12. Juni 2023, 17:54 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten
Heißluftballons vor der aufgehenden Sonne, türkisches Frühstück auf der Hotelterrasse und traumhafte Natur, durch die Pferde galoppieren: Auf Instagram wird Kappadokien traumhaft inszeniert. Ist die türkische Region den Hype wert? Die freie Reise-Redakteurin Sonja Koller war vor Ort und weiß, wie märchenhaft Kappadokien wirklich ist.
Vielleicht wurde ich auf die unromantischste Art überhaupt von Kappadokien in den Bann gezogen. Es ist nicht der Ballonflug, der mich überzeugt. Auch nicht das Frühstück auf der Terrasse meines Hotels, das ich zwar fotografiere, aber nicht essen möchte, weil es seit Tagen genau an dieser Stelle bereitsteht. So hat es zwar auf Instagram gut ausgesehen, kann nun hingegen aber wohl nicht mehr bedenkenlos verzehrt werden.
Es passiert schon viel früher. Nämlich als ich mit dem Nachtbus ankomme, der mich in acht Stunden vom touristischen Süden der Türkei in das – nun ja, immer noch touristische Kappadokien in Anatolien bringt. Eigentlich ist eine Fahrt mit dem Nachtbus die beste Voraussetzung für schlechte Laune: Es ist kalt, ich habe Hunger und keine Sekunde geschlafen, als wir um sechs Uhr morgens in Göreme, dem touristischen Dreh- und Angelpunkt der Region, ankommen. Die Sonne geht auf, Hunderte Heißluftballons fliegen über mich hinweg – und schon jetzt hat sich der Besuch gelohnt.
Alle Tipps und Inspirationen aus diesem Artikel gibt es in der folgenden Podcast-Folge von In 5 Minuten um die Welt auch zum Hören – erzählt von Sonja Koller, freie Autorin:
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Die Täler und Feenkamine von Kappadokien
Auf den sozialen Medien sieht man von Kappadokien hauptsächlich Heißluftballons und Porträts, die vor dem Hintergrund des Sonnenauf- oder -untergangs geschossen wurden. Ursprünglich waren es statt des perfekten Instagram-Feeds aber vor allem die außergewöhnlichen Felsformationen, die Touristen anzogen. So kann man im Love Valley etwa riesige Steinformationen bestaunen, die kurioserweise aussehen wie erigierte Penisse. Im Pigeon Valley, dem Taubental, das die Städte Göreme und Uchisar verbindet, sieht die Landschaft ganz anders aus. Dort wimmelt es von Vogelhäuschen, die in den weichen Stein des Tals geschlagen wurden. Das Red oder Rose Valley ist wegen seiner roten Steine bekannt, die es zu dem idealen Ort machen, um den Sonnenuntergang zu beobachten.
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Entstanden ist diese vielseitige Landschaft durch Vulkanausbrüche. Vier Vulkane gibt es in der Region, sie alle haben Kappadokiens Täler über 60 Millionen Jahre durch Erosionen und Ausbrüche geformt. Es sind aber nicht nur die Lava- und Ascheschichten, die die Landschaft in der Region so unwirklich erscheinen lassen. So waren es Menschen, die Höhlen und Kirchen in die Gesteinsformationen schnitzen, die die Einheimischen hier „Feenkamine“ nennen.
Das unbekannte Highlight von Kappadokien
Auch wenn auf den meisten Postkarten Fotos der Heißluftballons abgedruckt sind, sollte man sich den Sonnenuntergang im Red oder Rose Valley auf keinen Fall entgehen lassen. Das beste Erlebnis hat man, wenn man sich einer ATV-Tour anschließt. Diese dauert in der Regel zwei Stunden und kostet 30 bis 40 Euro pro Person. Wie ein Abenteurer, der alleine durch die Täler schießt, fühlt man sich dabei aber nicht: Jeder Fahrer muss sich der Kolonne an Quads anschließen, überholen ist nicht erlaubt. Nach drei Stopps in verschiedenen Tälern darf die Gruppe an einem Hügel im Rose Valley den Sonnenuntergang bestaunen. Romantik mit 500 Fremden, die nicht ohne ein neues Facebook-Profilbild abreisen wollen. Trotzdem bin ich der Meinung, dass sich die Tour für alle lohnt und kann berichten, dass der Sonnenuntergang mit der neu gefundenen Bikergang einer der schönsten meines Lebens war.
