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Zwischen Fußball-Fieber und Polizei-Taxi

So war die Brasilien-WM wirklich – ein Fan berichtet

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TRAVELBOOK Redaktion

16. Juli 2014, 11:05 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Juni 2014 – ein deutscher Student bricht mit seinem besten Freund zur Fußball-WM nach Brasilien auf. Er ist passionierter Fan und heiß auf die Spiele der Nationalelf. Wie emotional es im Stadion war, warum ein Polizist zum Taxifahrer wurde und wie er sich mit den Brasilianern verständigte, berichtet Toni Gruner bei TRAVELBOOK.

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Koffer oder Kraxe? Mit dieser Frage beschäftigte ich mich genau drei Sekunden. Der Rucksack kam mit, der Koffer blieb daheim. So einfach war das. Schließlich sollte es in Brasilien warm werden, da würden einige Shirts und wärmere Klamotten für kühle Tage und Abendstunden reichen, plus Mückenspray und Sonnencreme. Einige Stunden und Verstauversuche später war mein Gepäck bereit: für Brasilien! Für die Fußball-WM! Ich hatte ein Viererticket der Fifa für die Gruppenspiele der Deutschen und ihr Achtelfinale ergattert und meinen Freund Philipp Geiler eingeladen mitzukommen.

Dass die Entscheidung für den Rucksack die richtige war, würde sich schon bald zeigen. Aber dazu später mehr. Erst einmal ging es zum Flughafen. Am 11. Juni war Abflug. Vor uns lagen 23 Tage voller Fußball und fremder Kulturen. Meine Erwartungen: gemischt. Ein Freund hatte von guten Partys und superfreundlichen Leuten in Brasilien berichtet. Ein anderer von einer völlig anderen Kultur mit einer unterirdischen Infrastruktur. In diesem Sinne: auf zur WM!

Die Stimmung: Klatschnass, aber glücklich

Was uns dort erwartete, war, gelinde gesagt, der Hammer: Die gastfreundlichen Brasilianer und wir Multikulti-Urlauber aus der ganzen Welt litten gemeinsam am WM-Fieber. Zu jeder Tageszeit, an jedem Ort – im Hotel, auf der Straße, beim Fanfest. Besonders emotional wurde es, wenn wir bei den Deutschlandspielen zu Tausenden die Nationalhymne im Stadion anstimmten, 9000 Kilometer von der Heimat entfernt, Neuer und Co. nur wenige Meter weiter. Das war WM hautnah.

Fiel ein Tor, war Ausrasten angesagt. Auch außerhalb der Stadionmauern: Die Brasilianer sangen, riefen „Alemanha“, die Portugiesen und Algerier waren traurig, aber respektvoll, obwohl deren Mannschaften unserer Elf unterlagen. Auf den Straßen von Fortaleza haben die deutschen Fans nach dem Ghana-Spiel „Marmor, Stein und Eisen bricht“ geschmettert. Damit konnten die Brasilianer zwar nichts anfangen, doch das tat der Stimmung keinen Abbruch. Ein absolutes Highlight: In Recife beim Duell gegen die USA saßen wir direkt hinter dem Tor. Es hat geschüttet wie aus Eimern. Doch das war uns herzlich egal. Was zählte, war das runde Leder. Was man wissen muss: Wir konnten unsere Sitzplätze nicht aussuchen, hatten die Tickets von der Fifa zugewiesen bekommen.

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Im Stadion von Recife beim Spiel gegen die USA regnete es in Strömen. Das Dach war zu kurz, die Zuschauer klatschnass. Foto: Privat

Das Wetter: Zwischen Gluthitze und Überschwemmung

Wir landeten in Foz do Iguaçu, wo die berühmten Wasserfälle Dutzende Meter in die Tiefe prasseln. Regen, 15 bis 20 Grad. Aber die Laune: super. Wir waren schließlich zur WM und nicht wegen des Wetters hier. Das änderte sich wenige Tage später in Salvador: Das erste Gruppenspiel gegen Portugal sahen wir bei warmen 25 bis 30 Grad, das nächste Duell gegen Ghana in Fortaleza bei hochsommerlichen 35 Grad. Der Sunblocker mit Lichtschutzfaktor 50 war immer im Einsatz. In Recife dann: Überschwemmung! Die Temperatur- und Wetterunterschiede waren keine Überraschung, lagen doch zwischen den Spielstädten zwischen 800 und 3000 Kilometer. Der warmen Kleidung und dem Sonnenschutz sei dank.

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Überflutete Straßen in Recife. Foto: Privat

Die Brasilianer: Herzlich und hilfsbereit

Brasilien an sich ist, unabhängig von der WM, eine Reise wert gewesen. Wasserfälle, kilometerlange Strände und farbenfrohe Architektur. Und das Land ist europäischer, als man denkt. Aber die Brasilianer selbst setzen noch eins drauf: in puncto Freundlichkeit, Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft. Und das, obwohl viele aus ärmeren Schichten stammen, in Favelas wohnen und für ein bisschen Geld Dosen sammeln. Auf der Suche nach Getränken vor und nach den Spielen haben sie uns zum nächsten Shop begleitet. Auf der Suche nach Geld hat uns die Polizei geleitet. Jawohl!

