18. November 2024, 6:15 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Sie sind aus kaum einem asiatischen Restaurant oder Souvenir-Shop wegzudenken: die goldenen „Winkekatzen“, die mit jedem Luftzug unermüdlich ihre Pfote heben und senken. Aber wussten Sie, dass die niedlichen Glücksbringer eigentlich gar nicht winken? Was die Armbewegung wirklich bedeutet und wer die Figur einst erfunden hat, lesen Sie bei TRAVELBOOK.
Sie braucht weder Strom noch Batterie, und trotzdem bewegt sich ihre Pfote stoisch nach oben und unten. Deshalb hat sie ihren Platz bei ihren Besitzern vorzugsweise am Fenster oder gerne auch im Auto, ähnlich wie der Wackeldackel. Seit wann es die „Winkekatze“ hierzulande gibt, ist nicht bekannt, wohl aber, dass sie ihren Ursprung in Asien hat. Aber nicht etwa, wie vielen meinen, in China, sondern in Japan.
Die internationale Ausgabe von „National Geographic“ widmete der „Winkekatze“ einen ausführlichen Artikel und räumte darin mit diversen weiteren Mythen und Missverständnissen rund um den weltweit bekannten Glücksbringer auf. TRAVELBOOK fasst die wichtigsten Erkenntnisse daraus zusammen.
Die Winkekatze winkt gar nicht
招き猫 oder auch maneki-neko bedeutet wörtlich übersetzt „Figur einer Katze mit erhobener Pfote“. Im Deutschen wurde daraus die „Winkekatze“, im Englischen „lockende Katze“ („beckoning cat“). Allerdings ist es ein gängiges Missverständnis, dass die Katze mit ihrer Pfote jemandem zuwinkt. Die Deutsche Tessa-Karina Inoue, die seit vielen Jahren in Japan lebt, erklärt auf TRAVELBOOK-Nachfrage die tatsächliche Bedeutung: „Die Geste bedeutet ‘Anlocken‘. Vor Restaurants stehen die Katzen meist, um Gäste auf sich aufmerksam zu machen und hinein zu locken.“ Japaner würden die Geste im Alltag ebenfalls verwenden, um jemanden zu sich zu locken. „Wenn Jemand zu dir kommen soll, solltest du ‚wedeln‘“, schreibt Tessa auf ihrem Reiseblog „Wunderweib“. Japaner würden dazu die Hand auf Kopfhöhe halten, die Handfläche zeigt nach vorne, und dann die Hand nach oben und unten bewegen.
Der Ursprung der Winkekatze
Über den Ursprung der Winkekatze gibt es verschiedene Theorien und Legenden. Sicher ist nur, dass Japan das Ursprungsland ist. Die am weitesten verbreitete Legende beginnt laut „National Geographic“ mit einer Katze, die während der Edo-Zeit (1603-1868) im Gotoku-ji-Tempel in Tokio geboren wurde. Dort soll die Katze den damaligen Regionalherrscher Tama Naotaka Li mit einer heranwinkenden Bewegung in einen alten Tempel gelockt und ihn so vor einem tödlichen Blitzeinschlag gerettet haben. Aus Dankbarkeit für die Rettung seines Lebens habe der Herrscher die Katze zum Schutzpatron des Tempels gemacht, wo sie seither in ihrem eigenen Schrein verehrt wird.
Heute ist das Gelände des Gōtoku-ji-Tempels, der auch „Katzentempel“ genannt wird, mit Tausenden von „winkenden“ Katzenstatuen unterschiedlicher Größe übersät. Meist haben diese die Form einer japanischen Stummelschwanzkatze – einer Rasse, die in der lokalen Folklore häufig vorkommt. Besucher können die Statuen im Tempel kaufen. Normalerweise werden diese als Opfergabe zurückgelassen, um für Glück zu beten. Inzwischen nehmen viele die Katzen als Souvenir mit nach Hause.
Eine weitere Überlieferung geht von einem Ursprung in Asakusa, ebenfalls in Tokio aus. Auch dort gibt es heute einen Katzen-Schrein. Der Legende nach lebte hier im Jahr 1852 eine alte Frau, die so arm war, dass sie ihre Hauskatze nicht mehr ernähren konnte und gezwungen war, sie gehen zu lassen. In dieser soll die Katze der Dame im Traum und erschienen sein und gesagt haben: „Wenn du Figuren nach meinem Bild machst, werde ich dir Glück bringen.“ Den Anweisungen der Katze folgend, soll die alte Frau tatsächlich Katzen aus Keramik hergestellt haben, um diese an den Toren des Tempels zu verkaufen. Die Katze hielt ihr Versprechen, die Keramikfiguren wurden schnell sehr beliebt und retteten die alte Frau vor der Armut.
Katzen als Glücksbringer
Wo auch immer die Winkekatze genau herkommt, eines scheint sicher: Sie soll Glück bringen. „Die Bedeutung der maneki-neko liegt in ihrer mythologischen Kraft, demjenigen Glück zu bringen, der sich um sie kümmert“, zitiert „National Geographic“ Yoshiko Okuyama, Professorin für Japanisch an der Universität von Hawaii in Hilo. Es gebe einen tief verwurzelten Glauben an die Macht der Katzen, der laute: Kümmere dich um sie, und sie werden sich um dich kümmern.
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Heute gibt es viele verschiedene „Winkekatzen“
Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts war die „Winkekatze“ in Japan allgegenwärtig und eroberte von dort aus die ganze Welt. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Katzen in unterschiedlichen Farben, die immer auf andere Art Glück bringen sollen. Wer Sorge hat, einen Verkehrsunfall zu haben, sollte eine blaue Katze wählen. Katzen in Rosa bringen jenen etwas, die Glück in der Liebe suchen. Und die berühmteste aller „Winkekatzen“, die goldfarbene, zieht Wohlstand an. „Meist findet man sie aber nur in touristischen Gebieten. Ansonsten trifft man sie eher weniger im Alltag an“, sagt die in Japan lebende Tessa-Karina Inoue.
Damit Japaner daran glauben, dass ihnen ihr Exemplar der Katzenfigur Glück bringt, muss dieses übrigens nicht unbedingt die Pfote heben und senken. Bei vielen der damals wie heute hergestellten „Winkekatzen“, vor allem bei denen aus Keramik, ist die erhobene Pfote fest mit dem Körper verbunden. Zu ihrem Siegeszug durch die ganze Welt hat das unermüdliche Auf und Ab der Pfote aber mit Sicherheit beigetragen.