18. Mai 2020, 7:44 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Er suchte einen Kontinent, den es gar nicht gibt, und entdeckte dafür einen anderen: Der englische Captain James Cook gilt heute als der Pionier in der Erforschung des Pazifik-Raums und fand auf seiner letzten großen Reise ein blutiges Ende. Der neuste Teil unserer Serie Epic Travels.
Es ist der 26. August 1768, als Captain James Cook mit seinem Schiff Endeavour vom Hafen der englischen Stadt Plymouth aus zu einer Reise aufbricht, die den Lauf der Geschichte beeinflussen und ihn zu einem der heute bekanntesten Entdecker aller Zeiten machen soll. Denn Cook wird nicht nur den Kontinent Australien entdecken, er kartografiert auch als erster Europäer einen Großteil des Pazifik-Raums – einem Bereich auf den Seekarten, der bis dahin trotz aller voriger Entdeckungen nahezu weiß gewesen war.
Nicht viel deutet auf diese bedeutenden Leistungen hin, als James Cook laut der „National Library of Australia” im Jahr 1728 als Sohn eines Landarbeiters in dem kleinen englischen Ort Marton-in-Cleveland geboren wird. Auch für ihn scheint dieser Weg vorbestimmt. Doch mit 18 Jahren wendet sich sein Schicksal: Im Jahr 1747 erhält er das Angebot, auf einem Schiff in Whitby anzuheuern. In den Folgejahren erkundet er die Nord- und Ostsee sowie den Ärmelkanal, 1755 wird er Mitglied der Royal Navy auf der HMS Eagle.
Ein geheimer Auftrag
Schnell klettert er die Ränge empor und wird bereits 1758 als Master eines Schiffs auf der HMS Pembroke nach Nordamerika geschickt, wo er sich zusätzlich den Ruf eines exzellenten Beobachters verdient. So wird er denn auch zehn Jahre später, 1768, mit einem Auftrag betraut, der eine enorme wissenschaftliche Wichtigkeit birgt: Er soll auf der im Vorjahr entdeckten Insel Tahiti ein kosmisches Spektakel beobachten, nämlich das Vorbeiziehen des Planeten Venus an der Sonne. Die offizielle Begründung: Auf der Grundlage dieser Beobachtung erhoffe man sich Aufschluss darüber, wie weit die Erde von der Sonne entfernt ist.
Laut „Smithonian Mag” war dies allerdings nur ein Tarnmanöver, um einen noch viel wichtigeren Auftrag geheim zu halten: Cook sollte im Auftrag der britischen Krone nach Terra Australis suchen, einem geheimnisvollen Kontinent, den man irgendwo im Pazifik vermutete, von dem aber niemand wusste, ob es ihn tatsächlich gab. Zwar waren die Weltmeere dank früherer Entdecker wie Magellan bereits weiträumig erforscht, der Pazifik hingegen war noch fast völlig unbekanntes Terrain. Und tatsächlich fand Cook viel mehr, als er sich wohl selbst jemals hätte träumen lassen.
Eine ungeahnte Entdeckung
Im April 1769 kommt Cook mit der Endeavour auf Tahiti an, doch von Anfang an ist klar, dass die Reise ihn und seine Mannschaft weiter südlich führen wird, als je ein Mensch vor ihnen gesegelt ist. Schon Aristoteles hatte von einer Terra Australis fabuliert, nun wollte Cook der erste sein, der diesen mysteriösen Kontinent entdecken und, viel wichtiger, für die englische Krone beanspruchen würde. Der Autor Tony Horwitz beschreibt in dem Buch „Blue Latitudes: Boldly going where Captain Cook has gone before” die Ansprüche, die an Cook gestellt wurden: Nicht nur sollte er demnach jegliches neues Land genauestens kartografieren, sondern auch „Freundschaften und Allianzen” mit eingeborenen Völkern etablieren.
Am 7. Oktober 1769 schließlich macht Cook seine erste von später zahllosen Entdeckungen, als sein Schiff die Küste von Neuseeland sichtet, welches er in den kommenden Monaten umrundet und die beiden Inseln wie gewünscht kartografiert. Dabei kommt es immer wieder zu gewalttätigen Zusammenstößen mit den Maori, wobei sowohl Eingeborene, als auch Männer aus Cooks Crew ihr Leben verlieren. Nach mehr als einem halben Jahr gelingt Cook dann seine sprichwörtlich größte Entdeckung: Die Endeavour segelt als erstes Schiff überhaupt entlang der Ostküste von Australien.