Uns wurde angeraten, bei Unsicherheit den brasilianischen Freund und Helfer zu fragen. Wir trugen unser Anliegen vor: Einen Geldautomaten brauchten wir. Kurzerhand chauffierte uns die Polizei zu einem Automaten in der Nähe. Der verweigerte jedoch unsere Karte – ein häufiges Problem im Land. Wenig später bat einer der Polizisten einen Passanten, scheinbar ein Bekannter, um sein Auto. Man mag sich die Augen reiben, wenn man das liest. Doch der Polizist hat uns tatsächlich im Privatauto seines „Bekannten“ zum Hotel gefahren, weil es so am sichersten war. Irre!

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Ein Dosensammler bei der Arbeit. Foto: Privat


Der Verkehr: Vom Suchen und Finden der Busse

Uns wurde geraten, Busse zu meiden. Aber wir wollten das WM-Land hautnah erleben und wagten den Versuch. Während in Deutschland der Bus nach Plan fährt und regelmäßig durch den TÜV muss, gesellt sich das Verkehrsmittel in Brasilien eher unregelmäßig zu den Haltestellen und scheint äußerlich weit entfernt von dem, was deutsche TÜV-Vorschriften zulassen würden.

Dafür kostet die scheppernde und völlig überfüllte Busfahrt denn auch nur umgerechnet 60 bis 90 Cent. Ganz im Gegensatz zu Taxifahrten zum städtischen Flughafen, die durchschnittlich 20 Euro kosteten. Für lau und perfekt zum Sightseeing war dann nur noch die innerstädtische Erkundung zu Fuß. Wegen der schlechten Straßen und Fußwege machte sich auch die Entscheidung für den Rucksack bezahlt. Ein Koffer hätte diese Straßen wohl nicht überlebt.

Die Reiseorganisation: Immer wieder Bekannte

23 Tage waren wir in Brasilien und jeden zweiten bis dritten Tag in einer anderen Stadt. Hieß: vorher gut planen und den Plan vor Ort auch möglichst einhalten. Zu spät zum Spielort kommen und das Duell verpassen, wäre der blanke Horror gewesen! Ein halber Tag ging für die Reise zur nächsten Stadt drauf, am Spieltag selbst hieß es: frühstücken, City anschauen und auf das jeweilige Spiel vorbereiten.

Da viele Deutsche mit der deutschen Nationalmannschaft reisten, trafen wir unterwegs einige immer wieder. Kamera, iPad, Smartphone hatten wir daher immer im Anschlag, der nächste Schnappschuss hätte um die Ecke liegen können. Der nächste Dieb auch, wurden wir gewarnt. Aber nichts! Mit mir sind alle Wertgegenstände wieder nach Deutschland gereist.

Die Sprache: Mit Händen und Füßen

Wir hatten geglaubt, uns mit Spanisch und Englisch durchschlagen zu können: Fehlanzeige! Viele Brasilianer sprechen nur Portugiesisch und schlecht oder gar kein Englisch. Daher verständigten wir uns mit Händen und Füßen und den paar Brocken, die wir zwischen Strand und Stadion lernten.

Das Essen: Eine Wucht statt Wucher

Wer sich im Stadion für die deutsche Elf verausgabt, hat natürlich auch irgendwann mal Hunger. Aber die vor der WM angekündigten Wucherpreise schmeckten uns so gar nicht, bis wir merkten, dass Italienisches und andere Gaumenfreuden in den sonnendurchfluteten Restaurants am Strand sogar günstiger waren als in Deutschland. Umgerechnet 10 Euro zahlten wir für ein Gericht, das in Deutschland mancherorts 14 Euro kosten würde. Da freuten sich Magen und Geldbeutel.

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Die Unterkünfte: Lieber mal die Tür zumachen

Wir hatten vorab eine Mischung aus Hotels und Privatunterkünften per Airbnb gebucht. Der Vorteil im Hotel: die Stimmung. Hier lebten schlichtweg viele Nationen unter einem Dach und für eine Sache: die WM. Morgens beim Frühstück die ersten Gespräche, bekannte Gesichter, Vorfreude auf das nächste Deutschlandspiel. Der Vorteil in Privatwohnungen: die Ruhe. Hier konnte man sich mal ganz entspannt auf mehr als 16 Quadratmetern erholen, fernsehen und essen kochen. Ein Plus für das Urlaubsbudget.

Fazit: Die Verbindung von Brasilien und der WM war genial, das Feeling dort unbeschreiblich und meine Zeit – mit Jogis Jungs, mit unserer Elf – am anderen Ende der Welt unvergesslich. Nach dem Achtelfinale flogen wir zurück nach Hause. Die letzten Spiele der Deutschen und das gewonnene Finale gab’s im Fernsehen statt im Stadion, Klose und Co. auf der Leinwand statt zum Greifen nah. Doch: Mit einem Rucksack voller Shirts war ich aufgebrochen, mit einem Rucksack voller Erinnerungen bin ich zurückgekommen.

Themen Brasilien
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