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Erfahrungsbericht

So verdiene ich im „Urlaub“ Geld – mein Leben als reisende Autorin 

Anna Wengel
TRAVELBOOK-Autorin Anna Wengel (jetzt Chiodo) schreibt und coacht oft während sie auf Reisen ist (hier in Lissabon) Foto: Nicole Sánchez
Anna Wengel
Freie Autorin

4. Juni 2023, 12:35 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten

TRAVELBOOK-Autorin Anna Wengel (jetzt Chiodo) reist gern und viel durch die Welt. Das Geld dafür verdient sie häufig unterwegs, schreibend und als Coach. Wie funktioniert das? TRAVELBOOK hat sie es verraten.

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Ein blinder Hund stolpert gegen einen buddhistischen Mönch. Und daran vorbei. Der Mann lächelt, läuft weiter. Schnurstracks um eine Ecke, hinter der in dem Moment ein kleiner Junge auftaucht. Der lächelt mich an und läuft direkt auf mich zu. Stellt sich ganz nah neben mich. Schaut über meine tippenden Hände auf das Laptop. Versucht zu lesen, was da steht. Dann stößt er mich an. „Was machst du da?“, fragt er mich in erstaunlich gutem Englisch und beugt sich weiter über mein Laptop, auf dem ein weißes Dokument mit Textschnipseln für einen Reisebericht zu sehen ist, an dem ich aktuell arbeite. „Ich arbeite“, erwidere ich grinsend, „und was machst du?”„Ich arbeite auch.”

Wie zum Beweis hält er den Kleiderbügel hoch, den er in der Hand hält. Zahlreiche geknüpfte Armbänder hängen daran. „Was arbeitest du?” – und schon befinde ich mich dort im Straßencafé in Kambodschas Hauptstadt Phnomh Penh mitten im Wie-kannst-du-reisen-und-arbeiten-Gespräch. Das führe ich öfter. Denn es wird vielleicht immer normaler, irgendwo auf der Welt auf dem Laptop rumzutippen und das Ergebnis an jemand anderen ganz woanders auf der Welt zu schicken. Die Frage, wie das konkret funktioniert, stellen aber viele. So auch der kleine Junge, den vor allem zwei Fragen interessieren: „Was verdienst du?” und „Wie geht das?”

Wie geht arbeiten und reisen? Ein Modell

Für mich persönlich geht es so: Ich arbeite als freiberufliche Reise-Journalistin, Autorin sowie als Coach, oft während ich auf Reisen bin. Das heißt konkret, mit Laptop und Schreibutensilien in verschiedenen Ländern unterwegs und regelmäßig auf der Suche nach einer stabilen Internetverbindung und ein bisschen Ruhe zu sein. Warum tue ich das? Ganz einfach: Weil ich es liebe. Ich lebe das Leben, das ich gern führen möchte und von dem ich früher geträumt habe. Wenn auch anders, als zuerst gedacht.

So bin ich hierher gekommen:

Mit Anfang 20 wollte ich Kriegsreporterin werden. Diesen Traum im Kopf und angetrieben von meiner Uni-Abschlussarbeit über Afghanistan, die sich schnell in Abenteuerlust und unbedingt-selbst-sehen-wollen verwandelte, flog ich mit einer NGO nach Kabul. Mich erwartete Kabul im Jahr 2012. Ich erlebte wissbegierige kleine Kinder, an Fortschritt denkende Frauen unter Burkas, Männer mit Maschinengewehren und Witz, hohe Mauern mit Stacheldrähten, Militärhubschrauber und Explosionen. Konfrontiert mit realer Bedrohung und mich völlig überfordernden Angstgefühlen, überlegte ich mir das mit dem Kriegsreporterinnen-Dasein schließlich anders. Das fühlte sich zunächst wie ein Rückschlag an. Mein Ego brauchte eine Weile, bis es okay war, dass ich keine toughe Kriegsreporterin sein will. Schließlich erkannte ich, dass Traum-Tests und gefühlte Rückschläge dazugehören und ich deshalb nicht aufgebe, sondern meinen Traum einfach umformulieren kann. Denn schreiben wollte ich weiter, reisen auch. In Kriegsgebiete fahren nicht mehr unbedingt – zumindest vorerst.

Ich bin dann erst einmal in Berlin geblieben, habe ein Volontariat und mich anschließend als Journalistin selbstständig gemacht und bin ein bisschen gereist. Bis der nächste konkrete Traum klar war: Portugal. Da wollte ich leben, mehr als alles andere. Also brauchte ich Jobs, die ich mitnehmen konnte. Schreiben war weiter fest verankert in meiner Lebensvorstellung. Es dauerte ein bisschen, dann hatte ich zwei Auftraggeber, die mit meinem Unterwegs-Arbeiten einverstanden waren: ein Onlinemagazin, bei dem ich schichtenweise arbeiten durfte, und eine Agentur, die mir bedarfsweise Themen zum Schreiben rüberschickte. So kam ich zu einem größeren und einem kleineren Batzen Geld monatlich. Genug, um davon vor Ort zu wohnen, ein Auto zu fahren, mich zu ernähren und sogar ein bisschen zurückzulegen.

