
4. März 2025, 6:21 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
In der von Georgien abtrünnigen Region Abchasien befindet sich die Werjowkina-Höhle, die tiefste ihrer Art auf der ganzen Welt. Der Abstieg in diese unglaubliche Welt dauert vier Tage und ist so gefährlich, dass ihr tiefster Punkt erst 2018 bei einer Expedition entdeckt werden konnte. Diese endete für die Forscher beinahe in einer Katastrophe. Andere Entdecker bezahlten den Abstieg aber bereits mit dem Leben.
An der Ostküste des Schwarzen Meeres in der von Georgien abtrünnigen Region Abchasien befindet sich, mitten im unzugänglichen Arabika-Bergmassiv gelegen, ein Ort, dessen Betreten man schlimmstenfalls mit dem Leben bezahlt. Nur die wenigsten Menschen hätten aber wohl überhaupt die Erfahrung und körperliche Befähigung, das zu tun, denn die Rede ist von der Werjowkina-Höhle, der tiefsten ihrer Art auf der ganzen Welt. 1968 das erste Mal begangen, dauerte es 50 Jahre, bis Forscher ihren tiefsten Punkt erreichten. Die Expedition endete für das Team beinahe in einer Katastrophe, bei der sie nur knapp einer unterirdischen Flutwelle entkamen. Andere waren nicht so glücklich.
Die nackten Zahlen um die Werjowkina-Höhle sind gänsehauterregend. 2212 Meter ist sie tief und an manchen Stellen so schmal, dass sich ein Mensch gerade hindurch zwängen kann. Der Abstieg bis zum Grund ist unglaublich anstrengend, dauert insgesamt vier Tage. Der Forscher Robbie Shone, der bei der Expedition 2018 gerade so mit dem Leben davon kam, vergleicht sie im Fachmagazin „Base Mag“ mit der Besteigung eines 8000 Meter hohen Berges. „Doch statt rauf klettert man runter“, so der Abenteurer. Und genau wie bei der Besteigung eines Gipfels gibt es auch in der Höhle Camps als Zwischenstationen. In der Werjowkina befinden sie sich in 600, 1350 und 2100 Metern Tiefe.
Die Entdeckung kostete fast das Leben
Der Einstieg zur Werjowkina-Höhle ist gerade einmal drei mal vier Meter breit und erfolgt über einen 32 Meter langen Schacht. 1968 wagte sich erstmals ein Team aus russischen Speläologen (Höhlenforschern) in den ehrfurchterregenden Abgrund. Sie schafften es gerade einmal auf eine Tiefe von 115 Metern, verzeichneten den Ort auf ihrer Karte und nannten ihn S-115. Auf einer weiteren Expedition beinahe 20 Jahre später drang ein Team aus Moskau dann in eine Tiefe von 440 Metern vor. Sie benannten die Höhle nach ihrem verstorbenen Kollegen Alexander Veryovkin, der während der über drei Jahre (von 1983 bis 1986) dauernden Unternehmung beim Klettern in einer anderen in der Nähe gelegenen Kavität sein Leben verlor.
2018 dann schaffte das Perovo Speleo Caving Team, ein internationales Konsortium aus Experten, dann erstmals den gesamten Abstieg. Über vier Tage kämpften sie sich in eine Tiefe von 2212 Metern vor, womit sie in einen Weltrekord aufstellten. Nie vorher waren Menschen tiefer in das Erdinnere hinabgestiegen als in der Werjowkina-Höhle. Bereits im Jahr zuvor hatte man eine Tiefe von 2204 Metern erreicht und dabei mehr als 13 Kilometer des Höhlensystems erforscht. Doch ihre unglaubliche Errungenschaft bezahlten die tapferen Frauen und Männer nur um ein Haar mit dem Leben. Robbie Shone erzählte erst 2021 im „Base Mag“ von der haarsträubenden Rettungsgeschichte.
