23. Mai 2017, 16:57 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Als der Künstler Oliver Curtis die Pyramiden von Gizeh fotografierte, drehte er sich einmal um und erkannte die seltsame Schönheit der Kulissen von berühmten Sehenswürdigkeiten. Für seine Serie Volte-Face lichtete er vier Jahre lang Touristen-Attraktionen von der „falschen“ Seite ab. Den Grund dafür verrät er im Interview mit TRAVELBOOK.
Jeder von uns stand einmal in seinem Leben vor dem Eiffelturm in Paris, der Freiheitsstatue in New York oder einer anderen Touristen-Attraktion und hat ein Foto gemacht. Viele Urlauber haben eine Hassliebe zu Sehenswürdigkeiten: Irgendwie hat man ja doch immer im Hinterkopf, dass die Einwohner einen dafür belächeln, dass man gerade ein Bild von etwas macht, das für sie selbst überhaupt nichts Besonderes mehr ist. Trotzdem MUSS man einfach ein Foto machen. Es ist schließlich der Beweis für Freunde, Familie, Facebook & Co., dass man auch tatsächlich an diesem Ort Urlaub gemacht hat.
Auch der Fotograf Oliver Curtis war gerade im Begriff mit den Pyramiden von Gizeh eines der berühmtesten Wahrzeichen Ägyptens abzulichten, als er sich umdrehte, um die Landschaft zu betrachten. Erst, als er die Sehenswürdigkeit im Rücken hatte, drückte er ab.
Aus einem Zufall entwickelte sich ein langjähriges Projekt
Aus dem einen Foto entwickelte sich eine ganze Serie, die Curtis „Volte-Face“, zu deutsch „verkehrt herum“, nannte. Vier Jahre lang war er in der Welt unterwegs und machte Bilder vom touristischen Niemandsland. Auf seinen Fotos kann der Betrachter den Blickwinkel von weltbekannten Sehenswürdigkeiten wie dem Taj Mahal oder der Sonnenpyramide von Mexiko einnehmen. Manche Aufnahmen von Curtis, wie etwa das von Nebel umwaberte Wasser-Bassin vor dem Taj Mahal, sind beeindruckende Bilder – andere seiner Fotos aber haben auch etwas Tristes, Leeres an sich. So zum Beispiel der vermüllte Hintergrund der chinesischen Mauer.
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Ein Gefühl für das Drumherum
Im Interview mit TRAVELBOOK verrät er: „Ich möchte mit meinen Bildern eine Perspektive eröffnen, die normalerweise ignoriert wird. Bei diesen Orten ist unser Blick normalerweise so sehr in eine Richtung getunnelt. Ich möchte Tourismus per se nicht kritisieren, aber auf einige Auswirkungen aufmerksam machen, die Menschen nun mal auf die Umwelt um Attraktionen haben“, sagt Curtis. Dazu gehört für ihn zum Beispiel der respektlose Umgang mit der Umgebung einer Sehenswürdigkeit. Oder auch die Ignoranz gegenüber den Menschen, die diese Umgebung pflegen und instand halten. Seine Lieblingsaufnahme ist das herrliche Panorama hinter der Christusstatue von Rio de Janeiro in Brasilien. Er hatte die Spitze des Bergs Corcovado so früh erklommen, dass außer ihm noch kaum Touristen auf der Aussichtsplattform waren. Stattdessen entspannt sich auf seinem Foto das Reinigungs-Personal der Attraktion.
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Eine weitere Serie von „verkehrten“ Fotos plant Curtis derzeit nicht. Er hätte aber gerne noch die Oper von Sydney und Ayres Rock in Australien in die Serie aufgenommen. „Ich hoffe, dass Leute, die meine Bilder sehen, dazu inspiriert werden, sich mehr umzugucken, als einfach nur dasselbe Foto zu machen, das alle machen, wenn sie reisen.“
Die Serie ist bei Dewi Lewis Publishing auch als Buch erschienen.
Noch mehr Bilder von der Volte-Face-Serie sehen Sie auf der Website von Oliver Curtis.