2. März 2022, 11:16 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Das Wetter oft grau, die Menschen mürrisch: Es gibt viele Deutsche, die davon träumen, ins Ausland auszuwandern oder es bereits getan haben. Umgekehrt leben aber auch in Deutschland viele Zugezogene, die ihrem Heimatland bewusst den Rücken gekehrt haben. Zum Beispiel der Liebe oder eines Jobs wegen – oder weil sie Deutschland einfach toll finden. In unserer neuen TRAVELBOOK-Serie berichten Menschen, die nach Deutschland ausgewandert sind, von ihren positiven und negativen Erfahrungen hier. Dieses Mal: die US-Amerikaner Tanner und Risa, die mit ihrer kleinen Tochter in Bayern leben.
Die Vereinigten Staaten zählen laut dem Statistischen Bundesamt nach der Schweiz und Österreich zu den beliebtesten Auswanderungszielen der Deutschen. Umgekehrt zieht es jedoch vergleichsweise wenige US-Amerikaner nach Deutschland. Ihr Anteil an der gesamten ausländischen Bevölkerung lag 2020 bei gerade mal einem Prozent, wie die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt. Zu den wenigen US-Amerikanern, die es bislang nach Deutschland gezogen hat, zählen der 26-jährige Tanner und seine Freundin Risa (25) aus Utah, die gemeinsam mit ihrer zwei Jahre alten Tochter Willa in einem kleinen Dorf in Bayern leben. Im Interview mit TRAVELBOOK berichtet Risa, was sie hierher verschlagen hat, was ihnen an Deutschland gefällt und was weniger.
TRAVELBOOK: Wie kommt es, dass ihr nach Deutschland gezogen seid und wo lebt ihr hier?
Risa: „Wir sind wegen Tanners Job hier. Er arbeitet für die US-Regierung auf einem Armeestützpunkt. Wir leben jetzt schon seit fast seit einem Jahr hier, in der Nähe von Grafenwöhr in Bayern.“
Hättet ihr auch ein anderes Land für seinen Job wählen können, und wenn ja, warum habt ihr euch für Deutschland entschieden?
„Ja, wir hatten die Wahl, nach Großbritannien, Japan oder Deutschland zu ziehen. Wir haben uns für Deutschland entschieden, weil uns seine zentrale Lage in Europa gefiel. Außerdem lieben wir es zu reisen und wir wussten, dass Deutschland ein guter Ausgangspunkt für uns sein würde.“
Wie kommt ihr als Zugezogene aus den USA mit der deutschen Sprache zurecht?
Tanner lernt Deutsch und spricht es gut genug, um überall zurechtzukommen, wo wir hingehen. Unsere zweijährige Tochter Willa geht seit Kurzem in die Kita und lernt langsam deutsche Wörter. Aber Deutsch zu lernen ist schwierig! Glücklicherweise haben uns einige Deutsche über unseren YouTube-Kanal angeschrieben und angeboten, uns beim Deutschlernen zu helfen. Auf diese Weise lernen wir.
Was war euer größter „Kulturschock“ in Deutschland?
„Definitiv: die Sauna! Erstens, weil wirklich alle nackt sind. Vor allem aber, weil Männer und Frauen zusammen in die Sauna gehen. In den USA gehen die Leute zwar auch oft nackt in die Sauna, aber fast nie gemischt. Für uns war es eine seltsame neue Erfahrung, weil wir auch nackt hineingegangen sind, aber ich muss sagen: Wir haben es wirklich genossen! Es war sehr entspannend, obwohl es etwas dauerte, bis man sich ganz wohlfühlte. Mittlerweile finden wir, es sollte überall so sein wie hier. Wir lieben die Idee, sich zu entspannen und sich in seiner eigenen Haut wohl zu fühlen! Uns wurde klar, wie objektiviert und sexualisiert Körper in den USA im Vergleich zu Deutschland und anderen europäischen Ländern sind. Wir schätzen die neue Perspektive und die Erfahrung, die Dinge auf eine andere Art zu sehen.“
Was hat euch sonst noch gewundert?
„Die Lebensmittelläden! Die sind viel kleiner als in den USA, es gibt viel weniger Auswahl und zum Teil auch andere Produkte.“
Auf ihrem YouTube-Kanal „Our Story to tell“, auf dem es um ihre Reisen und die Zeit in Deutschland geht, zeigen Risa und Tanner unter anderem, wie sie zum ersten Mal einen deutschen Supermarkt besuchen:
Was gefällt euch in Deutschland besonders gut?
„Wir lieben die Menschen in Deutschland, sie sind so nett und freundlich zu uns, und wie grün und sauber alles ist. Auch toll ist die Ausstattung der Häuser (Rollläden und Fußbodenheizung), und die Spielplätze sind super! Und die deutschen Bäckereien lieben wir – Himmel sind die gut!“
Was haltet ihr von der Mentalität der Deutschen?
„Die ist manchmal etwas anstrengend, aber ehrlich gesagt finden wir es toll, dass alles so gut organisiert ist und dass die Leute so oft nach draußen gehen.“
Was ist mit der deutschen Küche, mögt ihr als Zugezogene aus den USA das Essen hier?
„JA, wir mögen es! Wir lieben Käsespätzle! Das ist unser absolutes Lieblingsgericht. Aber wir mögen auch Würstchen und das Brot hier sehr gerne. Was wir nicht mögen, ist die berühmte Schwarzwälder Kirschtorte.“
Was war bisher euer schönstes Erlebnis hier, an das ihr euch immer erinnern werdet?
Die Zeit mit Einheimischen zu verbringen. Als wir zum ersten Mal umgezogen sind, hat uns eine liebe Freundin namens Kati die Gegend gezeigt. Wir waren auf den örtlichen Bauernmärkten und haben zusammen Döner gegessen. Tanner hat auch ein Wochenende mit vier Deutschen in der Eiffelregion in verbracht, das hat ihn begeistert.“
Habt ihr vor, dauerhaft in Deutschland zu bleiben?
„Leider werden wir nicht dauerhaft in Deutschland bleiben können, denn Tanners Arbeitsvertrag geht nur über 3-5 Jahre. Wir können nicht glauben, dass wir schon ein Drittel unserer Zeit im Ausland hinter uns haben! Vielleicht kommen wir aber irgendwann doch wieder hierher zurück.“