13. März 2018, 12:59 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten
„Mit dem Fahrrad zu reisen ist für mich die perfekte Geschwindigkeit, die Welt zu entdecken“ – Luisa ist 29, Journalistin und erfüllt sich gerade ihren Lebenstraum: Mit ihrem Fahrrad reist sie um die Welt. Momentan ist sie in Malaysia doch ihr Abenteuer ist noch lange nicht beendet. TRAVELBOOK hat mit der Globetrotterin gesprochen.
Vor neun Monaten, am 17. Mai 2017, begann Luisa ihr Abenteuer, die Welt zu entdecken. Was sie von vielen anderen Weltreisenden unterscheidet? Anstatt mit Bus, Bahn und Flugzeug den Planeten zu erkunden, reist sie nur mit ihrem Fahrrad und Zelt bepackt fernab der touristischen Pfade. Gerade ist die Journalistin in Malaysia in den Cameron Highlands unterwegs. TRAVELBOOK hat mit Luisa über ihr Abenteuer, ihre liebsten Orte und darüber, was man unterwegs vermisst, gesprochen. Insel Penang in Malaysia
Die Sehnsucht war schon lange da
Wann genau der Traum entstanden ist, die Welt auf zwei Rädern zu entdecken, kann Luisa nicht mehr so recht sagen: „Er war irgendwie schon immer da, der Traum eines einzigartigen Abenteuers, das es mir ermöglicht, all diese Landschaften, die sonst nur über den Bildschirm flimmern mit eigenen Augen zu sehen, und die Welt kennenzulernen, wie sie ist. Nicht, wie ich sie über Medien erfahre. Mit dem Fahrrad zu reisen ermöglicht es mir, die Menschen und das Leben zwischen den großen Städten und touristischen Attraktionen kennenzulernen – und das unterscheidet sich erheblich von den touristisch geprägten Orten.“
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Was Luisa an ihrem Lebensstil am meisten liebt, will TRAVELBOOK wissen? „Die Unabhängigkeit. Allein mit dem Fahrrad und mit einem Zelt zu reisen, bedeutet, dass ich jeden Tag frei bin, wie viel ich fahre, wo ich hinfahre, welche Wege ich nehme, wo ich übernachte, wo ich stehen bleibe. Der Weg ist – bei dieser Art zu reisen – tatsächlich das Ziel. Umwege und Irrwege gibt es in diesem Sinn nicht, weil ich meistens kein festes Ziel habe.“
Doch neben der ganzen schönen Eigenschaften eines solchen Abenteuers vermisst Luisa auch einiges: die Selbstverständlichkeit, ihre Freunde zu sehen, abends auszugehen und mit ihnen zu reden. Das soziale Leben auf Reisen kommt zwar nicht zu kurz, ist aber definitiv ein anderes. Auch habe sie sich erst daran gewöhnen müssen, ihre Nächte nicht unter ihrer warmen Decke, sondern in einem mal mehr und mal weniger trockenen Zelt zu verbringen. Als „unverbesserlicher Teejunkie“ sei es zudem ihr Wasserkocher, den sie häufiger vermisse.
„Ich habe mich unsterblich in die Küste Norwegens verliebt“
Ihren liebsten Ort hat Luisa im Norden entdeckt: Die Küste Norwegens, die vielen Berge und ihre unberührte Natur hinterließen einen bleibenden Eindruck bei der Abenteurerin. „Mit dem Fahrrad gibt es vielleicht keine schönere Route: die Berge, die Fjorde, das Meer, alles völlig unberührt, so ruhig, so einsam, einzigartige Zeltplätze, spektakuläre Landschaften. Ein Traum“, schwärmt die Globetrotterin.
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Einer ihrer schönsten Momente hatte Luisa am Nordkap: „Es war schon immer ein Traum, zum Nordkap zu radeln, das war mein erstes großes Etappenziel auf dieser Reise – und vielleicht die Ursprungsidee zu der Weltreise“, erzählt sie TRAVELBOOK. „Einen Tag, nachdem ich das Nordkap erreicht hatte und auf dem Weg nach Finnland war, habe ich einen vorerst letzten Blick auf das Nordkap geworfen, und da ist mir zum ersten wirklich bewusst geworden, was ich eigentlich mache, dass ich mir gerade meinen größten Traum erfülle, und mit der Ankunft am Nordkap bereits einen kleinen Traum erfüllt habe.“ In diesem Moment sei ihr auch klar gewesen, dass sie mit dem Rad ans Kap zurückkehren werde. „Und da haben mich die Gefühle für einen Moment überwältigt.“
Positiv überrascht war Luisa zudem von Japan. Trotz geringer Erwartungen hat sie ein interessantes Land, seine altertümliche Kultur und die unberührte Natur kennengelernt. Zudem habe sie die Freundlichkeit der Japaner und der höfliche Umgang untereinander begeistert.
