13. Dezember 2023, 17:05 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Überwintern im Süden Europas – angesichts von Schnee, Eis, Kälte und Dunkelheit klingt das ziemlich gut, oder? Unsere Autorin Anna Wengel (jetzt Chiodo) hat es ausprobiert. Sie pendelt seit Jahren zwischen Deutschland und Portugal als Wohnorte hin und her und hat einige Wintermonate in Portugal erlebt. Für TRAVELBOOK hat sie aufgeschrieben, wie sich das Überwintern in Portugal anfühlt.
Portugal ist meine zweite Heimat. Und Portugal ist eins meiner liebsten Ziele zum Überwintern. Seit nunmehr fast zehn Jahren verlege ich meinen Wohnort regelmäßig von Deutschland nach Portugal und wieder zurück. Bisher in gemieteten Wohnungen, mit dem Ziel, irgendwann, hoffentlich bald, ein eigenes kleines Haus an der West-Algarve zu besitzen. Von diesem Haus träume ich besonders viel, wenn ich in Deutschland bin und es hierzulande nasskalt ist und regnet oder die Sonne einfach keinen Weg durch festgezurrte Wolkendecken finden kann. Denn in Portugals Süden passiert das selten. Sonne, eine traumhafte Kulisse und ein wundersam entschleunigt-minimalistisches Leben sind meine geliebte und gelebte Portugal-Realität.
Trotzdem wird dieser Text kein Lobgesang auf Portugal und das Überwintern in Portugal. Denn, Mini-Spoiler vorweg: Mein Traumhaus braucht in jedem Fall funktionierende und arbeitsarme Heizmöglichkeiten und es wird sehr, sehr regelmäßig gegen Schimmelsporen bekämpft. Oder im besten Fall gleich so gebaut, dass kein Kampf notwendig ist. Gelernt habe ich das beim Überwintern in Portugal. Denn das ist längst nicht nur Traumwetter im Traumland und folglich Traumleben. Nein. Schimmel, Feuchtigkeit und Fieber ließen meine kleine Traumblase vom perfekten Überwinter-Ideal vielleicht nicht gänzlich platzen, sie rückten sie aber zurecht.
Vorstellung und Realität
Das erste Mal zog ich im Februar 2016 nach Portugal, genauer nach Aljezur an der Westalgarve. Ein paar schöne Urlaube, auch in den Wintermonaten der Jahre zuvor, als Anhaltspunkt, hatte ich mir eine Vorstellung vom Winter und vom Überwintern im Süden Portugals zurechtgelegt: Jede Menge Sonne, teilweise so viel, dass sogar im Bikini am Strand liegen möglich ist. Daneben kann es auch mal frisch werden, vor allem morgens und abends. Aber mit Kuschelpullis, Mütze und anderen gemütlichen Winter-Herbst-Klamotten wunderbar aushaltbar. Regnen tut es selten und zur Not wärmt das Kaminfeuer einen einfach wieder auf. Dann zog ich um. Allein in eine große Vier-Zimmer-Villa in erster Klippenlage, die mir ein Bekannter während meiner Suche nach einem neuen Zuhause zur Verfügung stellte. Das Haus hatte im Wohnzimmer einen Holzofen, der bei meinen vorherigen Besuchen eher zu Gemütlichkeitszwecken entfacht wurde.
Plötzlich war der Ofen jedoch mehr als nur für Gemütlichkeit zuständig. Er war die einzige Heizquelle in dem großen Haus mit seinen hohen Decken. Und während die Temperaturen weit unter der Bikini-am-Strand-Marke rangierten, der Wind ums Haus tobte und der Regen aufs Dach prasselte, musste ich leider feststellen, dass ich kein Talent zum Feuer machen hatte. Vielleicht fehlte mir auch einfach das Wissen, wie man Kamine am Laufen hält. Und eigentlich hatte ich auch einfach Angst, das Feuer dauerhaft brennen zu lassen. Die Folge: Ich fror – und hatte direkt nach ein paar Tagen eine dicke Erkältung und hohes Fieber. Um zumindest ein bisschen warm zu werden, zog ich aus meinem Schlafzimmer direkt vor den Kamin, die einzige nicht feucht-kalte Stelle des Hauses. Dort wartete ich, bis das Fieber runter ging und der Regen aufhörte. Denn der hatte die Straßen in der Umgebung in eine kaum befahrbare Matsch-Landschaft verwandelt. Dass im Paradies nur die Sonne scheint, ist eben auch nicht wahr.
Überwintern in Portugal heißt Feuer machen
Das Feuermachen und mit Holz heizen war auch im vergangenen Winter ein Dauerthema bei mir und meinem Mann, als wir in der Nähe von Coimbra in einem Haus in den Bergen lebten. Auch hier: ein Holzofen, der das ganze Haus beheizte. Allerdings war dieser mit Leitungen versehen, die in jedes Zimmer führten und so beheizte das Feuer, einmal entzündet, relativ schnell das ganze Haus. Das Feuermachen fiel in diesem Winter meinem Mann zu, der fortan mehrere Stunden am Tag nur damit beschäftigt war, Holz zu holen, das Feuer am Laufen zu halten und den Ofen sauber zu machen. Denn so energiesparend und romantisch ein Feuerofen sein mag, in der Realität ist er mit Arbeit und Dreck verbunden. Da wir zu dieser Zeit ein krabbelndes Kleinkind hatten, war gerade der Dreck ein Nervthema – und die Sehnsucht nach einer schnöden Heizung wuchs.
