4. Oktober 2022, 13:28 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Wir betrachten die hierzulande für gewöhnlich gezeigte Weltkarte als selbstverständlich, allerdings sieht sie nur deshalb so aus, wie wir sie kennen, weil ihr Maßstab Europa ins Zentrum der Welt stellt. Die Bostoner Schulbehörde zeigt ihren Schülern aber eine andere Weltkarte, auf der Europa auf einmal viel kleiner, Afrika um einiges größer erscheint. Warum das so ist.
Bei vielen Reisesüchtigen hängt die Standardweltkarte im Zimmer: Sie geht auf den Belgier Gerhard Mercator zurück, der 1569 die bis heute gebräuchliche zweidimensionale Projektion des Erdballs entwickelte, die als „Mercator-Projektion“ bekannt wurde. Doch wussten Sie schon, dass es noch diverse andere Karten gibt? Zum Beispiel die Peters-Projektion?
Die Mercator-Karte war revolutionär
Mercator war der Erste, dem es gelang, die gekrümmte Erdoberfläche als ebene Karte darzustellen. Er zog die Längengrade der Erde an den Polen auseinander, bis sie zueinander parallel verliefen. Rechtwinklig dazu zeichnete er anschließend die Breitengrade ein. Dabei entstand aber eine verzerrte Darstellung des Globus. Denn bei der zweidimensionalen Darstellung einer gekrümmten Fläche kann man immer nur eine unvollständige Version der Wirklichkeit zeigen: Entweder man stellt Flächen und Abstände originalgetreu dar, oder aber Winkel und Abstände. Alle drei Faktoren zugleich kann man zweidimensional nicht korrekt darstellen.
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Mercators Erdkarte zeigt somit maßstabsgetreu die Winkel und Abstände unserer Kontinente, für die damalige Navigation und Schifffahrt ein gewaltiger Durchbruch. Der Preis dieser Darstellung war jedoch die Flächengenauigkeit. Da Mercator Europa als seine Heimat ins Zentrum der Karte rückte, wirkt unser Kontinent auf der üblichen Darstellung viel größer als er tatsächlich ist. Das gilt auch für die USA. Auch Schweden sieht auf der Mercator-Karte fast genauso groß aus wie Indien, dabei ist das skandinavische Land siebenmal kleiner. Afrika und Lateinamerika wirken auf der Mercatordarstellung ebenfalls viel kleiner, als sie es der Fläche nach wirklich sind.
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Die Peters-Projektion, mit der Schüler in Boston lernen
Eine Alternative ist eine Weltkarte, die auf den 2002 gestorbenen deutschen Historiker Arno Peters zurückgeht. Er wollte in den 1970er-Jahren eine nicht-eurozentristische Weltkarte entwickeln wollte. Ihm verdankt sie auch den Namen: Peters-Projektion.
Anders als Mercator ließ er auf Kosten der Winkelgenauigkeit die Abstände zwischen den Breitengraden zum Äquator hin anwachsen. Damit wirken die Kontinente auf seiner Karte zwar verzerrt und in die Länge gezogen, dafür sind die Flächengrößen realistischer als bei der Mercator-Karte.
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Aus diesem Grund, so berichtet der britische „Guardian“, hat 2017 auch die Schulbehörde der US-amerikanischen Metropole Boston beschlossen, im Geografie-Unterricht mit der Peters-Projektion zu arbeiten, welche die Flächen der Kontinente richtig darstellen. Die Begründung: Die „falsche Darstellung“ der Erdoberfläche erzeuge bei den Schülern ein verzerrtes Weltbild.
In Boston gibt es einen hohen Anteil von Kindern mit afroamerikanischem oder Latino-Hintergrund. Hayden Frederick-Clarke, ein Vertreter der Schulbehörde in Boston, sagte dem US-Radiosender WBUR „Mehr als 80 Prozent unserer Schüler sind People of Colour. Die Karten, die ihnen gezeigt werden, lassen die Orte, von denen sie stammen, als klein und unwichtig erscheinen. Es scheint nur richtig, dass wir ihnen eine exaktere Darstellung geben.“