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3. März 2025, 10:21 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
TRAVELBOOK-Autorin Laura Denndorf arbeitete sechs Monate lang als Animateurin bei einem namhaften Club-Hotel im Ausland. Dass sich der anfängliche Traum vom Arbeiten unter Palmen so schnell in einen Albtraum verwandeln würde, hätte sie nicht gedacht. Dennoch würde sie sich immer wieder für diese Zeit entscheiden. Über die Erfahrung als Animateurin – ein Bericht aus der Urlaubshölle.
Arbeiten, wo andere Urlaub machen, die Mittagspause in der Sonne am Pool verbringen und abends an der Bar feiern – so stellte auch ich mir die Arbeit als Animateurin vor. Im Alter von 23 Jahren entschied ich mich für einen Job in der Kinderbetreuung eines Club-Hotels im Ausland. Die Erfahrung eines Auslandsaufenthaltes wollte ich schon immer mal gemacht haben und so freute ich mich sehr, dass sich dieser durch die Arbeit als Animateurin mit einem kleinen Verdienst verknüpfen ließ. Das böse Erwachen folgte schnell – dennoch würde ich diese Entscheidung heute nicht anders treffen. Ein Bericht über eingefrorene Lächeln, fehlendes Arbeitsschutzrecht und krankhafte Kontrolle.
Übersicht
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Was macht man als Animateurin?

Klar ist, dass das Arbeiten nicht nur reines Vergnügen verspricht – auch nicht dort, wo andere Urlaub machen. Darauf war ich sehr wohl eingestellt, denn zuvor hatte ich bereits als Erzieherin in Deutschland gearbeitet und kannte das Berufsleben gut. Anders als die meisten übrigens, denn viele entscheiden sich direkt nach dem Abitur für einen Auslandsaufenthalt. Nicht selten kennen sie durch den Mangel an Erfahrung ihre Arbeitsrechte kaum. Noch in Deutschland unterzeichnete ich den Arbeitsvertrag. Darin festgehalten: Eine 6-Tage-Woche bei täglichen acht Stunden Arbeit. So weit, so gut.
„Vor Ort wollte niemand mehr etwas von den Vertragsbedingungen wissen“
Lediglich die Regelung der 6-Tage-Woche ließ mich kurz zögern. Immerhin verspricht ein einziger freier Tag in der Woche wenig Zeit für Erkundungstouren im neuen Land. Trotzdem willigte ich durch meine Unterschrift in den Arbeitsvertrag ein. Im Hotel angekommen, wollte jedoch niemand mehr etwas von den vertraglich festgehaltenen acht Stunden wissen. Überstunden wurden weder bezahlt noch abgebaut. Als Animateurin in der Kinderbetreuung bestand der Großteil meiner Aufgaben aus der Bespaßung der Kids. Diese betreute ich in der Regel von 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr. Dazwischen befand sich zwar offiziell eine vierstündige Mittagspause, häufig musste die jedoch für Tanzproben, den Empfang anreisender Gäste und verpflichtende Kochdienste geopfert werden. Hinzu kamen wechselnde Betreuungsdienste des abendlichen Kinderprogramms. Diese fanden von 19.00 Uhr bis 21.00 Uhr statt. Wenn ich danach nicht an einer der täglich stattfindenden Tanzshows teilnehmen musste, so lautete das ungeschriebene Gesetz: Bis Mitternacht Präsenz an der Bar zeigen. Und dort vor allem: Gästekontakt!
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Unter ständiger Beobachtung

