4. Juni 2018, 11:23 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
„Journeyman“ Fabian Sixtus Körner ging schon mehrfach auf Weltreise – und schrieb darüber Bücher. Sein jüngstes handelt von ganz besonderen Abenteuern: von jenen mit seiner Tochter Yanti. TRAVELBOOK sprach mit ihm über das Reisen als „Droge“ – und wie Yanti ihm und seiner Freundin hilft, die Welt und auch Deutschland anders zu sehen.
Es passiert im Jahr 2007, in Südostasien. Genauer gesagt in Laos. Es ist Monsun-Zeit, der Regen kann dann besonders brutal sein. Fabian Sixtus Körner kauft zusammen mit zwei Reisebekanntschaften ein altes Boot von einem Fischer. Niemand hat ein Handy dabei, ein Smartphone schon gar nicht. Drei Tage lang paddeln sie den Fluss Nam Ou runter, übernachten bei Bauern- und Fischerfamilien in kleinen Dörfern mitten im Dschungel. „Auch heute weiß ich, dass diese drei Tage der Grund dafür sind, dass ich immer noch süchtig nach dieser Art von Abenteuer bin“, erklärt Körner TRAVELBOOK. Die „Droge“ Abenteuerreise hat es ihm angetan. „Ich lasse mich gerne einen Junkie nennen, denn es macht mich weiterhin glücklich, aufzubrechen und in fremde Kulturen einzutauchen.“
Abenteuerreisen unternahm Körner seitdem schon mehrfach, und 2013 schrieb er sogar ein Buch über seine große Leidenschaft: „Journeyman: 1 Mann, 5 Kontinente und jede Menge Jobs“. Mittlerweile hat sich für Fabian Sixtus Körner jedoch eine Menge verändert: Er und seine Freundin Nico haben Nachwuchs bekommen. Töchterchen Yanti kam im September 2016 auf die Welt – und veränderte das Leben der beiden für immer. Körner zu TRAVELBOOK: „Yanti ist mit eineinhalb Jahren noch sehr jung und hatte vor allem zum Lebensstart gesundheitliche Probleme, benötigte für längere Zeit zusätzlichen Sauerstoff.“ Sie kam mit dem Down-Syndrom zur Welt.
Gelassenheit trotz tödlicher Tausendfüßler
Eine zu Beginn schwierige Zeit brach an. „Zum einen war da der instabile Gesundheitszustand meiner Tochter, zum anderen die Diagnose Down-Syndrom und die Reaktionen von außerhalb darauf“, sagt Körner. „Unsere Familien waren sehr unterstützend, aber aus dem Freundeskreis und auch von Fremden auf der Straße gab es teilweise Mitleidsbekundungen. ‚Das tut mir so leid für euch.‘ Diesen Satz musste ich oft hören, dabei war ich doch gerade zum ersten Mal Vater geworden.“
Dann traf die noch junge Familie eine wichtige und richtige Entscheidung: wieder zu reisen. Ein Entschluss, der vieles ändern sollte. Andere Länder und Kulturen kennenlernen, darauf wollten Fabian und Nico auf keinen Fall verzichten. Im Gegenteil. Jetzt erst recht. Als Yanti vier Monate alt war, brachen sie auf. Körner: „Der Aufenthalt mit ihr und meiner Freundin in der Karibik war sehr abenteuerlich. Überlaufende Toiletten, überschwemmte Straßen, Zecken im Schlafzimmer, tödlich giftige Tausendfüßler in der Küche und überall Moskitos sind nur einige Sachen, mit denen wir uns arrangieren mussten. Yanti nahm das alles sehr viel gelassener als wir Eltern.“
Aber natürlich ist die Planung einer solchen Reise anders, aufwendiger. Im Mittelpunkt: die Suche nach Krankenhäusern mit westlichem Standard. Das dauert. Online-Bewertungen checken, was empfehlen die Einheimischen? „Da war von verkehrt zusammengenähten Extremitäten bis hin zu falsch verabreichter Bluttransfusion alles dabei. Aber trotzdem hat uns dieser Notfallplan vor Reisebeginn etwas beruhigen können“, erzählt Körner TRAVELBOOK.
Die Kinder der Karibik öffnen die Augen
Und dann passierte etwas, das Körner „so in Deutschland noch nicht erlebt hatte“. In der Dominikanischen Republik sei in einem Geschäft mal eine wildfremde Einheimische auf sie zugekommen und „wollte unsere Tochter auf den Arm nehmen und sie knuddeln. Sie nahm sie mit zu ihren Freundinnen, die allesamt verzückt waren von dem kleinen Menschen“, erzählt Körner. „Da gab es kein Mitleid für uns Eltern oder unangenehme Fragen zum Extra-Chromosom. Yanti bekam die Aufmerksamkeit und Fürsorge, die ihr nach karibischem Standard zustand, genau wie jedes andere Baby auch.“ Das habe ihnen nach ihrer Rückkehr nach Deutschland auch geholfen, offener mit dem Thema Down-Syndrom umzugehen und den Menschen verständlich zu machen, dass sie so unglaublich glücklich sind mit ihrer Tochter.
Natürlich hatten auch Körner und seine Freundin vor der Reise ihre Zweifel, wie wohl Yanti mit den unbekannten Umständen in fremden Ländern umgehen würde. Schließlich bräuchten Kinder doch ein gewohntes Umfeld, einen festen Tagesrhythmus, denn nur dann könnten sie sich entwickeln und wohlfühlen – das gelte besonders für Kinder mit Down-Syndrom. So zumindest wurde es ihnen eingebläut. Aber all ihre Bedenken sind mittlerweile zerstreut. „Als wir nach zwei Wochen am Strand merkten, dass Yantis Lunge nicht mehr rasselte und sie plötzlich anfing sich zu drehen, aktiv zu werden und ihren Körper zu entdecken, da wussten wir, dass die Entscheidung für diese Reise nicht ganz falsch war“, so Körner. „Bis heute macht sie fast jedes Mal, wenn wir unterwegs sind, einen Entwicklungsschub durch.“ Und das Reisen mit Yanti ist zur Normalität geworden.
Die bisherige Bilanz: drei Monate Dominikanische Republik, zwei Monate im Campervan von Berlin bis Portugal und zurück, 2018 dann noch mal in die Karibik – und in diesem Winter soll es wieder auf Tour gehen. Vielleicht nach Mexiko, die Philippinen oder Ecuador …
Mit Tagestouren vor den Massen flüchten Die DomRep abseits der Touristenghettos
Skurrile Regelung Personen mit nur einem Namen dürfen nicht mehr in die Vereinigten Arabischen Emirate einreisen
Die perfekte Glücksroute Eine Frau, 13 Länder – und die Suche nach dem Glück
Das Buch: „Mit anderen Augen“
Über seine neuen Reisen mit Yanti und Nico hat Körner ein Buch geschrieben, Titel: „Mit anderen Augen“. Zwei Sätze darin: „Seitdem Nico und ich uns auf die Fahne geschrieben haben, den Menschen begreiflich zu machen, dass Yanti trotz ihrer Behinderung sehr viel Spaß im Leben hat und wir wahnsinnig glücklich mit ihr sind, hat es den Anschein, als würden die Menschen hier in Deutschland viel weniger Angst davor haben, uns auf die Füße zu treten. Das deprimierende Mitleid, das uns nach Yantis Geburt entgegengebracht wurde – es ist verschwunden und einer unvorstellbaren Freude für uns gewichen.“