28. März 2018, 12:24 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Adrian und Nina Hoffmann ließen sich auf einer Insel aussetzen, die mitten in der Südsee liegt, bis zur nächsten bewohnten Insel ist man zwei Schiffstage unterwegs. Ein Jahr blieben sie dort, ohne Boot, ohne Handys – und waren der Natur quasi schutzlos ausgeliefert. Mit TRAVELBOOK sprach die beiden, die auch ein Buch über ihre Zeit auf der einsamen Insel veröffentlicht haben, über Glücksgefühle und Todesängste in der Südsee – und warum der Traum von der Insel sie letztlich doch entzweit hat.
Knapp 1000 Meter lang und 300 Meter breit, weiße breite Strände, Palmen, türkisfarbenes Wasser: Die kleine Insel, die im Jahr 2010 für zwölf Monate das Zuhause von Adrian und Nina Hoffmann wird, ist ein Südseetraum wie aus dem Bilderbuch. Der einzige Haken: Von der Hauptinsel des Königreichs Tonga aus, zu dem das winzige Stückchen Erde gehört, braucht man mit dem Boot zwei Tage – wenn das Wetter mitspielt. Trotzdem entscheidet das junge Paar aus dem Breisgau, dass sie genau hier leben wollen. Sie kündigen Job und Wohnung in Deutschland und ziehen mit ihrem Hund Sunday in die Südsee.
Was bewegt jemanden zu einem solchen Schritt, von dem sicher viele träumen, den aber kaum jemand wirklich wagen würde – vor allem angesichts der Abgeschiedenheit der Insel? „Es war die Sehnsucht nach einem Leben ohne Verpflichtungen“, sagt Nina im Gespräch mit TRAVELBOOK. Schon seit ihrem ersten Fidschi-Urlaub 2006 seien sie der Südsee verfallen gewesen, und mehr und mehr sei der Wunsch gereift, hier eine längere Zeit zu bleiben. Wichtigste Bedingung: „Unser vorübergehendes Zuhause sollte möglichst weit abgelegen und möglichst schlecht erreichbar sein.“
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Kein Strom, kein Handyempfang
Über mehrere Ecken erfahren sie schließlich von dem winzigen Eiland im Königreich Tonga, das einem in Hawaii lebenden Amerikaner gehört. Es gelingt ihnen, den Besitzer ausfindig zu machen, und er willigt ein, ihnen seine Insel für eine Weile zu überlassen. Nur eine kleine Holzhütte steht darauf, seit Jahren war hier niemand mehr hier, es gibt kein fließend Wasser, keinen Strom und keinen Handyempfang. Genau das, wonach Nina und Adrian Hoffmann gesucht haben.
Fischer bringen das Paar zusammen mit Hund Sunday im November 2010 zur Insel. Sie haben Proviant für ein halbes Jahr eingepackt, Säcke mit Nudeln, Reis, Kartoffeln, außerdem massenweise Dosen. Auch ein paar Hühner haben sie mitgenommen, für eigene Eier. Wasser zum Trinken und Duschen bekommen sie über große Tanks, die das Regenwasser auffangen. Auf der Insel legen Nina und Adrian einen Garten an und bauen eigenes Obst und Gemüse an, pflücken Kokosnüsse und Bananen von den Bäumen, und Adrian fängt fast täglich frischen Fisch. Sie schnorcheln in der Lagune, sitzen abends am Lagerfeuer, genießen die Einsamkeit.
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„Kein Hängematten-Dasein“
Was zunächst wie im Märchen klingen mag, sei allerdings ganz und gar kein Zuckerschlecken gewesen, berichtet Adrian. „Das ist die Erkenntnis, die man relativ bald hat: Das Leben auf der Insel ist kein Hängematten-Dasein. Man muss immer damit rechnen, dass irgendwelche unvorhergesehenen Dinge passieren.“
Unvorhergesehen kommt auf jeden Fall der Zyklon, der die Insel nach ein paar Wochen trifft. Stürme gibt es in dieser Gegend zwar häufiger, aber dieser ist weitaus heftiger. Nina und Adrian verbarrikadieren sich mit ihrem Hund in der Hütte, die nur über ein Wellblechdach verfügt, klammern sich aneinander und harren über Stunden in Todesangst aus.
„Die Geräuschkulisse ist kurios. Wir hören den Wind, die Wellen, die klappernden Fenster, dann kracht es, ein lang gezogenes Krachen, und ich sehe, wie der erste Baum fällt. (…) ‚Sollen wir uns an irgendwas festbinden, bevor das Dach abreißt?‘, frage ich. Die Insel ist flach, der Raum begrenzt, und noch scheint der Höhepunkt des Sturms nicht erreicht zu sein. Noch nie habe ich mich der Natur so ausgeliefert gefühlt wie jetzt, und unsere selbst gewählte Abgeschiedenheit kommt mir plötzlich geradezu irrsinnig vor.“*
Stürme und Tsunamis
Wie durch ein Wunder hält das Dach. Aber dann kommen die Wellen, meterhoch, die seitwärts auf die Hütte prallen und Korallenblöcke, Baumstämme und Felsstücke dagegen schleudern. Mehrmals wird das auf Pfosten stehende fragile Gebäude unterspült – doch die Wände halten dem Wasser und den Aufprällen stand. Der Sturm wütet noch über mehrere Stunden – und hinterlässt auf der Insel ein Bild der Zerstörung: Unzählige Bäume sind umgestürzt, Grasflächen mit Sand und Geröll bedeckt. Auch der mühsam angelegte Garten ist kaputt, alle Pflanzen sind fortgeschwemmt. Nina und Adrian fangen quasi bei Null an, brauchen Wochen, um wieder aufzuräumen.
