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Sie berühren sich nicht

Weltweites Baumkronen-Phänomen stellt Forscher vor Rätsel

Crown Shyness
Dieses Foto stammt aus einem Park in Buenos Aires (Argentinien). Warum „Crown Shyness“ auftritt, ist nicht sicher geklärt Credit: Wikimedia/'Dag Peak CC BY 2.0 Foto: Dag Peak
Louisa Wittek Freie Autorin

9. März 2022, 12:38 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten

Die Äste scheinen bedacht darauf zu achten, sich nicht zu berühren und die Kronen der Bäume passen fast wie Puzzleteile aneinander. Doch was steckt hinter dem faszinierenden Phänomen, das sich weltweit beobachten lässt? TRAVELBOOK hat mit Experten gesprochen.

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Schmale Linien verlaufen zwischen den Kronen der Bäume. Als könnten sie ihre Nachbarn wahrnehmen, wachsen sie behutsam aneinander vorbei. „Crown Shyness“ (zu Dt.: Baumkronen-Schüchternheit) heißt das Phänomen und sorgt für beeindruckende Bilder.

Wie kommt das Phänomen zustande?

„Das Wachstum wird über die Jahrestrieb-Verkürzung eingestellt“, erklärt der Dresdner Baumexperte Prof. Dr. Andreas Roloff auf Nachfrage von TRAVELBOOK. Der Baum reagiere mit einer Verkürzung seiner Triebe, um Berührungspunkte mit anderen Bäumen zu vermeiden.

Aber wieso tritt das Phänomen der „schüchternen“ Bäume überhaupt auf? Abschließend sei das bislang nicht geklärt, sagt Prof. Dr. Dirk Dujesiefken vom Institut für Baumpflege in Hamburg. „Es ist aber denkbar, dass der Wind die Ursache ist und die Bäume ihr Wachstum einstellen, damit sie sich mit den Ästen nicht berühren und sich nicht gegenseitig die Knospen abschlagen“, so die Theorie des Wissenschaftlers. 

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Zwei weitere Theorien

Wissenschaftler haben weitere Theorien, die das Verhalten erklären könnten: Möglich ist auch, so eine der Annahmen, dass die Bäume sich durch die Abstände zwischen den Kronen vor Schädlingen schützen. Durch diese Abstände würde demnach verhindert, dass Raupen, Käfer oder andere schädliche Insekten von einem befallenen Baum auf einen gesunden klettern können. „Nachbarbäume können sich zudem mittels Botenstoffen auf zwei verschiedenen Wegen gegenseitig über Gefahren informieren: über Wurzelverwachsungen und über die Stoffabgabe aus Blättern“, schreibt Baumexperte Roloff in seinem Buch „Handbuch Baumdiagnostik“.

Eine weitere Theorie besagt wiederum, dass die Bäume so viel Licht wie nur möglich einfangen wollen und die Abstände zwischen den Kronen ein gegenseitiges Verschatten verhindern. Die Bäume lassen sich dieser Annahme zufolge quasi bewusst gegenseitig die Sonne und wachsen nur so weit, wie das Licht sie noch ausreichend erreicht.

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Nicht jeder Baum meidet den Nachbarn

Ist es windstill, kommen die regelmäßigen Abstände zwischen den Bäumen besonders zu Geltung. Dabei tritt „Crown Shyness“ nicht bei allen Bäumen auf: besonders hochgewachsene Pflanzen, wie bestimmte Eukaliptusarten, Dryobalanops, Schwarze Mangroven, die Sitka-Fichte und die Japanische Lärche sind betroffen, wie My Modern Met berichtet. Oftmals entstehen die regelmäßigen Abstände der Baumkronen bei Bäumen der gleichen Spezies, aber auch bei andersartigen Nachbarn kann man das Phänomen beobachten. Bei einer Untersuchung stellten Wissenschaftler fest, dass verschiedene Baumarten unterschiedlich auf ihre Nachbarn reagieren. So halten etwa Buchen und Eschen Abstand voneinander, während Buchen und Linden sich bestens verstehen und keinen Sicherheitsabstand einhalten.

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Wo tritt „Crown Shyness“ auf?

Wo genau man Crown Shyness beobachten kann, ist schwer genauer einzugrenzen. Das Phänomen ereignet sich in den verschiedensten Wäldern. Unter anderem stammen bekannte Bilder mit deutlicher Crown Shyness aus Selangor (Malaysia), dem Park Plaza San Martín in Buenos Aires (Argentinien) sowie aus dem australischen Bundesstaat New South Wales. Aber auch in Deutschland findet sich das Phänomen: unter anderem im Jasmund National Park auf Rügen. „Eigentlich kann man das Phänomen in jedem Wald mit (mittel)altem Baumbestand mit geschlossenem Kronendach beobachten“, so Baumexperte Roloff.

Ob nun wegen Schädlingen, der Sonne oder dem Wind – ein einmalig schönes Bild (und Fotomotiv) bietet das Phänomen „Crown Shyness“ allemal.

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