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Sie leben zwischen Thailand und Myanmar

Die Moken sind die vielleicht letzten Seenomaden der Welt

Moken
Das Volk der Moken lebt seit Jahrtausenden traditionell als Seenomaden. Heute ist ihre Existenz durch zahlreiche Faktoren bedroht Foto: Getty Images
Robin Hartmann Autorenkopf
Freier Autor

30. März 2024, 10:35 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Das Volk der Moken lebt seit Jahrtausenden traditionell auf handgebauten Booten auf dem Meer. Ihre Heimat liegt inmitten der Inseln des Mergui-Archipels, das sowohl Thailand als auch Myanmar für sich beanspruchen. Immer stärker wird ihre ursprüngliche Lebensweise in tiefem Einklang mit der Natur daher beeinträchtigt. Die Auswirkungen sind derart katastrophal, dass Menschenrechtsorganisationen mittlerweile Alarm schlagen.

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Das Mergui-Archipel in der Andamanen-See ist ein Naturparadies, bestehend aus etwa 800 Inseln, die wie Farbtupfer im Meer verstreut liegen. Und inmitten dieser Eilande lebt ein Volk, dass in unserer hektischen Moderne wie aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Die Moken, die vielleicht letzten Seenomaden der Welt, verbringen einen Großteil ihres Lebens auf dem Meer. Jahrtausendelang haben sie diese Lebensweise gepflegt, die geprägt ist von einem tiefen Respekt vor der Natur und der Suche nach Einklang mit ihr. Doch heute sehen sie sich dabei immer mehr Einwirkungen und auch auch Bedrohungen seitens der Außenwelt ausgesetzt. Diese sind mittlerweile so stark, dass ihre gesamte Existenz in Gefahr scheint.

Der Seite „Survival International“ zufolge migrierten die Moken wohl bereits vor 4000 Jahren in die Gewässer vor Thailand, Myanmar und Malaysia. Spätestens seitdem leben sie traditionell einen großen Teil des Jahres permanent auf dem Meer. Auf handgebauten hölzernen Hausbooten, kabang genannt, ziehen sie, ihren Bedürfnissen sowie den Jahreszeiten folgend, innerhalb des Mergui-Archipels von Insel zu Insel. Nur während der Monsun-Zeit zwischen Mai und Oktober suchen sie in Stelzenhäusern auf den Eilanden Zuflucht vor den starken Regenfällen und der rauen See. Grenzen, wie sie moderne Staaten kennen und reklamieren, haben dabei nie für sie existiert.

Erstaunliche Fähigkeiten

Seit jeher leben die Moken im Einklang mit der Natur und dem, was sie ihnen gibt. Die Männer sind geschickte Fischer, jagen mit Speeren, Harpunen und neuerdings auch Netzen nach Beute. Frauen und Kinder sammeln bei Ebbe Krustentiere und andere Meeresfrüchte. Untersuchungen legen nahe, dass Moken-Kinder häufig schwimmen können, bevor sie zu laufen lernen. Zudem ist ihre Sehkraft um unglaubliche 50 Prozent stärker als die europäischer Kinder, wie eine Studie der Universität im schwedischen Lund ergab. Dank dieser Gabe können sie sich auch unter Wasser hervorragend orientieren, was ihnen bei der Jagd und der Suche nach Nahrung zugute kommt.

Moken sind zudem sehr gute Taucher, können ohne Sauerstoff und jegliches Gerät sehr viel länger unter Wasser bleiben als ein durchschnittlicher Mensch. Laut einer einheimischen Legende führt die Nabelschnur von Kindern ins Meer. Moken werden auf dem Wasser geboren, hier leben und sterben sie, so die Geschichte weiter. Bevor sie auf die Jagd gehen, bringen sie traditionell Opfergaben an ihre Schutzgeister. Auf diese Weise bekunden sie ihren tiefen Respekt vor der Natur, die ihnen ihr unabhängiges freies Leben ermöglicht. Konzepte wie materieller Besitz sind dem Volk unbekannt, ein Leben ohne jegliche moderne Technik mitunter immer noch ebenso.

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Unglaubliche Kenntnis des Meeres

Moken
Während der Monsunzeit suchen die Moken Schutz vor Regen und unruhigem Wasser in temporären Siedlungen Foto: Getty Images

Die Lebensweise der Moken ist seit jeher geprägt von einem nachhaltigen, schonenden Umgang mit vorhandenen Ressourcen. Auf diese Weise hinterlassen sie quasi, im Gegensatz zum modernen Menschen, fast keinen ökologischen Fußabdruck. Neben dem Meer sind die Wälder der Inseln ihr „Supermarkt“, wo sie sowohl Nahrung als auch Baumaterial finden. So kennt das Volk mehr als 150 Pflanzen, die dafür zur Verwendung kommen. Während der Monsunzeit bauen sie zusätzlich Reis an und gehen auf die Jagd nach Wildschweinen und kleinen Hirschen.