Auch eine ihrer schönsten Begegnung hatte Luisa in Japan. Durch einen Freund hat sie die beiden Japaner Nobu und Marume, und durch sie die Gastfreundschaft Japans kennengelernt. Aus einer Verabredung zum Essen wurde eine Übernachtung und später ein ganzer Aufenthalt von acht Tagen. Luisa wurde über kurze Zeit Teil der Familie, arbeitete auf dem Reisfeld mit und wurde auch mit in die japanische Schule genommen – so lernte sie den Alltag des Ortes kennen. „Die zwei waren so unfassbar großzügig und warmherzig, dass ich am liebsten geblieben wäre“, so Luisa.
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Mit China wurde Luisa nicht ganz warm
Weniger schön hat Luisa China wahrgenommen: Probleme mit dem Visum, die überfüllten Millionenstädte und die teilweise hochindustrialisierte und versmogte Umgebung, die sie durchfahren musste, wecken keine guten Erinnerungen. Auch fühlte sie sich in den weniger touristischen Gebieten des Landes nicht wohl: „Die Menschen waren so penetrant und aufdringlich, dass ich mich wirklich unwohl gefühlt habe“, erzählt sie TRAVELBOOK. „Sobald ich einen Markt betreten haben, stand das Leben dort still, alle zückten ihre Handys und begannen, Filme und Fotos von mir zu machen.“ Weiter sind viele Social-Media-Portale in China gesperrt – ein Umstand, der das Gefühl der Einsamkeit bei Luisa verstärkte. Das bedeutet aber nicht, dass Luisa nur schlechte Erfahrungen in dem Land gemacht hat: Noch heute habe sie Kontakt zu einigen der Chinesen, die sie näher kennenlernen durfte, betont die Abenteurerin.
Mit Magen-Darm in der Mongolei
Auch ihre Zeit in der Mongolei hat die Journalistin nicht nur in guter Erinnerung: Erst infizierte sie sich mit einem heftigen Magen-Darm-Virus, dann wurde ihr Handy in Ulaanbaatar geklaut, und eines Nachts regnete es so sehr in Strömen, dass ihr Zelt fast schwamm, während unweit Blitze in den Boden schlugen. Auch eine Begegnung mit mongolischen Stieren blieb ihr in Erinnerung. Hinzu kam die Problematik rund um das China-Visum. „Mir ging es ziemlich dreckig“ – und entsprechend verunsichert sei sie dann in China angekommen, wo sie sich extrem unwohl gefühlt habe und von der Außenwelt praktisch abgeschnitten gewesen sei. „Da habe ich gedacht: Wie gerne würde ich mich jetzt in ein Flugzeug setzen, nach Hause, in die Arme meiner Freunde fliegen. Erst in Japan habe ich meine Selbstsicherheit wiedergefunden“, so Luisa.
