29. Januar 2021, 11:55 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Seit Anfang November befindet sich Deutschland wieder im Corona-Lockdown, touristische Reisen im Land sind verboten und das Robert-Koch-Institut (RKI) führt zahlreiche Destinationen als Risiko- oder Hochrisikogebiete. Derzeit diskutiert die Bundesregierung sogar über noch strengere Reiserestriktionen. Aber trotz aller Fakten gibt es zahlreiche Deutsche, die vor Kurzem im Urlaub waren, gerade unterwegs sind oder in den kommenden Wochen verreisen wollen. Bei TRAVELBOOK berichten einige von ihnen über ihre Beweggründe und welche Erfahrungen sie unterwegs gemacht haben.
Über einen Aufruf bei Facebook und Instagram hat TRAVELBOOK danach gefragt, wer vor Kurzem im Urlaub war oder demnächst eine Reise plant. Gerechnet haben wir ehrlicherweise mit eher wenigen bis gar keinen Antworten. Doch schon kurz darauf haben die ersten geschrieben, und es wurden immer mehr. Uns haben Nachrichten aus allen Ecken der Welt erreicht: Madeira, Malediven, Seychellen, Thailand und Kolumbien. Von Menschen, die über Silvester eine Kreuzfahrt gemacht haben und solchen, die gerade aus dem Ski-Urlaub in der Schweiz zurückgekehrt sind.
Chiara H. ist seit Dienstag mit einer Freundin auf der Kanareninsel Teneriffa – trotz Reisewarnung des Auswärtigen Amts (AA) für ganz Spanien. „Wir haben an einem trinkfreudigen Abend spontan entschieden, in den Urlaub zu fliegen, und da man ja sonst nichts machen kann, haben wir dann eine Reise gebucht“, sagt die Angestellte einer Supermarktkette. „Bei der Arbeit muss ich mich auch täglich der Gefahr aussetzen, dort angesteckt zu werden. Für uns war ganz klar, dass wir fliegen, egal, wie wir nach Teneriffa kommen.“
„Man kann sich hier super aus dem Weg gehen“
Angst, sich im Urlaub anzustecken, hat Chiara H. nicht und verweist auf den Inzidenzwert, der auf Teneriffa derzeit deutlich niedriger sei als im Ruhrgebiet, wo sie herkomme. „Außerdem ist das Hotel sicher, da es ein komplett ausgearbeitetes Hygienekonzept hat. Die Auslastung in dem riesigen Hotel schätze ich aktuell auf 20 Prozent, es ist eine große Anlage, sodass man sich hier auch super aus dem Weg gehen kann.“
Und was, wenn der Flugverkehr doch wieder eingestellt wird, wie die Bundesregierung es gerade für einige Länder bereits plant? „Klar mache ich mir Gedanken“, sagt Chiara H. „Aber ich bin mit einem großen Reiseveranstalter hier und habe beim Buchen der Pauschalreise darauf geachtet, dass ich eine Corona-Zusatzversicherung abschließe. Ich denke, irgendwann und irgendwie werde ich wieder zurückkommen.“
„Wir wollten keinen Neid erwecken“
Während Chiara H. ihren Freunden und Kollegen von der Reise erzählt hat, halten sich andere in dieser Hinsicht eher bedeckt. „Ich habe es kaum jemandem gesagt“, sagt etwa Nina R.*, die über Weihnachten und Silvester mit ihrem Mann auf den Malediven war. „Wir wollten keinen Neid erwecken und haben es deshalb nur unseren Eltern und den besten Freunden erzählt“, sagt sie. Auch ihre Chefin habe Bescheid gewusst. „Gebucht haben wir am 16. November, da gab es nur noch acht Sitzplätze auf dem Rückflug und wir mussten uns entscheiden.“ Bis zum Schluss sei unklar gewesen, ob sie wirklich fliegen könnten. Auf der Insel hätten sie am Buffet eine Maske tragen und täglich vor dem Essen die Temperatur messen müssen, ansonsten sei von Corona nichts zu spüren gewesen.
Andrea W.* hat ihren dreiwöchigen Kanaren-Urlaub, von dem sie Mitte Januar zurückgekehrt ist, bereits im Juni 2020 gebucht. „Zu dieser Zeit war ja alles bezüglich der Corona-Lage entspannter und Reisen waren wieder erlaubt. Natürlich haben wir eine Zeit lang überlegt, ob wir den Urlaub antreten, gerade weil die Lage sich ab November/Dezember in Deutschland ja wieder zugespitzt hat. Letztendlich haben wir aber für uns entschlossen, den Urlaub anzutreten, zumal wir im Vorfeld schon sehr isoliert waren, fast keinen Kontakt zu anderen Menschen hatten und wir ja den erforderlichen PCR-Test drei Tage vor Abreise gemacht haben.“ Auch sie hatte zu keinem Zeitpunkt Angst, sich im Urlaub anzustecken.
