimischen fotografiert werden und nicht von ihren Begleitern.
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Auseinandersetzen mit der Historie? Fehlanzeige
Aber nicht nur das Vorgaukeln einer falschen Realität ist fragwürdig. Der Trend zum schnellen Foto statt der Auseinandersetzung mit dem, was da vor einem steht, ist es fast noch mehr. Der Pura Lempuyang Luhur ist einer von Balis ältesten Tempeln. Wie viele der fotosüchtigen Instagram-User sich tatsächlich mit der Geschichte eines der heiligsten Orte auf ganz Bali auseinandersetzen? Fraglich.