14. November 2022, 9:45 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Im Rahmen der neuen TRAVELBOOK-Serie „Hinter den Kulissen der Hotels“ verraten Insider überraschende Erlebnisse aus ihrem Beruf. In Teil 2 erfahren wir von (weniger) schönen und mitunter skurrilen Erfahrungen mit Gästen – und warum selbst Mitarbeiter vom Empfang mal den Putzlappen in die Hand nehmen müssen.
André Schmidt* ist Senior Revenue Manager eines Hotels in Hessen, dort also für die Margenoptimierung zuständig, doch in erster Linie leidenschaftlicher Gastgeber. Deshalb hat er sich früh für die Arbeit in der Hotellerie entschieden. Er machte bereits zahlreiche Stationen an verschiedenen Standorten durch und übernahm verschiedenste Aufgaben – auch solche, die nicht seiner eigentlichen Jobbeschreibung entsprachen. Im Gespräch mit TRAVELBOOK berichtet der Hotel-Insider von seinen skurrilsten, witzigsten und schlimmsten Erlebnissen.
Hotel-Insider hat „schon jede Aufgabe übernommen“
Schmidt hat nach eigenen Angaben im Laufe seiner Arbeit an der Rezeption „alles gemacht“. Dabei seien IT-Tätigkeiten, etwa das Einrichten von Smartphones oder Installieren von Computerbetriebssystemen, nur der Anfang gewesen. Es konnte auch mal passieren, dass Schmidt die Reinigung eines Zimmers übernehmen musste, als er eigentlich gerade den Empfang besetzte. Denn bei kleineren Hotels könnten die Spätschichten oft von nur einer Person besetzt sein und dennoch natürlich unerwartet Gäste einchecken wollen. „Ist nun kein gereinigtes Zimmer frei und kein Cleaner im Haus“, so der Hotelfachmann, „dann wird plötzlich der Concierge, Tourguide oder Rezeptionist zur Reinigungskraft“.
Ebenso konnte die Gästebetreuung von Tag zu Tag anders aussehen. Mal buchte Schmidt U-Bahn-, Flug- oder Opern-Tickets für Kunden, mal stand er Rede und Antwort, wenn Informationen zu Bordellen in der Umgebung oder Drogenverfügbarkeiten gewünscht waren.
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(Zu) enges Verhältnis zum Team
Weil es an manchem Ende fehlt, arbeitet man mit den Kollegen räumlich und inhaltlich sehr eng zusammen. Da können die Grenzen zwischen Professionalität und Privatem mal zerfließen. „Ich habe in jedem Betrieb, in dem ich tätig war, meine Kollegen als Familie angesehen“, berichtet Schmidt. Nicht zuletzt durch die mitunter ungewöhnlichen Arbeitszeiten und die außergewöhnliche Intimität untereinander – auch begründet durch die verbindende Verschwiegenheit, die das Diskretionsgebot in Hotels verlangt – könne ein enger Verbund entstehen.
Klingt zwar schön und erstrebenswert. Doch laut Schmidts Erfahrung ist ein vermeintlich familiäres Verhältnis im Arbeitskontext vielmehr „toxisch“. Mit der Zeit habe der Insider immer häufiger gemerkt, wie wichtig im Hotel geordnete Hierarchien und klare Regeln sind. „Ihr Chef und Sie sind keine Familie“, veranschaulicht er noch einmal. „Er wird Ihnen keine Hühnersuppe bringen, wenn Sie krank sind.“
Welche Hotelgäste am schlimmsten sind
„Im Gastgewerbe geht es um Service“, erinnert der Hotelfachmann. Er räumt ein, dass übermäßig fordernde Gäste zwar „nervig“ sein könnten, aber nun mal zum Job gehörten. Bei vielem sei man nachgiebig und bleibe gewohnt freundlich. „Was aber überhaupt nicht geht, ist offensichtliches Lügen. Wenn beispielsweise ein Gast behauptet, man habe ihm beim Check-in gesagt, Frühstück gäbe es bis 12 Uhr statt bis 11 Uhr. Damit wird der Person in der letzten Schicht vorgeworfen, diese simple Information nicht richtig weitergeleitet zu haben.“
Er habe noch schlimmere Grenzüberschreitungen seitens der Gäste erlebt. Schmidt spricht etwa von rassistischen, sexistischen und antisemitischen Aussagen und Gewalt(-androhungen). „Habe ich nie geduldet, und wurde auch von meinem Vorgesetzten dahingehend geschult, hier keinerlei Verständnis zu zeigen. So gebe ich diesen Grundsatz an mein Team weiter.“ Wenn sich ein Gast partout nicht zur Räson bringen lässt, werde in letzter Instanz die Polizei gerufen.
„Ein Gast hat mal sein Auto vergessen“
Andere Erlebnisse mit Gästen dagegen will Schmidt im Nachhinein nicht missen. Besonders skurril: „Ein Gast hat mal sein Auto vergessen“, so Schmidt. „Sein eigenes Auto!“ Generell sei schon ALLES in Hotelzimmern vergessen worden, aber ein Auto ist keine klassische Fundsache. Was tut man in so einem Fall? „Ihn fragen, ob wir die Parkkosten von seiner Kreditkarte abbuchen sollen.“ So geschehen, hat der verwirrte Gast sein Auto zwei Wochen später abholen können.
Auch mit prominenten Gästen sei es mitunter lustig. Und das ist in einem Fall wortwörtlich zu verstehen. So habe mal ein hessisches Comedy-Duo das ganze Mitarbeiterteam zu seiner Show eingeladen, einfach, weil es an der Rezeption spontan mit einem seiner Sketche begrüßt worden war. Auf der anderen Seite seien auch immer mal wieder Promis eingekehrt, die statt Herzlichkeit mit Allüren glänzten.
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Tipps für einen angenehmen Hotelaufenthalt
Schmidt hat uns auch verraten, was Gäste tun können, um ihren eigenen Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Ein Blick auf die Hotelbewertungen im Internet helfe, um ungewünschte Eventualitäten ausschließen zu können. Heißt es hier, das Zimmer zum Hof/ zur Straße sei sehr laut, bittet man bei der Buchung am besten um die Alternative.
Und noch ein Extra-Tipp: „Behaupten Sie einfach mal, Sie seien in den Flitterwochen. Vielleicht bekommen Sie ein kostenfreies Upgrade!“
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„Trinkgeld ist im Service gern gesehen“
Weiterhin könne es nicht schaden, sich beim Service finanziell erkenntlich zu zeigen, wenn man bevorzugt behandelt werden will. „Trinkgeld ist im Service gern gesehen“, gesteht Hotel-Insider. Warum also nicht gleich beim Check-in ein wenig Tip geben, oder wenn man um ein zusätzliches Kissen gebeten und es bekommen hat. Das werde leider sehr oft vergessen.
Was sich in der Branche ändern muss
Der Fachkräftemangel in der Branche sei spürbar. Doch leider tue der Staat zu wenig, mahnt der Hotel-Insider. „Wo sind die Zuschüsse? Die Fahrkarten und Boni? Wo sind die groß angelegten staatlichen Aktionen? Es gibt keine Auszubildenden mehr“, was an den mitunter sehr harten Bedingungen und an der (bis zu einer bestimmten Position) geringen Bezahlung liege. Dabei suchen Menschen den Menschen in der Branche – „man möchte doch Gast sein“. Das zeige das Beispiel Airbnb sehr deutlich, dem größten Konkurrenten der Hotellerie, der immerhin vom noch persönlicheren Kontakten und Begegnungen lebt.
*Name von der Redaktion geändert, der Informant möchte anonym bleiben.