3. April 2020, 12:48 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Er war bekannt für seinen scheinbar unstillbaren Hunger nach immer neuen Herausforderungen – und für sein Engagement für die Schwachen: Mit Rüdiger Nehberg verliert Deutschland nun seinen letzten großen Abenteurer. Ein Nachruf.
Er befuhr als erster Mensch den Blauen Nil, wurde von Indigenen fast erschossen, durchquerte viereinhalb Monate lang die Danakilwüste in Äthiopien und ließ sich zu seinem 68. Geburtstag ohne Ausrüstung im südamerikanischen Dschungel aussetzen. Am 1. April ist Rüdiger Nehberg, Deutschlands letzter und wohl größter Abenteurer, mit 84 Jahren verstorben.
„Sir Vival”, wie er auch genannt wurde, starb am Mittwoch, wie auf seiner Webseite bekannt gegeben wurde, über welche er auch seinen Verein „Target“ betrieb, der sich unter anderem gegen die Genitalverstümmelung von Mädchen einsetzte. Zudem hatte sich Nehberg über 20 Jahre lang für die Rechte indigener Völker engagiert, ganz besonders der Yanomami, die im Amazonas-Regenwald an der Grenze zwischen Brasilien und Venezuela leben.
„Erlebnisse für drei Leben”
Nehbergs Abenteuerlust kannte zu Lebzeiten kaum Grenzen: So überquerte er gleich dreimal den Atlantik, zweimal mit einem Floß, und einmal sogar mit einem Tretboot. Er selbst sagte über sich: „Irgendwie bin ich ein Glückspilz. Weil ich noch immer lebe. Nicht nur, weil ich das Glück hatte, mittlerweile 22 bewaffnete Überfälle überlebt zu haben. Sondern vor allem, weil ich als Ex-Bäcker laut Statistik der Lebensversicherer […] meinen Teigschaber längst hätte aus der Hand geben müssen. Und weil ich so viel erlebt habe, dass es für drei Leben reichen würde.”
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Sein langjähriger Freund und Weggefährte Klaus Denart, der die Firma Globetrotter gründete, sagte über Nehbergs Tod zu „BILD „Es ist ein Schock für mich. Wir waren sehr gute Freunde. Auf unseren Reisen haben wir uns sehr gut ergänzt. Es gab nie Konkurrenz, sondern es hat sich eine tiefe Freundschaft ergeben.” Nehberg gab auch bei TRAVELBOOK seine Survival-Tipps mehrfach zum Besten, so riet er zum Beispiel unseren Lesern, wie sie sich verhalten sollten, wenn sie von einer Würgeschlange angegriffen werden. „Ich habe mich einmal unter Aufsicht von einer schenkeldicken Vier-Meter-Felsenpython probewürgen lassen. Nach nur anderthalb Minuten bekam ich keine Luft mehr”, so Nehberg im Jahr 2015 im Interview.
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Mehrfach ausgezeichnet
Ein anderer legendärer Satz von ihm im TRAVELBOOK-Interview: „Im Übrigen muss es einen nicht grausen vor Fliegenmaden in Wunden. Sie naschen alles vergammelte Fleisch weg und halten so die Wunden sauber.” Auch gab er Auskunft darüber, was bei Spinnenbissen oder Skorpionstichen zu tun ist oder wie man im Dschungel mit einem gebrochenen Bein überleben kann – Situationen, in die die Meisten von uns nie kommen werden, doch Nehberg hat viele davon erlebt, konnte davon sehr lebendig und interessant erzählen.
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So war er denn auch gern gesehener Gast im Fernsehen oder Interviewpartner deutscher Print- und Onlinemedien, machte bei Stefan Raab im Studio Feuer oder setzte sich für den Amazonas-Regenwald ein, als dieser brannte – einen Ausschnitt seiner diversen Auftritte kann man auf seiner Seite „Target” nachlesen bzw. -schauen. Nehberg hat zahlreiche Bücher und Filme veröffentlicht, für seinen Einsatz, zum Beispiel gegen Genitalverstümmelung und für die Yanomami-Indianer, wurde er unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Noch wichtiger, er erreichte, dass die Indigenen ein eigenes Reservat erhielten und wichtige islamische Würdenträger öffentlich die Praxis der Beschneidung bei Frauen und Mädchen verteufelten.
Nun ist Rüdiger Nehberg aufgebrochen zu seinem letzten großen Abenteuer.