Plötzlich im Risikogebiet
Nadine S. war es wichtig, nicht von vornherein in ein ausgewiesenes Risikogebiet zu reisen. Dass ihr Urlaubsziel, die portugiesische Insel Madeira, dann genau während ihres Urlaubs in diesem Januar doch zu einem solchen erklärt wurde, habe man natürlich nicht ahnen können, aber die fünf Tage Quarantäne habe man dann auch gut überstanden. Ein schlechtes Gefühl, während des Lockdowns in Deutschland ins Ausland zu verreisen, hatte Nadine nach eigenen Angaben nicht. „Schließlich haben wir nichts Verbotenes getan! Meine engsten Freunde sowie die Familie wussten Bescheid. Arbeitskollegen nur teilweise.“
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Auch bei Luiza L., die gerade mit ihrem Mann und der 20 Monate alten Tochter auf den Seychellen ist, war es so, dass ihr Urlaubsland wenige Tage nach der Ankunft plötzlich zum Risikogebiet erklärt wurde. „Trotzdem stufe ich die Ansteckungsgefahr hier als wesentlich geringer ein als zu Hause“, sagt sie. Die Strände seien menschenleer, es gebe kaum andere Touristen, und außer den Supermärkten seien auch dort derzeit alle Geschäfte und Restaurants geschlossen. „Vor Ort waren wir zehn Tage in unserem Resort in Quarantäne. Insofern hatten wir auch kein schlechtes Gefühl dahingehend, dass wir jemanden anstecken könnten.“
Mit 1600 Menschen auf einem Kreuzfahrtschiff
Für eine Urlaubsform, die seit Ausbruch der Corona-Pandemie besonders in Verruf geraten ist, hat sich Sarah K. entschieden: Sie hat vom 25. Dezember bis 1. Januar eine Kanaren-Kreuzfahrt auf der „Mein Schiff 2“ gemacht, gemeinsam mit etwa 1000 weiteren Passagieren und etwa 600 Crew-Mitgliedern. „Gebucht habe ich circa zwei Wochen vorher. Die Kanaren sind zu dem Zeitpunkt gerade Risikogebiet geworden, deshalb war nur die Überlegung, ob die anschließende Quarantäne in die Urlaubsplanung passt.“ Aber da sie derzeit im Homeoffice arbeite, sei das kein Problem gewesen.
Hat man nicht gerade auf einem Schiff Angst vor Ansteckung? „Nein“, sagt Sarah K. „Ich kenne das Konzept sehr gut, da ich normalerweise selbst zur Crew gehöre, und halte es für extrem sicher.“ Trotzdem sei sie in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis wegen der Reise auf viel Widerstand gestoßen. „Allerdings kann ich nicht verstehen warum, da ich niemanden gefährdet habe.“
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Die nächsten Reisen sind schon gebucht
In einem Punkt sind sich fast alle Befragten einig: Sie würden jederzeit wieder verreisen. „Es ist einer der besten Trips, die wir jemals hatten, nicht zuletzt wegen der fehlenden anderen Touristen und der Vorteile vor Ort. Zum Beispiel sind die Preise niedriger, man bekommt kostenlose Zimmer-Upgrades und der Service ist sehr viel persönlicher“, sagt Seychellen-Urlauberin Luiza L.
Viele haben sogar schon die nächste Reise gebucht, wie zum Beispiel Vanessa E.* Sie war bis Mitte November mit einer Freundin auf Fuerteventura und fliegt Ende Februar auf die Malediven. Die Reaktionen von Freunden und Bekannten auf ihre Kanaren-Reise seien gemischt gewesen, sagt sie, die Leute hätten nur teilweise mit Unverständnis reagiert. Im Hinblick auf den geplanten Malediven-Urlaub sei sie auf deutlich mehr Widerstand gestoßen. „Manche haben sogar aggressiv reagiert, was ich überhaupt nicht verstehen kann.“ In ein Hochrisikoland würde sie aktuell nicht reisen, „aber solange die Zahlen überall gleich hoch sind, verstehe ich es nicht, weshalb man nicht reisen darf, wenn man auch zur Arbeit fahren darf oder sogar muss.“
Andrea W. zeigt sich bei der Frage, ob sie die Reise zum jetzigen Zeitpunkt erneut antreten würde, eher vorsichtig: „Wären die Voraussetzungen, wie sie jetzt sind, zu unserer Zeit im Dezember auch so gewesen, kann ich ehrlich gesagt nicht sagen, ob wir es wieder machen würden. Auf jeden Fall würden wir nicht aktiv in ein Risikogebiet fliegen.“
Hinweis: TRAVELBOOK rät allen, die eine Reise planen, dazu, sich an die Empfehlungen der Bundesregierung, des Robert Koch-Instituts und des Auswärtigen Amts zu halten.
*Namen von der Redaktion geändert