Denn der Kontakt zu den Gästen wird in den meisten Club-Hotels großgeschrieben und ist häufig Teil der Philosophie. So war die Regelung der Barpflicht zwar kein offizieller Teil des Arbeitsvertrages, doch spürten wir alle eine gewisse Erwartungshaltung und standen demnach unter Druck. Denn nicht selten kam es vor, dass wir uns am nächsten Tag bei den direkten Vorgesetzten für unser Fernbleiben am Vorabend rechtfertigen mussten. Dabei war der Ton der Vorgesetzten unglaublich scharf. Gerne demonstrierten sie bei jeder Gelegenheit ihre Macht und Überlegenheit. Um den Gästekontakt an der Bar zu erleichtern, griffen viele zu Alkohol, der für die Angestellten immer kostenlos ist.
„Arbeitstage von 09.00 bis 0.00 Uhr sind als Animateurin keine Seltenheit“
All diese Extradienste sorgen dafür, dass ein Arbeitstag als Animateurin schon mal von 09.00 Uhr bis 0.00 Uhr andauern kann. Todmüde fallen dann alle in ihre Betten, die sich in den kleinen Zimmern der Mitarbeiterblöcke auf dem Clubgelände befinden. Die Atmosphäre gleicht dort einer nimmer enden wollenden Klassenfahrt. Die Kontakte beschränken sich auf die Arbeit und auch in den Pausen wird gemeinsam mit den Gästen am Buffet gegessen. Dabei gilt die Regel, dass immer nur zwei Mitarbeitende gemeinsam an einem Tisch sitzen dürfen. Vorausgesetzt, dass sich neben den beiden Mitarbeitenden auch Gäste am Tisch befinden. Denn um sie muss sich stets gekümmert werden – auch in der eigenen Pause. Von den Vorgesetzten wird all das mit Argusaugen überwacht und auch unter den Angestellten herrscht häufig eine argwöhnische und sich gegenseitig kontrollierende Haltung. Rückzug gibt es nicht.
„Meine Vorgesetzte riet mir im Alter von 23 Jahren zu Botox“
Die steilen Hierarchien gepaart mit dem immensen Druck, so vermute ich, führen dazu, dass auch vor dem Privatleben kein Halt gemacht wird. So ließ meine Vorgesetzte mich eines Tages wissen, dass sie immer darüber informiert werde, wer im Club ein und aus gehe. Und dass sie deshalb genau wisse, mit wem wir unsere freien Tage außerhalb des Hotels verbringen. In einem Vieraugengespräch kniff ich wegen der blendenden Sonne die Augen zusammen. Da drückte sie ohne Vorankündigung ihren Daumen gegen meine Stirn und glättete mit einer Wischbewegung meine Zornesfalte. In den darauffolgenden Tagen bot sie mir immer wieder an, sie zu ihrer bevorstehenden Botoxbehandlung zu begleiten – natürlich, um mich ebenfalls einer Faltenbehandlung zu unterziehen. Da war ich gerade einmal 23. Immer wieder lästerte sie laut über Gäste und Mitarbeitende, die nicht ihren persönlichen Schönheitsstandards entsprachen. Um das sexistische Bodyshaming zu unterstreichen, nannte sie unaussprechliche Beleidigungen, die ich hier nicht reproduzieren möchte.
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„Lächeln, sonst bist du raus!“

Kinderdisco, Kochdienst, Cocktails verteilen, Gästekontakt, Tanzshows – und immer: lächeln, lächeln, lächeln. In einem Feedback-Gespräch bat meine Chefin mich darum, mehr zu lächeln. Eine Aufgabe, die sich mit voranschreitender Zeit immer schwieriger gestaltete. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin wirklich kein mürrischer Mensch. Und doch gelang mir das dauerhafte Anspannen meiner Lachmuskeln mit zunehmendem Ausbrennen meines Inneren nur unter großer Anstrengung. Ein Kraftakt, den wir alle in Kauf nahmen, denn über all den Anforderungen schwebte immer ein und dieselbe Drohung: Wer nicht mit einem breiten Dauergrinsen alles bereitwillig über sich ergehen lässt, ist raus!
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Affären mit Gästen? Eigentlich (k)ein Problem