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Eine Flutwelle wie ein Güterzug
„Die Expedition verlief bis dahin reibungslos, und plötzlich wurden wir in den Überlebensmodus katapultiert“, so der Fotograf sinngemäß. Es war der siebte Tag einer insgesamt 14-tägigen Expedition, als die Werjowkina-Höhle für die Gruppe beinahe zur Todesfalle wurde. Noch beim Frühstück in 2100 Metern Tiefe erhielten Shone und seine Kollegen einen Funkspruch von Team-Mitgliedern, die sich bereits weiter oben befanden. Die Warnung: Von oben komme eine Flutwelle. Die Gefahr zunächst unterschätzend, frühstückte man sogar aber noch gemütlich zu Ende. Bis das Wasser dann wie eine biblische Plage über das Camp hereinbrach.
„Dieses Geräusch werde ich niemals vergessen. Es war ein ohrenbetäubendes Röhren, so als ob ein Güterzug durch unser Lager donnern würde.“ Unmittelbar darauf spülte eine enorme Flutwelle aus 15 Metern Höhe über die Forscher hinweg, verschwand aber zunächst einmal in noch tiefere Regionen der Werjowkina-Höhle. Die Forscher hatten allerdings unterschätzt, wie schnell es steigen würde. Und nun begann ein Kampf auf Leben und Tod. So schnell wie möglich musste die Mannschaft sich an den Aufstieg in höhere, sicherere Regionen machen. Vieles von ihrer Ausrüstung, die sie bis dahin in bis zu 30 Kilo schweren Rucksäcken getragen hatten, mussten sie in der Eile zurück lassen.

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„Ich dachte, alle seien tot“
Während unter den Forschern das Wasser in der Werjowkina-Höhle kontinuierlich stieg, rauschte es ihnen von oben auf die Köpfe. „Die einzige Möglichkeit zu atmen war, das Kinn eng an die Brust zu pressen und so einen winzigen Hohlraum unter dem Helm zu schaffen. Ich war absolut verängstigt und in Panik“, so Shone. Diese steigerte sich noch, als er zeitweise hinter ihm aufsteigende Kollegen aus den Augen verlor. „Für ein paar lange Minuten dachte ich, alle hinter mir in der Höhle seien tot.“ Auf 1900 Metern Tiefe musste die Gruppe aber schließlich 16 Stunden pausieren, weil ein von oben kommender Wasserfall den weiteren Aufstieg unmöglich machte. Immer in der Sorge, die Fluten könnten auch von unten weiter steigen.
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Schließlich aber zog sich das Wasser in der Werjowkina-Höhle zurück. Einige Team-Mitglieder trauten sich sogar, in größerer Tiefe verbliebene Ausrüstung wieder einzusammeln. Ein Forscher hatte sich am Knie verletzt, doch wie durch ein Wunder hatten alle überlebt. Robbie Shone weist am Ende seines Berichts darauf hin, dass dies nur möglich gewesen sei, weil alle Mitglieder der Expedition überaus erfahren und auch körperlich trainiert waren. Für sein Team findet er nach der überstandenen Nahtod-Erfahrung lobende Worte: „Für mich spielen diese Menschen nicht nur in einer Liga mit den größten Entdeckern unserer modernen Welt, sondern aller Zeiten.“
Andere hatten nicht so viel Glück, wie die australische Nachrichtenseite „News“ berichtet. Demnach ließ der russische Abenteurer Sergei Kozeev in der Werjowkina-Höhle sein Leben. Er verschwand dort im November 2020. Sein Leichnam konnte erst im August des folgenden Jahres in mehr als 900 Metern Tiefe, von einem Kletterseil hängend, geborgen werden. Er war wegen der enormen Kälte unter Tage an Hypothermie gestorben. Behörden zufolge handelte es sich bei dem Mann wohl um einen auf die Anforderungen nicht optimal vorbereiteten Touristen. Eine klare Warnung, dass man ein Wagnis wie das Eindringen in die tiefste Höhle der Welt lieber Experten überlassen sollte. Denn selbst die haben mitunter einfach nur Glück, sie lebend wieder zu verlassen.