5. Dezember 2023, 16:53 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Er ist mit rund 7000 Kilometern der längste Fluss der Welt, fließt durch Peru und Brasilien und ist vom größten Urwald der Erde umgeben: der Amazonas. Doch um ihn zu überqueren, nutzen Einheimische und Besucher nur Boote oder Fähren. Denn es gibt keine einzige Brücke. Warum ist das so? TRAVELBOOK kennt die Antwort.
Der Grund dafür, dass der Amazonas keine Brücken hat, ist nicht, dass er etwa zu breit für eine Brücke sei. Die meiste Zeit des Jahres ist das nämlich nicht der Fall. Die Breite des Flusses variiert größtenteils zwischen vier und fünf Kilometern, an seiner schmalsten Stelle ist der Fluss sogar nur 1,8 Kilometer breit. Doch im Januar, wenn die Regenzeit hereinbricht, schwillt der Amazonas innerhalb weniger Wochen auf eine Breite von zehn bis zwanzig Kilometer an. Zum Vergleich: Der Bodensee ist an seiner breitesten Stelle 14 Kilometer breit. Doch es sind andere Dinge, die den Bau einer Brücke verhindern.
Die Natur ist schuld
Mehr dazu weiß der Geograf Professor i.R. Gerhard Gerold. Der Experte für Physische Geografie sagte TRAVELBOOK auf Anfrage: „Technisch wäre der Bau einer Brücke zwar möglich, aber er wäre mit enormem Kostenaufwand verbunden. Da der Boden des Flusses aus mächtigen, weichen Flusssedimenten besteht, müssten die Brückenpfeiler sehr, sehr tief gegründet werden.“
Doch letztendlich macht die Natur diese Möglichkeit zunichte: „Der Amazonas hat mit fünf bis zehn Metern Tiefe zwischen Regenzeit und Trockenzeit einen stark wechselnden Wasserstand mit einer riesigen Überschwemmungsfläche – der sogenannten Varzéa – über mehrere Monate, sodass ein Brückenbau eine sehr große Distanz überwinden müsste. Das ist nicht nur schwer zu finanzieren, sondern auch bautechnisch schwer umzusetzen.“ Sandbänke im Fluss bilden sich und werden ebenso schnell wieder hinfort geschwemmt. Dadurch, dass die Bodenbeschaffenheit so weich ist, treiben außerdem oft bis zu vier Hektar große Vegetationsinseln im Wasser, sogenannte Matupás.
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Die Brücken würden ins Nirgendwo führen
Ein weiterer wichtiger Grund für das Fehlen von Brücken ist, dass es im Amazonas kein Straßen- oder Schienennetzwerk gibt, das die Brücken verbinden könnten. Der Fluss ist quasi die Autobahn der Amazonas-Region. Selbst Städte wie Macapá mit einer halben Million Einwohner sind nur über ihn mit dem Rest Brasiliens verbunden.
Eine Brücke gibt es aber doch in der Amazonas-Region. Sie führt über den größten Seitenarm des Amazonas, den Rio Negro, und verbindet Manaus mit seiner Schwesterstadt Iranduba. Während sich die Bewohner laut dem „Guardian“ über die neue Verbindung freuen, sind Umweltschützer wenig begeistert. Sie fürchten, dass dank der neuen Verkehrsader mehr Straßen gebaut werden und Urwald abgeholzt wird.
Anmerkung der Redaktion: Ob der Amazonas oder der Nil in Afrika der längste Fluss der Welt ist, kann nicht mit letzter Sicherheit gesagt werden. Das hängt vor allen Dingen mit verschiedenen Messmethoden zusammen. Klar ist aber: Forscher des Brasilianischen Raumforschungsinstituts Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais haben 2007 beide Flüsse vermessen. Ergebnis: Der Nil wird etwa 140 Kilometer kürzer eingeschätzt als der Amazonas.