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Friedrich Liechtenstein – von Edeka nach Bad Gastein

„Ich war sofort schockverliebt”

Friedrich Liechtenstein
Friedrich Liechtenstein hat sich in Bad Gastein „schockverliebt“ Foto: Getty Images
Cornelia Jeske

25. Juli 2014, 11:31 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Mit seinem Werbespot für die Supermarktkette Edeka wurde er berühmt, jetzt bringt Friedrich Liechtenstein sein neues Album heraus. Es heißt „Bad Gastein” – und dürfte dem österreichischen Kurort wie einst dem Dorsch von Edeka ordentlich Werbung verschaffen. Mit TRAVELBOOK sprach Friedrich Liechtenstein über seine Beziehung zu dem legendären Luftkurort in den Bergen – und warum es da ein bisschen aussieht wie Berlin nach dem Mauerfall.

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Wenn man Friedrich Liechtenstein in einem Wort beschreiben müsste, würde niemand lange überlegen, welches das wohl wäre. „Supergeil“ natürlich. Denn „Supergeil“ hieß sein Hit, der Anfang des Jahres zur Edeka-Werbung wurde. Supergeil war auch die Resonanz darauf – 11,5 Millionen Mal wurde der Clip bisher geklickt, sogar in den USA kennt man Liechtenstein schon. Und supergeil ist schließlich auch der Typ selbst, vor allem wenn er hinreißende Liebesbotschaften für supergeile Kollegen und Supermamas vorformuliert. Auf seinem jetzt erschienenen neuen Album wird man das Wort hingegen vergeblich suchen. Werbung ist es aber auch: für Bad Gastein, den einst so berühmten und in die Jahre gekommenen Kurort in den österreichischen Bergen. Wir fragten Friedrich Liechtenstein, wie es dazu kam.

TRAVELBOOK: Herr Liechtenstein, wie sind Sie denn auf Bad Gastein gekommen?
Friedrich Liechtenstein: Vor ein paar Jahren haben sich ein paar Hoteliers zusammengetan und sich gedacht, dass sie mal ein paar coole Leute nach Bad Gastein holen müssten, um über die Zukunft des Ortes zu sprechen. Next Bad Gastein Talks heißt die Veranstaltung. Da waren auch ein paar aus Berlin eingeladen. Und in diesem Schlepptau kam ich nach Bad Gastein.

Über die Zukunft von Bad Gastein zu reden, ist keine schlechte Idee. Schließlich ist der einst so berühmte Kurort im letzten Jahrhundert ziemlich heruntergekommen, hat sich von mondän zu morbid gewandelt…
Manchmal denke ich, die Bad Gasteiner schämen sich für die Vergangenheit, für die letzten 20 Jahre und auch, was davor war. Die sollen sich nicht schämen. Die sollen alles feiern, und bewegen, was sie haben. Bad Gastein ist ein sehr praller Hotspot für europäische Desaster aber auch europäisches Gelingen. Es ist ein sehr anregender Ort.

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Berühmt für seine alten Grandhotels: Bad Gastein im österreichischen Salzburg. Foto: getty

Wie war Ihr erster Eindruck damals im Sommer 2009?
Ich war über den Wolken und sofort schockverliebt.

Schockverliebt?
Ja, dieser Ausdruck beschreibt es am ehesten. Man kann es vielleicht vergleichen mit dem Märchen von Frau Holle. Das spielt ja auch über den Wolken, und dann gibt es da die verschiedenen Orte, die zu einem sprechen. Der Baum sagt: Schüttel mich. Das Brot sagt: Zieh mich raus. Und so hatte auch ich in Bad Gastein das Gefühl, dass die einzelnen Orte oder Themen zu mir gesagt haben: Los jetzt, rede über mich! Oder: Behandel mich. Das war regelrecht eine Aufforderung.

Welche Orte haben denn zu Ihnen gesprochen?
Eine kleine silberne Kapsel, zum Beispiel. Die steht mitten auf einem Berg und ist die Skibar des Hotels Das Regina. Mich erinnert die sehr an die berühmten Geodasic Domes von Richard Buckminster Fuller, diese modernen Kuppelbauten, die sich durch eine besondere Stabilität auszeichnen – und etwas sehr Futuristisches haben. Da kommt James-Bond-Feeling auf.