Leben und arbeiten in Portugal

Also flog ich los und lebte meinen Traum. Und der war traumhaft. Aus vielen Gründen – einer davon mein mobiles Büro: Ich kaufte mir einen sehr alten, sehr klapprigen und von mir wahnsinnig geliebten Polo. Der brachte mich fast so oft, wie ich das wollte (manchmal wollte er nicht) auf meine Lieblingsklippe in der Nähe vom Strand Monte Clérigo, an der portugiesischen Algarve. Da saß ich dann seitwärts auf dem Fahrersitz, angelehnt an meine Fahrertür, die Beine auf dem Beifahrersitz. Alle Fenster geöffnet – ich wollte schließlich die Wellen hören – und schrieb. Schrieb, schrieb, schrieb. Stundenlang. Mit Aussicht auf riesige Wellen, blauen Ozean und den Horizont. Bis irgendwann der Rücken weh tat. Oder der Laptop-Akku leer war. Oder der von meinem mobilen WLAN-Router.

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An anderen Tagen arbeitete ich auf der Terrasse meiner Wohnung, blickte auf das hübsche weißgebäudige Aljezur unter mir und das braun-grüne Monchique-Gebirge dahinter.

Dann kam dieser Anruf: Das Magazin (der größere Batzen) gab es ab sofort nicht mehr. Vorbei. Finito. Alle gefeuert. Ich habe das im ersten Moment nicht verstanden. Stand da wie durchs Telefon geohrfeigt. Allein und ohne mein gedachtes finanzielles Sicherheitsnetz. Schock, Panik und japsende Traum-geplatzt-Szenarien folgten. Ich wollte nicht zurück nach Berlin (in meinem Kopf gab es – zum Glück nur für einen Moment – nur diese Lösung).

Nach dem ersten Schock reagierte ich mit Krisenbewältigungs-Aktionismus: Ich schrieb zahlreiche Magazine, Agenturen und ehemalige Kollegen an. Und dann wartete ich. Und wand mich in meiner Sorge. Platzte mein Traum vom Reisen und dabei arbeiten? Mein finanzieller Puffer schwand. Was, wenn das Geld weg ist? Der kleine Batzen deckte nur einen Teil der notwendigen Ausgaben. Ich brauchte einen Job. Irgendeinen Job. Ein paar Tage später fing ich an, ein Gästehaus für ein bisschen Geld zu putzen. Damit und dem kleinen Batzen kam ich über die Runden und entspannte mich. Dann kamen die Zusagen. Plötzlich erlaubten mir mehrere Magazine und Agenturen, Texte zu schicken, die nicht in ihrer Redaktion geschrieben werden mussten. Ich hatte an einer Stelle sechs Auftraggeber parallel. Das fühlte sich an wie Freiheit. Gleichzeitig hatte ich ab sofort im Hinterkopf, dass sich das alles jederzeit ändern kann – und lernte mehr und mehr, mit dieser Unsicherheit zu leben.

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Reisen und arbeiten – von Portugal raus in die Welt

Dann veränderte sich mein Traum wieder. Am Ende des ersten Portugaljahres flog ich für mehrere Monate nach Indien und Sri Lanka – und merkte zurück in Portugal, dass ich nicht mehr ganz so glücklich hier war wie vorher. Etwas fehlte. Ich war unruhig, wollte irgendwas anderes. Heute glaube ich, mir war langweilig. Aljezur und seine Umgebung waren noch immer schön, noch immer meine Idylle. Aber auch immer das Gleiche. Ich wollte mehr sehen. Mehr tun. Mehr erleben. Und noch viel mehr Freiheit. Also traf ich am Ende des zweiten Portugaljahres eine neue Entscheidung: Ich gab meine Wohnung und mein Auto auf. Und flog los.

Mit One-Way-Ticket nach Vietnam, weiter nach Kambodscha, weiter nach Neuseeland. Mit dabei die Quasi-Sicherheit mehrerer Auftraggeber, für die ich unterwegs mal mehr und mal weniger schreiben durfte. In Neuseeland kaufte ich mir ein neues Zuhause: einen alten Van (mehr über mein Neuseeland-Van-Leben lesen Sie hier). Da war sie, die Freiheit, die ich mir so gewünscht hatte. Ich fuhr hin, wo ich hin wollte, tat und ließ, was und wann ich es wollte. Kletterte auf Berge, schwamm in Flüssen, Seen und Meer, schaukelte auf der höchsten Schaukel der Welt, fror mir fast den Ar*** ab, als die Temperaturen gefühlt aus dem Nichts auf unter Null sanken und es anfing zu schneien. Und liebte es, liebte es, liebte es. Von Neuseeland aus flog ich weiter nach Australien. Nach einer kleinen Pause in Deutschland zurück nach Portugal, Thailand, Südafrika und wieder Portugal. Und ich liebte es.