Wie immer ist es eine Frage der Perspektive. Und wie verschieden die Wahrnehmung sein kann, fällt mir besonders im Vergleich zu unserem Winter 2020 auf: Auch hier überwinterten wir in Portugal, gleiches Dorf, Nachbarhaus. Und eben jene Feuerofen-Romantik ist es, an die ich mich am liebsten zurückerinnere. Eingekuschelt unter dicken Decken vor dem Kamin im, von der Pandemie lahmgelegten und vom Winter nasskalten, aber weiterhin oft sonnigen Portugal. Fernab von allem, was stressig oder infektiös sein könnte. Nur satte Natur in nächster Nähe, Ruhe und täglich kleine Begebenheiten wie zu Besuch kommende Wildschweine. Oder täglich dichter Nebel, der die ganze hübsche Umgebung in eine fast mystische Kulisse verwandelte, während zu allem Überfluss eine einzelne Glocke von irgendwoher erklang. Feucht war es damals auch und das Feuer notwendig und mit Arbeit und Dreck verbunden. Aber das Gefühl war ein anderes.
Feuchtigkeit und Schimmel
Es ist eine Frage der Perspektive. Und meine ist mit Sicherheit kritischer und ängstlicher und, wenn ich ganz ehrlich bin, deutscher geworden, seit ich Mutter bin. Deshalb war auch dieses Thema für mich in meinen ersten Portugaljahren einigermaßen ignorierbar – und in den letzten beiden Wintern nur noch schwer auszuhalten: Schimmel. Portugal ist im Winter vielerorts sehr feucht, auch wenn tagsüber die Sonne scheint. Und so schön viele Häuser in Portugal sind, die Feuchtigkeit ist spürbar, besonders morgens und abends – und viele von ihnen haben ein mitunter extremes Schimmelproblem. Zumindest ist das meine Erfahrung. Meine Beispiele stammen aus der Westalgarve nahe am Meer, aus Lissabon und nahe Coimbra in den Bergen – Schimmel war fast überall ein Thema. Gleiches gilt für fast alle Häuser, die wir uns mittlerweile angeschaut haben.
Lieblingsmomente beim Überwintern in Portugal
Das waren meine persönlichen Schattenseiten des Überwinterns in Portugal. Jetzt zu den wunderschönen – die vor allem draußen stattfinden: Für mich gibt es persönlich kaum einen heimeligeren Anblick, als den Nebel über meiner kleinen portugiesischen Lieblingsstadt, der vom Kirchturm bis zur Feuerwehr alles verdeckt und dann Stück für Stück von der, hinter den Bergen aufgehenden Sonne erhellt und weggeschoben wird.
Ich liebe es, bei Sonnenschein wie Wind über einsame Strände zu laufen, an deren Rändern die von mir so oft schon liebevoll beschriebenen Klippen stehen. Eingekuschelt in Pullis und Mützen, die mich vor Feuchtigkeit und Wind schützen. Und dann vollkommen durchgeschüttelt vom Wind in irgendein Strandcafé einzukehren und mich mit Galão wieder aufzuwärmen. Ich liebes es, im Winter von Tagen überrascht zu werden, an denen ich barfuß über eben jene Strände laufen kann und die Zehen ins eiskalte Wasser zu halten. Und ich liebe es, vor einem Kamin zu sitzen, das Meer in der Nähe rauschen zu hören und mein ganz einfaches Leben in Portugal zu zelebrieren, fernab von jeglichem Stress. Und nicht zuletzt liebe ich es, dass so wenige Touristen in den Wintermonaten an meine Portugal-Lieblingsorte kommen. Deshalb bitte ich unverschämterweise jeden, der das hier liest, einfach weiterhin in allen anderen Monaten nach Portugal zu reisen. (Ist ja auch wärmer und weniger nass.)
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Portugal ist wunderbar und das Leben dort nicht perfekt
Ich schreibe beide Seiten hier so deutlich, weil ich immer wieder die sehnsüchtigen Blicke bei Freunden und Bekannten sehe, wenn ich von unseren Portugal-Wintermonaten erzähle. Die Realität ist, wie in jedem anderen Land, auch in Portugal eine Mischung aus wunderschönen und nicht so schönen Seiten. Das Überwintern in Portugal – oder welchem Land auch immer – ist nicht nur rosig und wunderschön. Egal, wie viele Social-Media-Posts die absolute Perfektion versprechen mögen. Und es ist eben auch wunderschön. Am Ende nimmt man sich selbst ohnehin überall mit hin und der eigene Blick bestimmt die Erfahrung. Ich persönlich liebe es, in Portugal zu überwintern und werde das auch sicher immer wieder tun. Dennoch habe ich mich bei meinem letzten Aufenthalt im November am Ende darauf gefreut, in unser gemütliches, warmes und weihnachtlich beleuchtetes Deutschland-Zuhause zu kommen. Und auch darauf, die Weihnachtszeit hier zu verbringen, ebenso wie einen hoffentlich schneereichen Winter.