Auch Luisas technisches Geschick wurde auf die Probe gestellt: Als sie ein Stück mit der Transsibirischen Eisenbahn gefahren ist, musste sie ihr Fahrrad in einer kleinen Box verpacken. „Ich habe es also komplett auseinander genommen und alle Einzelteile in die Box geworfen. Das Problem war, dass ich in meinem Leben noch an keinem Rad herumgeschraubt hatte. Selbst wenn ich vor der Reise einen Platten hatte, habe ich das Rad immer – faul wie ich bin – in die Werkstatt gegeben. Ich wusste also nicht, ob ich dieses Rad jemals wieder zusammengebaut bekomme, und wenn ja, ob es noch fahren würde. Aber ich habe es irgendwie geschafft, mit ein bisschen Hilfe eines Mongolen. Und Anton, so heißt mein Rad, fährt immer noch.“
Auf die Frage, wie es sich anfühle, als Frau allein zu reisen, antwortet die Journalistin: „Völlig normal. Ich wurde noch von niemandem bedrängt, weil ich eine Frau bin.“
Finanzen, Planung und andere Kleinigkeiten
Überraschenderweise steckt gar nicht so viel Planung hinter Luisas Abenteuer: „Mit der App Komoot navigiere ich. Das ist so ziemlich alles an Organisation.“ Ab und an übernachtet die Deutsche auch bei Couchsurfing– oder Warmshower-Hosts, doch oft ist ihr Zelt ihr Zuhause. Allgemein achte sie darauf, ihre Ausgaben möglichst gering zuhalten. Etwas Geld hat sie für die Flüge und auch die Krankenversicherung zurückgelegt, doch auf dem Rad und im Zelt lässt es sich in der Regel ohne große finanzielle Einschnitte leben. Auch arbeitet sie von unterwegs: „Im Wesentlichen brauche ich nur Geld fürs Essen, und das versuche ich mir als freie Journalistin zu verdienen.“
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Auch vor Beginn der Reise hat die junge Journalistin nicht all zu viel Zeit in die Planung investiert: „Ich bin ein Prokrastinator und schiebe die Dinge gern so lange vor mich her, bis der Tag gekommen ist.“ Zwar habe sie sich einige Routen zuvor genauer angeschaut und sich über Visa, Auslandskrankenversicherung und Finanzen informiert, doch länger als einen Monat vor Beginn habe sie damit nicht angefangen. „Das meiste ergibt sich während der Tour. Eine Weltreise ist grundsätzlich schwierig vorzubereiten, weil alles und nichts passieren kann. Wer alles bis zum letzten Komma vorbereiten will, startet in der Regel nie. Einfach aufs Rad – in meinem Fall ein TX-400 der Fahrradmanufaktur – setzen und losfahren…“ Zuvor beendete Luisa ihr Volontariat und arbeitete ein Jahr als Redakteurin – auch, um sich den Eintritt zurück ins Berufsleben zu erleichtern.
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Zwei Jahre sind viel zu kurz
„Ursprünglich wollte ich zwei Jahre reisen, doch es zeigt sich immer mehr, dass zwei Jahre nicht genug sind, um das zu sehen, was ich gern noch sehen möchte. Ich bleibe immer wieder viel länger an Orten und bei Gastgebern hängen, als ich geplant hatte.“ Außerdem bekomme sie immer wieder neue Routenempfehlungen von anderen Reisenden, sodass sie momentan nicht sagen könne, wie lange sie noch unterwegs sei. Erstmal geht es nach Singapur und von dort aus nach Neuseeland, wo zwei Freunde von ihr sie ein Stück begleiten werden. Von dort steuert sie Brasilien an. „Nach Brasilien wollte ich nie, aber weil ich in der Transsibirischen Eisenbahn mit einem Brasilianer gereist bin, hat der mich überredet, doch nach Brasilien zu kommen“, erklärt Luisa die Änderung ihrer Pläne – solche Begegnungen seien es auch, die das Planen überflüssig machen, da die schönsten Momente und Möglichkeiten unterwegs entstehen. Von Brasilien aus möchte sie den Rest der amerikanischen Kontinente entdecken, um dann zurück nach Europa zu kommen.
Mit ihrem gewählten Lebensstil verbinden viele wohl Freiheit. Für Luisa ist Freiheit aber mehr als ihr Abenteuer: „Ich habe mich nie wirklich unfrei gefühlt, in dem Sinn, dass ich auf diese Reise gestartet bin, weil ich Freiheit gesucht habe. Und der Begriff Freiheit verändert sich auch, je weiter ich fahre, je mehr Menschen ich kennenlerne, die in ganz anderen Systemen und Verhältnissen groß geworden sind als wir in Deutschland, und deren Freiheit, zu träumen und ihre Träume zu verfolgen, extrem eingeschränkt ist. In diesem Sinn würde ich vielleicht sagen, dass Freiheit für mich bedeutet, in der Lage zu sein, meine Träume zu verwirklichen – ob das heißt, um die Welt zu fahren, oder als Redakteurin bei der Zeitung zu arbeiten.“
Wer mehr über Luisas Abenteuer erfahren möchte, kann ihr auf Twitter, Facebook oder Instagram folgen oder ihre Reiseberichte auf ihrem Blog lesen.