Überhaupt erinnert in Bad Gastein vieles an Filmkulissen…
Diese großen, alten Grandhotels zum Beispiel. Die sehen ja wirklich genauso aus wie das Hotel in dem Film „Grand Budapest Hotel” von Wes Anderson. Und das hat auch was mit den Initialen zu tun, die sind einfach nur vertauscht: GB für Grand Budapest versus BG für Bad Gastein.

Und welcher Ort hat noch zu Ihnen gesprochen?
Wer mich kennt, weiß, dass ich mich eine Zeit lang mit Boccia beschäftigt habe und mit Konrad Adenauers Boccia-Villa am Comer See. Und dann komme ich nach Bad Gastein und stehe plötzlich vor einer kleinen Boule-Bahn – keine Boccia-Bahn, sondern eine Boule-Bahn – und einem Schild, da steht drauf: Konrad Adenauers Boccia-Bahn. Da dachte ich, das kann ja wohl nicht wahr sein.

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Konrad Adenauer beim Boccia am Comer See. Und so sah es wohl auch aus, als er einst in Bad Gastein die Kugel warf. Foto: getty

Die Wanderwege im Umland dürften Sie eher weniger angesprochen haben. Schließlich gelten Sie als Flaneur, nicht als Wanderer.
Und als Flaneur, auch als Großstadtflaneur, ist man in Bad Gastein richtig. Man kann hier ein städtisches Leben leben. Nehmen Sie zum Beispiel die Kaiser-Wilhelm-Promenade, die hat keine Steigung, und man kann ganz lässig weit in die Berge laufen und in den nächsten Ort. Man kann sich aber auch mit einem Lift nach oben tragen lassen. Das ist sehr bequem. Auch erinnert der Zustand von Bad Gastein an das Ostberlin kurz nach dem Mauerfall.

Wegen des großen Leerstands?
Ja, die Mitte steht noch leer. Und die haben da auch so eine Art Palast der Republik, dieses Riesenkongresszentrum in schicker Siebzigerjahre-Moderne.

Nur steht das noch, im Gegensatz zum Berliner Arbeiterpalast.
Ja, und das würde vermutlich auch sehr schwer abzubauen sein, so wie das damals in den Fels gesprengt wurde.

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Erinnert Sie dieses Gebäude an irgendetwas? Vielleicht an den Film „Grand Budapest Hotel“, das Hotel dort war zwar eine Fiktion, aber könnte in Bad Gastein gestanden haben. Foto: getty

Wenn so vieles an Berlin erinnert: Kann Bad Gastein dann vielleicht von den Berlinern lernen?
Ja, das würde ich denen auch ohne rot zu werden und voller Inbrunst sagen, das ist eine Riesenchance. Und die neue Gründerzeit in Berlin hat auch viel bewirkt. Es sind ja nicht alle Pleite gegangen, viele sind ja übrig geblieben und haben tolle Sachen aus der Zeit gemacht, als hier alles möglich war. Gentrifizierung ist ja schon fast ein Naturgesetz für Städte. Aber das muss man ja nicht verteufeln. Gerade der Anfang solcher Prozesse ist großartig, dieses Überschäumen an Ideen.

Was wären Ihre Ideen für Bad Gastein?
Wenn die hier die Türen aufmachen, kann es gut sein, dass da coole, innovative Menschen reinreiten, die in Großstädten schon gezeigt haben, wie es geht. Man könnte große Clubs aufmachen. Kreative könnten hier wohnen. Hochschulen könnten hier Zweigstellen einrichten. Man könnte die Hotels noch mal durchpusten und dafür sorgen, dass es jung ist, und innovativ und zukünftig.

Passiert nicht schon viel in diese Richtung? So gibt es zum Beispiel die Kunstresidenz Sommer.Frische.Kunst.
Ja, aber es ist noch zu wenig. Andererseits ist es auch sehr schwierig, das gebe ich zu. In so einem Korallenriff, wo alles so großartig und prall und fragil ist, kann man nicht so breitbeinig reingrätschen. Da muss man sehr behutsam mit allem umgehen. Einer der Vorteile ist ja vor allem die Vielfalt. Das Nebeneinander von kleinen Hotels, die in den 60ern das letzte Mal renoviert wurden und ihren besonderen Charme haben, neben Biorestaurants und Designhotels. Und diese Diversität ist auch ein Stabilitätsfaktor. Wenn man diese Diversität pflegen und bewegen kann, dann hat man ein sehr stabiles Konstrukt, wo man sich gern aufhält.