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Fallen Sie nicht auf diese Touristenfallen rein
Aber natürlich ist auch in Kappadokien nicht alles magisch und es gilt, einige Touristenfallen zu vermeiden. So ist etwa das Göreme Open Air Museum, das in praktisch jedem Führer als Must-see angepriesen wird, meiner Meinung nach sehr teuer für das, was es bietet. In Göreme und in der Nähe gibt es genügend beeindruckende Höhlen, die man kostenlos besuchen kann. Außerdem muss man für das Highlight des Museums, die dunkle Kirche, noch etwas Kleingeld auf den Ticketpreis drauflegen.
Für die beeindruckendsten Attraktionen Kappadokiens aber muss man nichts bezahlen: Der Eintritt zu allen Tälern, den Valleys, ist kostenlos. Und nicht nur das Durchwandern ist gratis: Auf unzähligen Aussichtspunkten können die Täler von oben bestaunt werden. Bezahlen muss man dafür nicht. Behalten Sie das im Hinterkopf, wenn Sie überlegen, eine der Tagestouren zu buchen, die in Kappadokien angeboten werden. Denn einige der Stopps, die dabei inkludiert sind, können Sie einfach und meist kostenlos auf eigene Faust entdecken. Besonders wer mit dem Auto unterwegs ist, sollte sich gut überlegen, ob sich die geführten Touren für ihn lohnen.
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Rot, grün, blau: Welche Tour soll ich buchen?
Gleich, wenn man in Kappadokien ankommt, sieht man sie: die Plakate, auf denen die drei großen Tagestouren durch Kappadokien beworben werden. An der roten, grünen und blauen Tour kommt niemand vorbei. Aber was sind die Unterschiede und welche ist die Richtige für Sie? Wer mit Kindern reist, sollte die rote Tour buchen. Hier wird am wenigstens gewandert, dafür das Uçhisar Castle, das Love Valley sowie das Open Air Museum besucht. Außerdem gehts noch in die altgriechische Stadt Çavuşin und in das Monks- sowie Devrent Valley. Abschließend machen Sie in einer Töpferwerkstatt Halt.
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Wer sich für die grüne Tour entscheidet, kann Göreme von einem Aussichtspunkt bestaunen, durch eine unterirdische Stadt und das Taubental wandern. Nach einem Besuch bei einem in Stein gehauenen Kloster gehts weiter in die Stadt Ortahisar und zum Red Valley. Der Tag wird bei einer Onyx Fabrik beendet. Dort wird der für die Region bekannte Stein verarbeitet, der die Farbe verändert. Auf Tripadvisor allerdings gibt es zu einer Fabrik in der Nähe von Uchisar Stimmen, die von Fake-Steinen berichten.
Die blaue Tour führt Sie ins Soğanlı Tal und zum altgriechischen Dorf Mustafapaşa. Dann geht’s weiter in eine unterirdische Stadt und zur antiken Stadt Şahinefendi. Zum Abschluss statten Sie noch dem in Stein gehauenen Kloster Keşlik einen Besuch ab und sehen sich die Feenkamine von Ürgüp an.
Wichtig zu beachten ist aber, dass manche Anbieter die Routen ihrer Touren ändern. Manchmal passiert das spontan, weil eine Sehenswürdigkeit gesperrt ist, manchmal haben Reiseunternehmen auch grundsätzlich ganz andere Dinge im Programm, als es bei den offiziell vorgegebenen und mit Farben gekennzeichneten Routen der Fall ist. Wer eine Tour wegen einer bestimmten Attraktion bucht, sollte also unbedingt nachfragen, um sicherzugehen, dass dieser Programmpunkt auch tatsächlich Teil der Route dieses Anbieters ist.
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Kappadokien auf eigene Faust
Wer Kappadokien günstig entdecken will, und sich die 35 bis 45 Euro sparen möchte, die eine der Touren kostet, sollte neben den kostenlosen Tälern unbedingt auch das Uchisar Castle besuchen. Das Schloss steht in der Stadt Uchisar und ist der höchste Punkt Kappadokiens. Den Eintrittspreis können Sie sich hier sparen, denn obwohl das Schloss eine interessante Geschichte hat, gibt es innen nur Hohlräume zu sehen. Das wahre Highlight ist der Ausblick, und den kann man auch gratis genießen: Gehen Sie dafür, wenn Sie vom Ort Uchisar kommen und direkt vor dem Schloss stehen, links daran vorbei. Eine ausgebaute Aussichtsplattform gibt es hier nicht, aber auch klettern ist nicht nötig. Bleiben Sie einfach da stehen, wo Sie sich am wohlsten fühlen und genießen Sie von dort den Ausblick.
