
27. April 2025, 8:17 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Eine uralte Ethnie auf der indonesischen Insel Bali in dem Dorf Trunyan pflegt einen ganz besonderen Begräbniskult. Denn statt ihre Toten zu begraben, verrotten diese mitunter einfach an der offenen Luft. Dieses „Privileg“ ist aber nicht allen Verstorbenen vorbehalten, vielmehr müssen dafür bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Und dann spielt dabei auch noch ein Baum eine Rolle, der als magisch verehrt wird.
Die Bali Aga, die in dem Dorf Trunyan im Nordosten der indonesischen Insel Bali leben, sind in vielerlei Hinsicht eine bemerkenswerte Ethnie. So gut wie isoliert vom Rest der Welt, leben sie an den Ufern des Batur-Sees im Schatten des gleichnamigen, aktiven Vulkans. Ihre Siedlungen erreicht man noch am leichtesten mit einem Boot, und tatsächlich wollten das vor allem in den vergangenen Jahren immer mehr Touristen aus aller Welt. Der Grund: Diese oft als „Ureinwohner“ von Bali bezeichneten Menschen sind zwar wie der Rest der Insel-Bevölkerung größtenteils hinduistischen Glaubens, praktizieren aber ein ganz besonderes Begräbnisritual. Denn viele der Verstorbenen werden hier nicht bestattet, sondern verrotten einfach an der offenen Luft.
Was im ersten Moment verstörend wirken könnte, hat laut „BBC“ ganz besondere Motive, die im Glauben der Bali Aga begründet liegen. Demnach kommt für sie eine Kremation ihrer Toten, wie sie unter Hindus üblich ist, aus einem ganz besonderen Grund nicht in Frage. So fürchtete man nämlich, damit Brahma zu erzürnen, den Gott des Feuers. In früheren Zeiten glaubten die Bali Aga nämlich, dieser würde sich im Batur-Vulkan manifestieren, der sich über ihrer Heimat erhebt. Also suchte man in Trunyan nach einer alternativen Bestattungsmethode. Warum aber in dem Ort, der nachweislich seit dem Jahr 911 existiert, die heute praktizierten Riten entstanden, ist nicht überliefert.
Verrotten ist ein „Privileg“

Soviel jedoch steht fest: Nach dem Tod an der offenen Luft zu verrotten ist ein „Privileg“. Und dieses ist bei Weitem nicht jedem Angehörigen der Ethnie vorbehalten. So verfügt der Friedhof von Trunyan nur über 11 ganz spezielle „Gräber“. Gemeint sind damit Käfige aus Bambus, in die die Verstorbenen zum Verwesen platziert werden. Die 11 ist im Hinduismus eine bedeutsame Zahl. Sind sie alle belegt, leert man die bereits am längsten „vergebenen“ Plätze und bringt die sterblichen Überreste in ein „Beinhaus“. In diesem Fall einfach eine andere Art Friedhof, wo man die Knochen und Schädel, ebenfalls unter freiem Himmel, sammelt.
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Doch nur diejenigen, deren Lebensreise nach dem alten Glauben der Bali Aga als vollendet gilt, darf man überhaupt auf diese besondere Weise bestatten. Stirbt jemand beispielsweise unverheiratet oder eines unnatürlichen Todes, beerdigt man ihn stattdessen. Zudem dürfen auch die zum Verrotten vorgesehenen Körper nur an bestimmten Tagen dem Jenseits übergeben werden. Dies führt mitunter dazu, dass ein Leichnam in Trunyan einige Tage oder sogar Wochen im Haus der Familie verbleiben muss. Bis es dann soweit ist, gebietet man dem natürlichen Verwesungsprozess mittels Formaldehyd Einhalt.

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Ein magischer Baum und plündernde Affen
Trotz Verwesung der Körper berichten Zeugen des einzigartigen Rituals immer wieder, dass es in Trunyan keinen Gestank gäbe. Dafür ist im Glauben der Bali Aga ein ganz besonderer Baum verantwortlich, „Taru Menyan“ genannt. Vereinfacht könnte man das wohl mit „Duftbaum“ übersetzen. Und tatsächlich überdeckt sein Geruch anscheinend sehr effektiv den Leichengeruch. Die Einheimischen glauben daher, er besitze magische Kräfte. Der Folklore nach kann er aber nur den Geruch von 11 Körpern auf einmal zersetzen, womit wir wieder bei der Kraft-Zahl wären.
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Vor allem in den letzten Jahren ist laut „Atlas Obscura“ ein regelrechter Tourismus um Trunyan und sein besonderes Bestattungs-Ritual entstanden. Dies gehe so weit, dass Einheimische mittlerweile an „Trinkgelder“ gewohnt seien und dieses teilweise auch einforderten. Immer wieder kommt es übrigens auch dazu, das Knochen von Verstorbenen einfach verschwinden. Vermutlich stecken dahinter Affen. Sie machen sich über die essbaren Opfergaben her, die die Lebenden ihren Toten mit auf den Weg ins Jenseits geben.