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Ich liebte es, im Van durch Neuseeland zu reisen und zwischendrin zu stoppen, um in der offenen Heckklappe sitzend zu arbeiten, während draußen die Landschaften wechselten. Meer, Berge, Seen, Fjorde, grüne Wiesen, graue Parkplätze. Ich liebte es, in eben jenem Straßencafé zu sitzen und das normale Alltagsleben in Phnom Penh zu beobachten, während ich still mitten drin saß und genau das beschrieb, was gerade vor mir passierte. Ich liebte es, schreibend auf einer Terrasse auf Koh Phangan zu sitzen, und den Wassermassen zuzuschauen, die aus den Wolken über mir rauschten und die Wiese vor mir in eine Matschlandschaft verwandelten. Ich liebte es, in Hipstercafés in Ho-Chi-Minh-Stadt und Byron Bay zu sitzen und zu sehen, wie die Fashion-Trends von übermorgen aussehen. Ich liebte es. So sehr. Und irgendwann hatte ich trotzdem Sehnsucht. Erst nur ein bisschen, dann ein bisschen mehr und schließlich viel mehr als nur ein bisschen.

Ich sehnte mich nach einem richtigen Zuhause

Nach einem Ort, an den ich zurückkommen kann, der meiner ist. Ich hatte Eltern und Freunde, zu denen ich jederzeit fahren und dort bleiben konnte (und falls das hier eine/r von euch liest: nochmal tausend Dank). Aber ich vermisste ein Zuhause, das mein Zuhause ist. Eine Wohnung mit meinen Büchern und meiner Bettwäsche. Einen Ort, der nicht befristet ist und in dem ich einfach sein kann, solange ich will. Sehnsucht hatte ich auch nach meinen Freunden und meiner Familie. Menschen, die ich nicht nur eine Woche kenne, sondern die mich teilweise schon mein ganzes Leben lang begleiten.

Parallel zu diesen Sehnsüchten entwickelte sich auf meinem Weg ein neuer Traum: Coaching. Das war ein fehlender Mosaikstein, den ich erst in Neuseeland so richtig benennen konnte, der aber mein halbes Leben lang als nicht näher definierte Idee durch meinen Kopf gelaufen war. Bis ich sie dann benennen konnte. So kam ich schließlich zurück nach Berlin. Meine Wahl-Coachingschule sitzt eigentlich in den USA. Zum für mich optimalen Zeitpunkt bot sie eine Ausbildung in Berlin an.

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Und da war ich wieder. Zurück in Berlin. Geplant für ein halbes, blieb ich dank neuer Beziehung und Coronapandemie drei Jahre. Unterbrochen von kürzeren und längeren Aufenthalten in den USA, Portugal und Australien. Schließlich packte mich (und glücklicherweise auch meinen Partner) erneut die Portugal-Sehnsucht. Mittlerweile verheiratet und Eltern geworden, packten wir schließlich unseren Mini-Van voll mit Dingen und brachen auf zu einem neuen Portugal-Leben (den Roadtrip-Bericht gibt es hier zu lesen). Dieses Mal zu dritt und in der Nähe von Coimbra. Das fühlte sich ganz anders an, als damals allein und direkt am Meer. Mit Kind veränderten sich die Bedürfnisse. Meine Liebe zu Portugal war dieselbe, doch meine Sehnsucht nach Familie und langjährigen Freunden wuchs weiter. Schließlich packten wir erneut unsere Sachen, nicht ohne uns gegenseitig das Versprechen zu geben, dass wir in Portugals Süden in naher Zukunft einen zweiten Wohnort schaffen, und fuhren nach neun Monaten zurück nach Deutschland.

Jetzt habe ich mein Sehnsuchts-Zuhause, in dem neben Mann und Tochter auch all meine Bücher leben. Und auch deshalb wieder gedanklichen Raum, große Reisen zu planen und genau zu überlegen, wie das Konzept der beiden Wohnorte funktionieren kann. Ich schreibe weiter Texte und coache Menschen, manchmal beides zusammen. Reisen und arbeiten gehören weiterhin fest für mich zusammen, nur eben mit einem Zuhause im Hinterkopf, in das wir immer wieder zurückkehren können und wollen. Bin ich am Ende meines Traums angekommen? Sicher nicht. Den bastle ich stetig weiter. Genauso wie ich, entwickelt sich mein Wunschleben weiter.

Der kleine Junge in Kambodscha gab mir damals einen Lebenstipp: „Arbeite nicht zu viel. Das kannst du auch morgen noch machen.” An den denke ich öfter zurück. Etwa dann, wenn ich zu viel auf meinem Zettel stehen habe. Denn inzwischen gehört eine gute Balance von Laptop- und Laptop-freier Zeit ganz klar zu meinem Lebenskonzept dazu. Wie das funktionieren kann, sowie viele weitere Tipps, mit denen auch Ihr Traum vom Reisen und unterwegs Arbeiten Realität werden kann, habe ich im zweiten Teil dieser Serie aufgeschrieben: Teil 2: Auf Reisen Geld verdienen – 11 Tipps, mit denen der Traum wahr werden kann). Und im dritten (Teil 3: 5 Arbeitsmodelle, mit denen Sie so lange reisen, wie Sie es möchten) lernen Sie ein paar Jobs kennen, die sich gut für unterwegs eignen und ich gebe Tipps, wie Sie fast egal welche Arbeit zum Reise-Job machen.

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