Noch weiter südlich
Auf seiner Reise entlang der Küste entdeckt und benennt Cook eine kleine Bucht Port Jackson, die heute weltbekannt ist. Dort entwickelt sich in späteren Jahren die erste britische Sträflingskolonie auf dem australischen Kontinent, die heute die Stadt Sydney ist. Am 11. Juni 1770 läuft das Schiff auf das Great Barrier Riff auf, das Cook so nebenbei ebenfalls entdeckt – was er beinahe nicht überlebt, doch die Endeavour kann vor dem Sinken bewahrt werden, und so kehrt Cook nach einer langen Rückreise über den Indischen Ozean schließlich am 16. Juli 1771 nach England zurück.
Lange hält es ihn jedoch nicht zu Hause, und so bricht er bereits im Juli 1772 auf zu neuen Ufern, immer noch in der Hoffnung, irgendwo im Pazifik Terra Australis zu finden. Sein Ziel ist diesmal der Südpol, und er kommt ihm von der Küste Neuseelands aus so nah, wie noch kein Mensch vor ihm, sein Schiff Resolution segelt auf 71°10’S südlicher Breite – womit er beweist, dass es kein Terra Australis geben kann, denn ansonsten hätte er es spätestens hier entdecken müssen. Cooks Rekord, aufgestellt im Jahr 1773, soll fast 50 Jahre Bestand haben. Laut „British Library” notiert der Kapitän in sein Tagebuch: „Alle Behauptungen und Mutmaßungen über einen südlichen Kontinent, über den viele Autoren geschrieben haben, sind nun widerlegt.”
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Bis ans Ende der Welt
Cook wäre nicht Cook, würde er nicht auch diese Reise zu weiteren Erfolgen führen, und so kartografiert er auf seinem Rückweg nach England die Osterinseln, Tonga, Vanuatu und Neukaledonien, sowie später Süd-Georgien und die Südlichen Sandwich-Inseln – die äußerste davon nennt er Süd-Thule, in Anlehnung an die Vermutung, dass sich dahinter das Ende der (beschiffbaren) Welt befinden müsse („Thule“ bezeichnet in der nordischen Mythologie das Ende der Welt). Lange bevor Napoleon dorthin verbannt werden sollte, besucht Cook auf seinem Weg nach England noch die Insel St. Helena, und hat schließlich als Rückkehrer einmal den ganzen Globus mit seinem Schiff umrundet.
Und so verwundert es nicht, dass auch Cooks dritte und letzte Reise eine Entdeckung zum Ziel hat, die bislang niemandem gelungen ist: Er soll die sagenumwobene Nordwest-Passage finden, einen Seeweg von Nordamerika in den Pazifik. Wieder im Juli, wieder auf der Resolution, segelt er 1776 von Plymouth aus los, und schon im Dezember desselben Jahren macht er mit den Weihnachts-Inseln seine nächste Entdeckung. Eine weitere gelingt ihm im Januar 1778, als er als erster die Inselkette von Hawaii sichtet, die er zu Ehren eines gleichnamigen englischen Earls Sandwich-Inseln nennt. Noch weiß Cook nicht, dass dies seine tragischste Entdeckung werden soll.
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Neuseeland Der Queen Charlotte Track in den Marlborough Sounds in Neuseeland
340 Jahre altes Schiffswrack Archäologischer Sensationsfund vor englischer Küste wurde jahrelang geheim gehalten
Das Ende des großen Entdeckers
Zunächst schreibt er weiter Geschichte, erreicht im August 1778 auch den arktischen Polarkreis – jedoch bleibt ihm aufgrund von dichtem Eis die Weiterreise und eine mögliche weitere sensationelle Errungenschaft verwehrt. So kehren die Schiffe nach Hawaii zurück, wo sie am 17. Januar 1779 in der Kealakekua Bay landen.
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So viel Glück er im Leben auch gehabt haben mag, sein Tod ist Folge eines Missgeschicks – eigentlich bereits auf dem Rückweg nach England, muss die Resolution wegen eines Schadens am Mast nach Hawaii zurückkehren. Wegen eines angeblich gestohlenen Bootes kommt es schließlich am 14. Februar 1779 zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit Einheimischen, wobei Cook und vier seiner Männer am Strand sterben. Laut der Seite „History” nahm dieses dramatische Schicksal seinen Lauf, nachdem ein einheimischer Würdenträger bei dem Disput um das Boot erschossen worden war, worauf sich ein wütender Mob auf Cook und seine Mannschaft stürzte.
Die verbliebenen Männer rächten sich, indem sie die Küste mit Kanonen beschossen und zahlreiche Einheimische umbrachten – die sterblichen Überreste von Captain James Cook übergab man später der See. Und so ruht dieser Mann, der einen bis dahin unbekannten Ozean wie kein anderer vor ihm erforscht hatte, für immer dort: In den tiefen Wassern des mächtigen Pazifik.