Laut der Arbeitsverträge dürfen Animateure nichts mit Gästen anfangen. In der Realität sieht die Sache jedoch anders aus. Denn da der gute Gästekontakt als das oberste Gebot gilt, schauen die Vorgesetzten gerne weg, wenn es doch zu sexuellem Kontakt kommt. Denn Animateure werden nun mal engagiert, um den Gästen ein gutes Gefühl zu geben. Ob dabei Grenzen überschritten werden, liegt in den Augen der Vorgesetzten im Ermessen des Animateurs. Vertrag hin oder her – und Hauptsache, der Gast ist glücklich. Das führt dazu, dass Angestellte sich zwar regelmäßig für zu wenig Gästekontakt bei den Vorgesetzten rechtfertigen müssen – nie aber für zu viel! Auch im Hinblick auf den Alkohol werden die eigenen Regeln bereitwillig gebrochen, denn dieser ist laut des Arbeitsvertrages während der Arbeitszeit ebenfalls verboten.
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Was verdiente ich als Animateurin?

Die Arbeit in der Animation ist mit einer 6-Tage-Woche weit mehr als ein Fulltime-Job. Und das bei teilweise unglaublich langen Arbeitstagen, die morgens um neun Uhr starten und sich bis Mitternacht ziehen können. Noch einmal zusammengefasst: Die Pausen sind gespickt mit Proben für die abendlichen Shows, mit Kochdiensten oder dem Empfang anreisender Gäste. Das alles wird von den Club-Hotels mit einem Gehalt von 200 bis 800 Euro pro Monat vergütet. Dabei spielen die Vorkenntnisse und der jeweilige Arbeitsvertrag eine Rolle. Schockierend, aber wegen des strukturellen Rassismus leider wenig überraschend: Am wenigsten verdienen die lokalen Angestellten! Auf etwa gleicher Stufe befinden sich im Gehalts-Ranking die Deutschen mit Praktikums-Vertrag. Und am meisten verdienen alle, die fest angestellt und im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit sind.
„Überstunden werden nicht bezahlt und können auch nicht abgebaut werden“
Die Arbeitszeiten werden nämlich gar nicht erst erfasst. Groß ist die Entschädigung für all die Mühen also nicht. Hinzu kommen allerdings freie Kost und Logis. Außerdem übernehmen einige der Club-Hotels die Flugkosten der Angestellten. In meinem Fall war das einer der Gründe, den Auslandsaufenthalt ausgerechnet als Animateurin zu realisieren. Dass die lokalen Angestellten deutlich schlechter als die Deutschen bezahlt wurden, beschäftigte mich noch weit über die Zeit im Hotel hinaus. Denn die Menschen vor Ort sind es, die die ständig wechselnden und völlig unerfahrenen Expats einarbeiten und somit eine Konstante bilden. Sie sind es, die das System in den Club-Hotels tragen und durch ihre langjährige Erfahrung von unbeschreiblicher Bedeutung sind. So verdiente beispielsweise ein Kollege, der den Club zu jener Zeit bereits seit 10 Jahren bereicherte, nicht mehr als ein deutsches Praktikumsgehalt.
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Darum würde ich es wieder tun

Heute, einige Jahre später, blicke ich mit klarem Blick auf das sechsmonatige Dasein als Animateurin zurück. Und bereue es manchmal, dass ich nicht früher gegangen bin. Aber missen möchte ich die Zeit auch nicht. Denn so ungesund das System der Club-Hotels auch ist, so prägend war die Zeit für mich. Ich habe viele tolle Menschen kennengelernt und zu manchen von ihnen bis heute noch Kontakt. Die harte Arbeit und das abgeschottete Leben in der Hotelblase schweißt unglaublich zusammen. Außerdem ist es eine tolle Möglichkeit, um aus der eigenen Komfortzone zu treten und aus sich herauszukommen. Ich würde es also heute immer wieder tun – aber nie länger als sechs Monate. Wer also plant, sich in das Leben als Animateurin zu stürzen, der möchte ich zwei Dinge mit auf den Weg geben: Einen Arbeitsvertrag von möglichst kurzer Dauer und unbedingt den Absprung schaffen!