25. September 2018, 13:26 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Nach seiner zweiten Tumordiagnose beschloss Sven, dass er die Welt mit seinem Fahrrad umrunden würde, wenn er trotz seiner beiden lebensgefährlichen Diagnosen 50 Jahre alt werden sollte. Im April 2017 war es dann so weit: Kurz vor seinem 50. Geburtstag startete er seine Reise um die Welt und ist seitdem unterwegs. TRAVELBOOK erzählte der Lebemann von seinem Abenteuer und davon, wie er mit seinen Krankheiten umgeht.
Inzwischen ist Sven Marx 51 Jahre alt und umrundet seit einem Jahr und knapp vier Monaten mit seinem Fahrrad die Welt. Am Ende seiner Reise wird er rund 31.000 Kilometer zurückgelegt haben. Und das alles trotz seiner Behinderung. Denn Sven hat wegen eines Tumors Gleichgewichtsprobleme, sieht doppelt und kann nicht räumlich sehen. TRAVELBOOK berichtete der außergewöhnliche Reisende von seinem Abenteuer.
Eine Diagnose, die sein Leben veränderte
2009 wurde bei Sven Marx ein gutartiger Tumor im Hirnstamm entdeckt. Zwar habe es schon Anzeichen gegeben, wie etwa Übelkeit, Schwindel oder auch Sehstörungen, doch mit einer so schweren Diagnose wie einem Hirntumor habe er nicht gerechnet. „Ich konnte es nicht glauben. Was machste, wenn dir einer sagt, du hast ‘nen Tumor im Kopf? Das ist ja so weit weg, wie ‘ne Reise zum Mars“, sagt Sven. In einer Operation war kurz darauf ein Teil des Tumors entfernt worden, doch es gab Komplikationen. Sven blieb mit Gleichgewichtsstörungen und Sehproblemen zurück, lag drei Monate auf der Intensivstation. Er war halbseitig gelähmt, wurde beatmet und künstlich ernährt. Danach bildete sich seine Muskulatur stark zurück.
Nach dem Krankenhausaufenthalt musste er erst wieder seine Muskeln aufbauen und alltägliche Dinge wie Essen, Laufen oder Sitzen erlernen. Vieles musste er hinter sich lassen. Dinge, die er geliebt hatte – etwa das Motorradfahren oder auch das Tauchen, womit er seinen Lebensunterhalt verdient hatte. „Ich kann beides nicht mehr und ich habe nicht eine Minute darüber nachgedacht, wie schlimm das für mich ist, dass ich das nicht mehr machen kann. Das ist glaube ich das, was man als allererstes machen muss: Sein altes Leben aufgeben und sofort ein neues starten“, so Sven.
Nach einem Jahr war Sven wieder in der Lage, 15 Kilometer mit dem Fahrrad zu fahren. Zwei Jahre nach seiner Entlassung hatte er dann schon 100 Kilometer geschafft und das Ziel, wieder zu reisen, rückte in greifbare Nähe. Diesmal mit dem Fahrrad anstelle seines Motorrades. Warum das Rad? „Das Fahrrad diente mir zum Muskelaufbau und ist für mich leichter zu bewegen, als wenn ich zu Fuß unterwegs bin“, erklärt Sven.
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Sein Umgang mit der Krebsdiagnose war von Anfang an von viel Optimismus geprägt. So erzählt er: „Ich habe nicht darüber nachgedacht, was nicht mehr gehen könnte, sondern einfach das getan, was geht. In den jeweiligen Stadien, in denen ich mich befunden habe, habe ich immer überlegt: Okay, was kann ich jetzt machen?“
Der nächste Schock und der Weg zur Weltreise
2011 folgte der nächste Schock: Neben dem Tumor, der noch zum Teil in seinem Gehirn war, wurde bei Sven auch schwarzer Hautkrebs diagnostiziert. Doch statt aufzugeben, fasste er einen Entschluss: Wenn er trotz zwei lebensbedrohlicher Krankheiten 50 Jahre alt werden würde, würde er eine Weltreise angehen. „Mich motiviert das Leben. Ich will leben und so viel wie möglich erleben. Und es gibt auf dieser Welt so viele tolle Plätze, die man gesehen haben sollte und deshalb fahre ich einfach – so ein bisschen wie Forrest Gump – überall mal hin“, so Sven.
