14. Dezember 2024, 7:31 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die im Himalaya lebende Gemeinschaft der Gurung erntet seit jeher Honig auf eine ganz besonders gefährliche Weise. Denn um an das Erzeugnis der hier lebenden größten Biene der Welt zu gelangen, seilen sich die Männer, kaum gesichert, von steilen Klippen ab. Der Lohn ist ein Honig, der nicht nur schmeckt, sondern sogar halluzinogene Eigenschaften aufweist. Doch längst bedroht der Klimawandel die einzigartige Tradition.
Etwa 175 Kilometer westlich der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu befindet sich der kleine Ort Taap, in dem eine ganz besondere Gemeinschaft von Menschen lebt. Die Gurung, wie sie genannt werden, gehen hier, in den steilen Hügeln der Himalaya-Ausläufer, bereits seit Generationen einer einzigartigen und äußert gefährlichen Tradition nach.
Als „Verrückter Honig“ bekannt
Denn die Männer des Ortes und auch einiger umliegender Gemeinden ernten unter Einsatz ihres Lebens den Honig von Apis laboriosa. Zu Deutsch auch bekannt als Kliffhonigbiene, handelt es sich dabei um das größte Insekt seiner Art weltweit. Und wie der Name schon nahe legt, lebt dieses in steilen, eigentlich unzugänglichen Felswänden.
Wie die Zeitung „The Daily Star“ berichtet, ist das Produkt der Kliffhonigbiene auch als „Verrückter Honig“ bekannt, denn er soll halluzinogene Eigenschaften besitzen. Demnach verwendeten Kämpfer der Gurung ihn in früheren Zeiten sogar, um ihre Waffen damit zu präparieren und so Feinde zu vergiften. Doch nicht nur der Honig an sich, sondern viel mehr noch seine Ernte ist gefährlich. Denn um an die Nester von Apis laboriosa zu gelangen, müssen sich die Gurung-Männer an selbstgebauten Leitern von hohen Klippen abseilen, selbst kaum gesichert. Helfer entfachen derweil unter dem jeweiligen Steilhang ein Feuer, dessen Rauch die Bienen vertreiben soll.
Erlaubnis der Naturgeister
Eine Mannschaft aus Honigsammlern besteht aus mehreren Männern mit verschiedenen Aufgaben. Die gefährlichste dabei kommt den Kletterer zu, der die von den Klippen hängenden Honigwaben mit einer hölzernen Klinge an einem meterlangen Stock abschneidet und in einem Korb sammelt. Bevor die Gurung-Jäger auf einen solchen Beutezug gehen, bitten sie Naturgeister um die Erlaubnis, den Honig zu ernten. Auf diese Weise glauben sie, sich vor Gefahren schützen zu können. Eines ihrer Rituale beinhaltet auch die Schlachtung eines Hahnes, dessen Füße und Federn dann dem Gott der Steilhänge als Opfergabe dargebracht werden. Oft arbeiten die Männer in Höhen von 60 Metern und mehr, da kann so ein bisschen gesunder Aberglaube sicher nicht schaden.
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Es ist keine Seltenheit, dass die mutigen Gurung-Männer von den Stichen der Kliffhonigbiene sogar das Bewusstsein verlieren, was ihre Aufgabe auch so besonders gefährlich macht. Stiche des Insekts, das bis zu drei Zentimeter groß wird, sind aber auch an sich extrem schmerzhaft. Ein Liter des Honigs bringt auf den Markt in Kathmandu etwa 2000 Rupien, was etwa 1,50 Dollar entspricht. Eine Ernte kann einem Gurung so leicht 100 Dollar einbringen, in Nepal eine fürstliche Summe. Doch die größte Gefahr für die Männer geht längst nicht mehr von den Bienen aus, sondern von den auch im Himalaya immer deutlicher spürbaren Auswirkungen des Klimawandels. Laut einigen einheimischen Jägern seien die Erträge aus der lebensgefährlichen Honigjagd in den vergangenen Jahren drastisch gesunken.
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Die Ernten gehen drastisch zurück
Habe man vor zehn Jahren noch 600 Kilo des begehrten Rohstoffs pro Saison ernten können, so sei es 2024 gerade einmal noch 100 Kilo gewesen. Die Gurung machen dafür auch eine Übererntung der kostbaren Waben verantwortlich. Im Vergleich zu einem vorindustriellen Niveau sind aber auch die Temperaturen in der Himalaya-Region um mehr als ein Grad Celsius, und damit stärker als im weltweiten Durchschnitt, gestiegen. Dies beeinflusst nicht nur das Wachstum der Bienen, sondern auch die Verfügbarkeit von deren Ernährungsgrundlagen sowie auch die Bestäubung der Rhododendren, von denen sie hauptsächlich den Nektar sammeln. Extremwetter wie starke bzw. ausbleibende Regenfälle, lange Dürreperioden sowie große Temperaturunterschiede setzen die Tiere unter Stress.
Aufgrund des Klimawandels blühen Pflanzen zudem früher oder später als gewöhnlich und produzieren unterschiedliche Mengen an Nektar. Sich häufende Fluten und Erdrutsche könnten darüber hinaus dazu beitragen, die natürlichen Habitate der Kliffhonigbiene zu zerstören bzw. zu verkleinern. Dass all diese Faktoren schon heute zum Rückgang der Bienenpopulationen führen, macht sich auch daran bemerkbar, dass Nutz- und Wildpflanzen im Himalaya mittlerweile von den Tieren nicht oder zumindest nicht mehr in demselben Ausmaß wie früher bestäubt werden können. Das wiederum führt dann zu Ausfällen bei den Ernten der hier ohnehin bitterarmen Landbevölkerung.
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Auch die zunehmende Abholzung, die Umleitung von Flüssen, der Bau von Wasserkraftwerken und nicht zuletzt die starke Nutzung von Pestiziden machen der Kliffhonigbiene und damit auch den Gurung zu schaffen. Viele der ehemaligen Honigjäger haben daher schon heute ihre Tradition aufgegeben und auf Landwirtschaft umgestellt. Die, die weitermachen, finden immer weniger Beute. Von 2023 auf 2024 nahm die Anzahl der Bienenstöcke im Gurung-Gebiet von 35 auf aktuell gerade noch einmal 15 ab. Bleibt zu hoffen, dass die Tradition der mutigen Honigsammler trotzdem überleben kann.