Doch ihr außergewöhnliches Wissen über die Natur und auch das Meer sind nirgendwo schriftlich festgehalten, werden stattdessen von Generation zu Generation mündlich weiter gegeben. Als 2004 der verheerende Tsunami auch die Küste von Thailand traf, erlangten die Moken plötzlich weltweit Berühmtheit. Ihre unglaubliche Kenntnis des Meeres hatte offenbar dazu geführt, dass sie die nahende Gefahr rechtzeitig voraussahen. Und so sich und zusätzlich zahlreiche Touristen vor der Monsterwelle aus einem Moken-Dorf in Sicherheit bringen konnten.

Tradition in Gefahr

Moken
Die Moken leben seit jeher im Einklang mit dem Meer und der Natur. Einen Großteil des Jahres verbringen viele von ihnen immer noch auf dem Wasser Foto: Getty Images

Doch der Lebenswandel dieses erstaunlichen Volkes ist heute mehr denn je akut bedroht. Ihre nomadische Existenz ist den Regierungen von Myanmar und Thailand schon lange ein Dorn im Auge. Und so gibt es Bestrebungen, die verbleibenden 3000 Seenomaden permanent in Nationalparks anzusiedeln. Diese, wie der bereits 1981 eröffnete Surin-Inselnationalpark, gefährden aber ebenfalls die Existenz der Moken. Denn die dürfen dort zum Beispiel kein Holz für ihren Bootsbau schlagen. Weitere Bedrohungen sind der industrielle Fischfang sowie Gesellschaften, die im Meer vor ihrer Heimat nach Öl bohren. Und nicht zuletzt der Tourismus. Organisationen wie „Human Rights Watch“ berichten, dass für diesen Wirtschaftszweig immer wieder Moken von ihrem Land vertrieben werden.

Dieses Leben unter permanentem Druck hat dazu geführt, dass bereits zahlreiche Moken ihr nomadisches Dasein aufgegeben haben. Etwa 800 von ihnen leben heute permanent in Thailand, halten sich mit Gelegenheitsjobs als Bootsführer oder Müllmänner über Wasser. Von vielen Festlandbewohnern als „rückständig“ angesehen, sind sie auch Rassismus und Diskriminierung ausgesetzt. Die Zahl der Alkoholabhängigen unter den Nomaden ist seit der festen Ansiedlung auf dem Land sprunghaft angestiegen, denn ohne das Meer fehlt diesen Menschen quasi jegliche Lebensgrundlage.

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Es droht der Untergang

Das gravierendste Problem aber ist wohl, dass die Moken als staatenlos angesehen werden, und daher keinerlei Bürgerrechte genießen. Sowohl in Thailand als auch Myanmar haben sie daher keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung und Rechtsbeiständen. Eine Lage, die immer wieder schamlos ausgenutzt wird, um ihre Arbeitskraft auszubeuten und/oder sie umstandslos zu enteignen. Zahlreiche Seenomaden berichten „Human Rights Watch“ zudem auch regelmäßig von gewaltsamen Übergriffen, vor allem in den Gewässern um Myanmar. So sei es keine Seltenheit, dass sogar die Marine sie bedrohe und teils sogar umbrächte. Schutzgeldforderungen so wie die „Beschlagnahmung“ ihres Fangs sei ebenfalls an der Tagesordnung.

Der Tourismus trägt ebenso seinen Teil zu dem Problem bei. Denn viele der Inseln, die heute jährlich von tausenden Menschen aus aller Welt besucht werden, waren ursprünglich einmal Territorium der Moken. Eines, auf das sie natürlich rechtlich niemals Anspruch hatten, weshalb sie sich nun umso massiver Vertreibung ausgesetzt sehen. Das führt dazu, dass ihre traditionelle Lebensweise immer schneller verschwindet. Laut einer Reportage von „Survival International“ beherrschen nur noch wenige Angehörige den Bau der kabang-Boote. Auch Geld, das vorher in der Tausch-Ökonomie der Moken nie eine Rolle spielte, treibt sie in eine zunehmende Abhängigkeit von einer Moderne, zu der sie nie gehören wollten.

„Human Rights Watch“ fordert daher die Regierungen von Thailand und Myanmar dringend dazu auf, den Moken zu helfen. Sie müssten zunächst einmal Staatsbürger-Dokumente bekommen, um Zugang zum Gesundheits- und Rechtssystem zu erhalten. Auch die Teilhabe an Bildung, Arbeitsmarkt und gegebenenfalls sozialer Wohlfahrt sei unerlässlich. Internationale Hilfsorganisationen müssten zudem Kontakt zu dem Nomadenvolk herstellen und ihnen beratend zur Seite stehen dürfen. Nur auf diese Weise könne man sicherstellen, dass eine der erstaunlichsten Kulturen unserer Welt, die heute wie ein Relikt aus einer fernen Vergangenheit erscheint, nicht zerstört wird.

Themen Asien Myanmar Thailand
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