9. September 2019, 7:12 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Baigaalma Norjmaa reist aus ihrer Heimat, der Mongolei, auf Kamelen bis nach Großbritannien. Was treibt diese Frau an? TRAVELBOOK hat sie es verraten – und erzählt von Nächten bei zweistelligen Minustemperaturen, Tagen unter Polizeischutz und Reisepässen für Tiere.
Wie würden Sie reisen, wenn Sie eine Strecke von 12.000 Kilometern zurücklegen wollten? Wahrscheinlich mit dem Flugzeug, für ganz Hartgesottene käme unter Umständen auch ein Auto, die Bahn oder ein Schiff infrage. Jedenfalls ganz sicher nicht mit einem Kamel, oder? Die Mongolin Baigalmaa Norjmaa tut jedoch genau das, sie reist momentan von ihrer Heimatstadt Ulan Bator in Richtung Großbritannien – etwa 6000 Kilometer hat sie auf den Rücken ihrer zehn Tiere bereits hinter sich gebracht, hat dabei die Mongolei, China, Kasachstan und Usbekistan durchquert. Mit TRAVELBOOK hat sie über ihren Trip gesprochen.
Ein langgehegter Traum
„Alles fing an mit meinem Freund Tim Cope aus Australien“, erzählt Baigalmaa. „Er unternahm damals eine Reise zu Pferd aus der Mongolei bis nach Ungarn. Ich selbst arbeitete in der Tourismusindustrie und war ziemlich eifersüchtig auf ihn – also habe ich überlegt, wie ich das toppen könnte.“ So begann sie davon zu träumen, ihre eigene Reise mit Kamelen zu starten, als Referenz und Respektsbekundung an das Erbe ihres Volkes als Reiter und Hirten. Sechs Jahre lang blieb es allerdings bei dem Traum, denn die Hürden erschienen ihr natürlich gewaltig.
„Dann habe ich einem anderem Freund davon erzählt und selbst gesagt, dass es vielleicht nicht möglich sei. Er durchquerte zu dem Zeitpunkt Sibirien und die Mongolei und hat mich sehr bestärkt und motiviert.“ Im Juli 2017 fing sie an, konkret zu planen, stellte ein Team zusammen und kümmerte sich um finanzielle Unterstützung für ihr Projekt. „Und plötzlich war ich da draußen, mit Temperaturen irgendwo zwischen Minus 30 und Minus 58 Grad in den Nächten.“ Einfacher war es für sie insofern, weil sie als Tochter von Hirten bis zu ihrem 16. Lebensjahr ohnehin mehr oder weniger ein Nomadenleben geführt habe.
Reise unter Polizeischutz
Seitdem bewegt sich Baigalmaa mit ihren Tieren und ihrem Team auf den Wegen der alten Seidenstraße. „Irgendwie lebe ich durch diese Reise genau auf dieselbe Art wie meine Ahnen zur Zeit von Dschingis Kahn.“ Anfangs hätten fast alle ihre Bekannten skeptisch auf ihre Pläne reagiert, mentale Unterstützung habe sie nur von ihrer Familie erhalten. „Doch jetzt, nach 6000 Kilometern, fangen die Leute an, an mich und meine Reise zu glauben. Die mongolische Polizei hat mir zum Schutz sogar einen Beamten zur Seite gestellt, der mich dann 1200 Kilometer begleitet hat.“
Auch interessant: Dieser Italiener lebt seit 30 Jahren allein auf einer Mittelmeerinsel
Mit ihrer Reise wolle sie die Welt auf die mongolische Kultur aufmerksam machen, und darauf, dass man trotz allem technischen Fortschritts niemals seine Geschichte vergessen solle. Auch wolle sie Frauen und Mädchen motivieren, die Welt zu entdecken, und sich nicht durch Ideologien und Vorurteile aufhalten zu lassen. Generell reagierten fast alle Menschen positiv und neugierig auf sie und ihre Reise, besonders in Kasachstan und Usbekistan seien die Leute sehr freundlich und hilfsbereit gewesen. So fanden sie und ihr Team unterwegs auch meist problemlos Übernachtungsmöglichkeiten. „Schlimm sind nur die Leute, die zu Hause in ihrer Komfortzone sitzen und keine Ahnung von den Strapazen einer solchen Reise haben.“
Die längste Kamel-Reise aller Zeiten