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Schon jetzt wird hier viel Kunst gemacht – und gezeigt. Foto: Tourismusverband Bad Gastein

Kann man Ihr Album „Bad Gastein“ als Fördermaßnahme für den Ort verstehen? Schließlich dürften Sie Bad Gastein – wie einst dem Dorsch von Edeka – ordentlich Werbung verschaffen.
Wenn Künstler gefragt werden, was Kunst eigentlich ausrichten kann, halten sich die meisten sehr bescheiden und sagen, Kunst könne eigentlich gar nichts, sei ein schönes, aber überflüssiges Anhängsel, nicht das Kerngeschäft der Welt. Ich bin da anderer Meinung. Ich finde, Kunst kann durchaus was bewirken.

Was erhoffen Sie sich denn?
Es wäre natürlich sehr lustig, wenn Bad Gastein in die Charts käme. Dann würde ich mich riesig freuen und sagen: Seht ihr? Geht doch, Kunst und Hotelerie gehen prima zusammen. Da kann man sogar was bewirken. Wenn das nicht passiert, ist das auch nicht so schlimm. Mir bleiben dann immer noch das schöne Thema und eine schöne Platte.

So wie Sie für den Ort werben: Haben Sie eine Kooperation mit dem Fremdenverkehrsverein von Bad Gastein?
Es gibt da eine Doris, die schmeißt sich sehr ins Zeug. Und einige Hoteliers, die haben mich in den letzten Jahren auch sehr unterstützt und mir angeboten, dort zu übernachten, dafür habe ich dann im Haus einen Gig gegeben oder so. Wir arbeiten zusammen, aber das ist ein freundschaftliches, von gegenseitiger Faszination getragenes Zusammenarbeiten, kein Deal, wo Geld fließt, eher ein Geben und Nehmen. Und das entwickelt sich ganz schön.

In Berlin lebten Sie eine Zeit lang als Schmuck-Eremit. Sie bewohnten kostenfrei ein Loft in Berlin-Mitte und mussten sich dafür nur regelmäßig sehen lassen, um die Eigentümer und deren Gäste mit Ihrem Anblick zu unterhalten. Könnten Sie sich ein Leben als Schmuck-Eremit in Bad Gastein vorstellen?
Ich habe ja eine kleine Pause gemacht von meinem Schmuck-Eremitendasein. Mein Leben hat sich radikal geändert in den letzten Monaten, und mit der Beschaulichkeit und dem Eskapismus, den ein Eremit braucht, war es plötzlich vorbei. Ich bin in eine andere Wohnung gezogen, da kann man auch mal die Vorhänge zumachen – und das ist auch gut. Aber in Bad Gastein, und zwar in der anfangs beschriebenen Metallkugel, da würde ich gern eine Weile als Eremit leben.

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Zum Verrückt- oder Gesundwerden? Der Wasserfall mitten in der Stadt. Foto: Tourismusverband Bad Gastein

Bad Gastein als idealer Ort zum Leben? Künstler, die hier im Sommer herkommen, berichten zuweilen, dass der Wasserfall, der mitten durch die Stadt tost, sie auf Dauer verrückt machen könnte.
Mir gefällt der Wasserfall ja sehr. Der ist wie eine Installation, wie das Wasser da so nah an den Häusern in die Tiefe tost. Es ist natürlich ein dramatischer Ort, das führt auch zu dramatischen Gefühlen, kann einen melancholisch stimmen oder euphorisieren. Und es wäre natürlich schön, wenn es ein bisschen gefährlich wäre. Denn Gefahren locken ja die Leute an. Aber vermutlich ist es eher das Gegenteil.

Weil es gesundes Heilwasser ist?
Denn überall steigen die Dämpfe auf, mit diesem radonhaltigen Wasser. Früher gab es hier Eremiten, die Hirsche gesund gebadet haben. Und das Radon soll ja tatsächlich was bewirken. Kaiser Wilhelm, zum Beispiel, war 30 Jahre lang jeden Sommer in Bad Gastein und hat im Badeschloss gebadet. Was für ein fantastischer Ort, übrigens, ein Badeschloss! Heute ist auch dies sehr zerfallen. Aber Kaiser Wilhelm ist relativ alt geworden.

Das Album „Bad Gastein” von Friedrich Liechtenstein erschien am 25. Juli 2014 in digitaler Form bei Heavylistening Records und kann dort sowie bei sämtlichen großen Download-Portalen heruntergeladen werden.

Themen Österreich
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