Stürme sind nicht die einzige Bedrohung in der Südsee. Auch See- und Erdbeben sind in der Region keine Seltenheit. Über ihr Funktelefon, das sie wegen des Stromverbrauchs nur ab und zu anmachen, werden sie mehrmals vor möglichen Tsunamis gewarnt. „Manchmal sind wir mit dem Hund auf den Arm aufs Dach geklettert und haben in der brütenden Hitze stundenlang aufs Meer gestarrt.“ Sie haben Glück – größere Wellen bleiben aus. Als am 11. März 2011 eine 1,5-Meter-Welle an den Strand schwappt, erfahren sie erst im Nachhinein, dass dies ein Ausläufer des schweren Tsunamis war, den die Katastrophe von Fukushima auslöste. Bekannte hatten vergeblich versucht, sie zu warnen – das Funktelefon war an diesem Tag aus.
Und plötzlich waren da 40 Männer auf der Insel
Fragt man Nina und Adrian danach, welche Situation für sie auf der Insel am schwierigsten war, nennen sie weder den Zyklon noch drohende Tsunamis und auch nicht die schwere Eiterbeulen-Infektion, an der Adrian beinahe gestorben wäre, wenn ihn nicht im letzten Moment ein Antibiotikum gerettet hätte. Nein, das für sie schlimmste und dramatischste sei gewesen, als plötzlich 40 Männer auf ihrer Insel an Land gingen.
„Das waren Fischer, die im Riff vor der Insel Seegurken für den chinesischen Markt sammeln sollten“, sagt Adrian. Mehrere Wochen wollen sie bleiben. „Die haben ihr Camp direkt neben unserer Hütte aufgeschlagen und schon mittags angefangen, Whiskey und Rum zu saufen.“ Nina wird, als einzige Frau auf der Insel, von den Männern angestarrt, und Adrian schläft nachts nur noch mit einer Machete neben dem Bett.
„In diesem Moment haben wir unsere Abreise geplant, weil uns klar war, hier können wir nicht bleiben, nicht so.“ Als letzten Hoffnungsschimmer kontaktiert Adrian schließlich den deutschen Honorarkonsul von Tonga und bittet ihn um Hilfe. Der wird tatsächlich aktiv, und es stellt sich heraus, dass das Seegurkencamp nicht angemeldet und damit illegal ist. Drei Tage später fährt ein großes Militärschiff vor ihrer Insel vor. „Das war wirklich wie im Film, da kamen zehn Soldaten mit Maschinenpistolen an unseren Strand“, erzählt Adrian. Die 40 Fischer waren zu diesem Zeitpunkt schon geflüchtet, jemand hatte sie vorgewarnt.
Ein bisschen erinnert die Geschichte von Nina und Adrian Hoffmann an den Film „Die Blaue Lagune“, in dem ein junges Paar auf einer einsamen Insel ebenfalls mit Stürmen, Infektionen und geifernden Männer zu kämpfen hat, unter anderem. Mit dem Unterschied, dass die beiden Protagonisten im Film nicht freiwillig auf die Insel kommen, sondern dort nach einem Schiffsunglück stranden – um am Ende dann doch in ihrem Paradies zu bleiben.
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Der gemeinsame Inseltraum ist geplatzt
Auch Nina und Adrian hatten in der kleinen Südseeinsel, deren Namen sie nicht nennen möchten, zunächst ihr persönliches Paradies gefunden, bezeichneten sie als „ihr kleines Königreich“. Doch es kam schließlich alles anders als gedacht. Im Jahr 2016, kurz nach der Veröffentlichung des gemeinsamen Buches und drei Jahre nach der Geburt ihrer Tochter, merkten beide, dass ihre Vorstellungen vom Leben auseinanderdriften. „Ich hatte weiterhin diese Reiseträume, sie wollte eher sesshaft werden“, sagt Adrian. Das Paar hat sich inzwischen getrennt, auf der Insel war seither keiner von ihnen mehr.
Für Adrian hat sich sein „Königreich“ aber noch lange nicht erledigt. Kommenden Winter möchte er wieder hin, für zwei bis drei Monate. Dann fängt er aber quasi wieder bei Null an, denn ein schwerer Sturm hat die Insel vor Kurzem stark mitgenommen. „Ich weiß nicht, ob das Dach der Hütte noch da ist, und ob es noch Wasservorräte gibt.“ In weiser Voraussicht hatten Nina und Adrian bei ihrem letzten gemeinsamen Aufenthalt aber eine Basisausstattung bei Freunden auf der Hauptinsel deponiert, darunter auch zwei Kayaks.
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Adrians Hoffnung ist, dass sich ein paar Leute finden, die auch gerne mal für eine gewisse Zeit aussteigen möchten und die Insel im Wechsel mit ihm bewohnen. Vereinzelt haben sich schon ein paar Interessierte bei ihm gemeldet, aber Adrian bleibt realistisch: „Im ersten Moment hört es sich für viele traumhaft an, aber der Absprung ist dann doch schwieriger als erwartet, bei manchen scheitert es am Job, bei manchen am Finanziellen, bei anderen am Mut.“ Aber er gibt die Hoffnung nicht auf, doch noch Gleichgesinnte zu finden, die mit ihm zusammen dafür sorgen, dass das kleine Südseeparadies dauerhaft bewohnbar bleibt.
Wer Interesse hat, mit Adrian Hoffmann Kontakt aufzunehmen, kann sich melden unter redaktion@travelbook.de – wir leiten die Anfragen an ihn weiter!
*Auszug aus dem Buch „Eine Insel nur für uns“ von Nina und Adrian Hoffmann, erschienen im Verlag Eden Books, 9,95 Euro