Mit Tieren, speziell Kamelen, zu reisen sei im Übrigen viel anstrengender als beispielsweise mit dem Auto: „Man muss sie drei Mal am Tag füttern, und auch immer schauen ob sie Durst haben und ob es ihnen gut geht. Sie haben zudem sehr weiche Fußballen, die sie sich besonders auf asphaltierten Strecken schnell blutig laufen. Um das zu verhindern, muss man sie mit speziellem Öl einreiben, und das über mehrere Tage lang. Und das muss ich immer machen, egal, ob ich gerade selbst vielleicht müde bin.“
Auch interessant: Der irre Roadtrip eines Deutschen durch Afrika
Ihre Kamele seien aber auch eine große Hilfe, denn jedes Tier kann bis zu 300 Kilo Gewicht tragen. „Dadurch habe ich natürlich einen Vorteil gegenüber normalen Backpackern. Weil meine Reise aber die längste jemals durchgeführte mit Kamelen ist, muss ich dafür sorgen, dass meine Tiere immer in sehr guter Verfassung sind – daher belade ich sie nur mit 80 Kilo Gewicht, und auch immer nur bis zu zwei Tiere abwechselnd.“ Natürlich gab es auf einer solchen Reise auch immer wieder unschöne Momente, so löschte zum Beispiel die chinesische Polizei einen Großteil ihrer Bilder, später dann wurde ihr ein gutes Zelt gestohlen.
Das Gastland der ITB 12 gute Gründe, warum Sie mal die Mongolei besuchen sollten
Vergessene Orte In Baikonur fand ein Mann zwei Raumfähren in einem verlassenen Hangar
Bis zu minus 50 Grad So frostig ist es jetzt in den kältesten Städten der Welt
Reisepässe für Kamele
Die größte Herausforderung sei aber nicht etwa gewesen, Nächte im Freien bei zweistelligen Minustemperaturen zu verbringen: „Das Schlimmste waren die Scherereien mit Regierungsbeamten wegen Visa und der ganze Papierkram drumherum.“ Sie schaffte es sogar, dass ihren Kamelen Reisepässe ausgestellt wurden, in denen ein Tierarzt deren Gesundheit bescheinigte – unerlässlich für ihre zahlreichen Grenzüberquerungen. Dennoch dauerte es teilweise sehr lange, um eine Einreisegenehmigung für die Tiere zu erhalten, in China waren es fünf Monate.
Seit knapp zwei Jahren ist Baigalmaa jetzt unterwegs, die nächsten Länder auf ihrer Route sind Turkmenistan, der Iran, die Türkei und Bulgarien. Auch nach Deutschland wird sie kommen, bevor es dann über Frankreich zu ihrem Ziel Großbritannien geht. Ihre genaue Route für Europa hat sie aber noch nicht fest gelegt. „Ich fände es komisch das jetzt schon zu planen, bevor ich überhaupt den Großteil der gesamten Reise absolviert habe.“ Was nach ihrer Reise mit den Kamelen in Großbritannien passieren soll, darüber hat sie sich auch noch keine Gedanken gemacht.
Wahrscheinlich ist aber, dass sie für diesen Abschnitt europäische Kamele verwenden wird: „Die EU-Regeln für den den Tierschutz sind sehr streng, ich konnte keinerlei Informationen dazu finden, ob und wie man mit Kamelen einreisen kann.“ Den Stimmen, die ihr vorwerfen, sich der Tierquälerei schuldig zu machen, da wilde Kamele nicht für eine solche Reise gebraucht werden sollten, sagt sie: „Hunde sind doch auch nichts anderes als domestizierte Wölfe – heißt das, jeder Hundebesitzer ist ein Tierquäler?“
Baigalmaas ungewöhnliche Reise kann man unter anderem auf Facebook verfolgen, wo sie auf ihrer Seite „Steppes to the West“ regelmäßig Fotos und Videos postet – und natürlich auch zahlreiche Berichte über sie aus der ganzen Welt, unter anderem von der „BBC“. „Ich freue mich jetzt schon sehr auf Europa. Dieses Abenteuer ist so etwas wie mein Erbe – mein ganzes Leben war schon eine Reise.“ Nach ihrem großen Abenteuer möchte Bailgalmaa zurück in die Mongolei: „Wo sollte ich sonst hin?“