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Überall hin? Da ist Sven nahe dran. Während seiner Weltreise, die vor fast eineinhalb Jahren in Berlin gestartet war, bereiste er schon Polen, Litauen, Lettland, Estland und fuhr weiter nach Finnland. Von dort überquerte er die Grenze nach Russland, fuhr nach Japan und von dort nach Vietnam. In Südostasien reiste er noch durch Kambodscha, Laos, Thailand, Malaysia und Singapur. Und von dort nach Australien und Neuseeland und weiter in die USA. Angekommen auf dem amerikanischen Kontinent fuhr er in den Süden nach Mexiko, um dann wieder die USA zu passieren und nach Kanada zu fahren.
Von dort ging es nach Marokko, Portugal, Spanien, Frankreich und nach England, wo er sich zum Zeitpunkt des Interviews befand – alles das mit seinem Fahrrad. Dabei habe er seine Route nur grob geplant und manche Ziele, so wie Neuseeland oder Kambodscha, ergaben sich eher zufällig auf dem Weg. Bevor seine Reise im September in Berlin endet, will Sven noch nach Belgien, Holland und Dänemark.
Zäune erschweren Abenteuer
Auf seiner Reise machte er viele Erfahrungen. Zum Beispiel, wie störend Zäune sein können. Die ärgerten ihn besonders in Australien, Neuseeland und Mexiko, wo sie das Weideland abgrenzen, sodass er oft kilometerweite Strecken mit seinem Fahrrad gefahren war, ohne sich unter einem Baum ein schattiges Plätzchen suchen zu können. „Ich kam mir vor wie im Gefängnis“, erinnert sich der Reisende.
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Mit den Menschen machte er hingegen ausschließlich positive Erfahrungen: „Ich habe nur gute Menschen getroffen. Selbst in Mexiko, wo viele sagen ‘Fahr da nicht hin‘, oder in Russland.“ Besonders berührt habe ihn auch diese Begegnung: In Kuala Lumpur hatte er eine Rede gehalten, die sich 80 Chinesen, viele von ihnen schwerbehindert oder mit psychischen Problemen, anhörten. Nach der Rede kam eine Frau aus dem Publikum zu ihm und fragte den Reisenden, ob sie ihn drücken dürfe. „Und das war der Auslöser, dass dann alle 80 Chinesen zu mir kamen und mich mal drücken wollten. Das war so bewegend. Da stand ich dann und dachte: ‘Ups, jetzt musst du aber aufpassen, dass dir hier nicht die Tränen kullern.‘“
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Eine Reise mit bewegender Mission
Bewegend ist auch, dass Sven nicht nur für sich reist. Er hat eine Mission: Er möchte Aufmerksamkeit für Projekte schaffen, die ihm wichtig sind, und für Menschen mit Behinderungen. Er hat deswegen auch in vielen Ländern die jeweilige Deutsche Botschaft besucht, um zu fragen, wie die Situation für behinderte Menschen im jeweiligen Land sei.
Er erzählt, warum er dafür genau der richtige Mann ist: „Ich bin selbst behindert und habe die Inklusionsfackel im Gepäck. Diese Fackel ist die einzige ihrer Art. Wir, mein Freund Karl Grandt und ich, haben sie mit dem Fahrrad 2015 über die Alpen nach Rom gebracht, um sie in einer Sonderaudienz segnen zu lassen; da entstand auch das Bild, auf dem ich die Hand des Papstes schütteln durfte, wir haben sie ein Jahr später im selben Projekt namens ‚Inklusion braucht Aktion‚ über 6000 Kilometer nach Rio zu den Paralympics gebracht und nun reist sie mit mir um die Welt.“
Eine wichtige Aufgabe, die Sven sich, neben kleineren Einnahmen von Sponsoren oder durch Crowdfunding, zum großen Teil aus eigener Tasche von seinen Ersparnissen finanzierte. Beendet hat er seine Reise am 8. September in Berlin. Wie es jetzt weiter geht? Es gibt schon neue Projekte und ein neues Buch, das darauf wartet, geschrieben zu werden.
Wer mehr über Sven erfahren möchte, kann auf seiner Website, Instagram, Facebook, Twitter oder YouTube folgen. Oder auch sein Erstlingswerk „Aber du bist doch behindert“ lesen – auf sein erstes Buch soll auch ein zweites folgen.