Klar, bei einer ATV-Tour oder während man auf dem Rücken eines Wildpferdes sitzt, ist es besonders magisch, den Sonnenuntergang zu beobachten. Wer es aber mal entspannt angehen will, sollte den Lover’s Hill, den Hügel der Liebenden, in Göreme besuchen. Zu Fuß hat man den Hügel vom Stadtzentrum aus in weniger als fünf Minuten erreicht. Belohnt wird man trotzdem, und zwar mit einer 360-Grad-Aussicht auf Göreme und die umliegenden Täler. Achtung: Kostenlos ist der Aussichtspunkt nicht, ungefähr zwei Euro muss man für de Eintritt bezahlen. Mindestens genauso schön ist der Blick vom Lover’s Hill übrigens auch zum Sonnenaufgang.
Heißluftballonflug in Kappadokien: Das müssen Sie wissen
Zu einem Besuch in Kappadokien gehört ein Flug mit dem Heißluftballon einfach dazu. Die besten Wetterbedingungen herrschen im Frühjahr von Mitte April bis Ende Mai und in den Herbstmonaten. Vor Ort überschlagen sich Reiseagenturen mit Angeboten, am besten planen Sie ihren Flug aber schon vor der Anreise. Denn vor allem in der Hochsaison zwischen Mai und Oktober sind die Flüge bereits weit im Voraus ausgebucht. Wer trotzdem fliegen will, muss dafür vor Ort mitunter teure Angebote annehmen.
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Viele Hotels und Hostels helfen bei der Planung Ihres Heißluftballonflugs und bieten dies häufig schon zum Zeitpunkt der Buchung an. Nehmen Sie das Angebot an und buchen Sie so früh wie möglich und planen Sie ihren Flug nicht am Morgen ihrer Abreise. Die Ballons müssen nämlich gar nicht so selten am Boden bleiben. Auf das Glas „Champagner“, das nach dem Flug üblich ist, sollten Sie sich nicht allzu sehr freuen. Zumindest ich habe nach meinem Flug alkoholfreies Zuckerwasser in Pink bekommen. Alleine war ich damit nicht, auch bei anderen Unternehmen dürfte das üblich sein, wie mir vor Ort mehrere Tourguides und ein Rezeptionist bestätigten.
Wie kommt man nach Kappadokien?
Kappadokien kann man über die Flughäfen in Nevşehir oder Kayseri erreichen. Direktflüge nach Deutschland sind selten, meist muss man in Istanbul umsteigen. Wer über Land anreisen will, sollte viel Zeit mitbringen. Von Istanbul fahren einige Direktbusse, die zwischen neun und zehn Stunden brauchen, auch Busse ab Antalya benötigen etwa neun Stunden, um von der Küste nach Göreme zu kommen.
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Wo schlafen in Kappadokien?
Wer die volle Dosis Kappadokien mitnehmen will, sollte in einem Höhlenhotel übernachten. Am besten angebunden ist man in Göreme, der größten Stadt der Region. Influencer und Gutbetuchte schwören auf das Koza Cave Hotel, der Unterkunft mit dem höchsten Balkon in der Region. Wer für eine Nacht im Doppelzimmer aber weniger als 250 Euro zahlen möchte, kann auf günstigere Boutique-Hotels wie das Henna Hotel ausweichen, dessen Terrasse sich ebenfalls sehen lassen kann. In einem für Kappadokien bekannten Cave Room, einem Raum, der in den Stein gehauen wurde, zu übernachten, geht aber auch für wenig Geld: im Schlafsaal in einigen der Hostels in Göreme schon ab sechs Euro pro Nacht.
Wer es lieber etwas ruhiger hat, kann auch in den anderen Städten Kappadokiens nächtigen. Etwa in Uchisar, der höchstgelegenen Stadt der Region, oder in Çavuşin, einem kleinen Ort mitten im Nationalpark.
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Must-see oder Touristenhochburg?
Jeder Mensch sollte Kappadokien einmal in seinem Leben gesehen haben. Die Region gehört zu meinen Lieblings-Destinationen. Grund dafür ist vor allem die vielseitige Natur. Leider ist Kappadokien aber ein Ort, an dem man hin und wieder aufpassen muss, nicht abgezockt zu werden. Vor allen Buchungen sollte man daher genau nachfragen, wofür man bezahlt und um eine Telefonnummer bitten, die man im Notfall anrufen kann.
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Auch trifft man hier auf überdurchschnittlich viele Urlauber, denen das perfekte Selfie wichtiger zu sein scheint, als den Moment einfach zu genießen. So auch während meiner Ballonfahrt, bei der ich kurzerhand als persönliche Fotografin missbraucht wurde, um etliche Fotos von den Touristen neben mir zu schießen. Aber die Insta-Queens und -Kings haben schon recht: Kappadokien verleitet Urlauber einfach dazu, ständig auf den Auslöser zu drücken, so schön ist die Region.