7. März 2023, 12:17 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Der Blautopf in Baden-Württemberg ist vor allem wegen seiner überirdisch schönen Färbung bekannt – doch in den 1980er-Jahren machten Taucher hier eine geradezu unglaubliche Entdeckung. Seitdem ist klar: Das wahre Wunder liegt unter dem Wasser. Doch die Erforschung des Unbekannten hat leider schon ein Menschenleben gekostet …
In der kleinen Stadt Blaubeuren in der Nähe von Ulm befindet sich einer der magischsten Orte in Deutschland: der Blautopf, ein See von einem geradezu überirdisch schönen Blau, der schon den deutschen Dichter Eduard Mörike inspiriert hat. Lange glaubte man, die besonders intensive Färbung rühre daher, dass jemand Tinte in den See verschüttet habe – heute weiß man, dass in Wahrheit Kalkpartikel daran schuld sind, die das Licht brechen und unterschiedlich stark reflektieren.
Doch das eigentlich Faszinierende befindet sich unter der Wasseroberfläche: nämlich der Einstieg zu einer verlorenen Welt. In rund 20 Metern Tiefe befindet sich auf dem Grund des Karst-Sees ein nur 1,40 Meter breiter Gang, über den man in ein unglaubliches Höhlensystem gelangt, welches heute als eines der größten in ganz Deutschland gilt. Bereits seit 1985 erforschen Taucher immer wieder diese magische Welt unter dem Wasser, die selbst größtenteils auf trockenem Land unter der Erde liegt.
Tödlicher Tauchgang
Die Tauchgänge dorthin sind alles andere als leicht, im Gegenteil – ein Forscher bezahlte 2003 seinen Mut sogar mit dem Leben. Doch was die Wissenschaftler bis heute unter der Erde entdecken, ist einfach spektakulär: Insgesamt weit mehr als 10 Kilometer unterirdischer Pracht sind bereits erforscht, darunter gigantische Steinhallen wie die 170 Meter lange und 50 Meter hohe „Apokalypse“. Der Entdecker des Systems, Jochen Hasenmayer, taufte die erste gefundene Höhle 1985 „Mörikedom“, benannt nach dem Dichter, der den Blautopf mit der Legende um eine schöne Wassernixe einst bekannt gemacht hatte.
In den verzweigten Höhlen befinden sich gewaltige Tropfsteinformationen, die die „Arbeitsgemeinschaft Blautopf“ um den begeisterten Taucher Andreas Kücha seit Jahrzehnten erforscht. Kücha, Pressesprecher der Gruppe, ist eigentlich Schreiner, aber bereits seit seiner Kindheit von Höhlen fasziniert: „Mit 14 bin ich in einen Höhlenverein eingetreten. Ich habe viel gelesen und realisierte, dass es noch viele weiße Flecken gibt und es Unbekanntes zu entdecken gibt.“
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„Eines der größten Höhlensysteme Deutschlands“
Auf einen Tauchgang im Blautopf müsse man sich tagelang vorbereiten, vor allem emotional: In der Enge der Höhlen ist es schwierig zu manövrieren, zudem kommt durch ihre Beschaffenheit ein ständiges Auf- und wieder Abtauchen zustande, welches den Taucher sehr fordert – weil er den wechselnden Druck immer wieder ausgleichen muss, um eine gefährliche oder gar tödliche Gasanreicherung im Blut zu verhindern. Kücha glaubt, dass die Höhlen unter dem Blautopf zusammen eines der größten Systeme in ganz Deutschland ergeben könnten – über die Erforschung sagt er: „Wir sind erst am Anfang, und es ist sicherlich noch eine Aufgabe von mehreren Generationen.“ Unfassbare 16,8 Kilometer soll die Gesamtlänge der Blautopfhöhle nach derzeitigem Stand betragen.
Übrigens gibt es seit 2010 noch einen anderen Weg, die Blautopf-Höhlen zu betreten, und das ganz trockenen Fußes: An der Bundesstraße 28 wurde in der Nähe von Blaubeuren ein Schacht zu einem damals neu entdeckten Höhlengang gelegt, der in den Mörikedom führt – für die Öffentlichkeit ist dieser allerdings gesperrt.
Ein Besuchermagnet wird das Höhlensystem wohl nicht werden: Wie unter anderem die „Stuttgarter Nachrichten“ bereits 2014 berichteten, sei die Erschließung mit sehr hohen Investitionen verbunden, die wohl auch von einem privaten Investoren mitfinanziert werden müssten. Kücha gibt sich bei diesem Thema ganz diplomatisch: „Das Thema, das Höhlensystem der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, liegt bei der Stadt Blaubeuren. Hier gibt es verschiedenste Ideen und Konzepte, wie man dem Besucher die Schönheit der Höhle näher bringen kann. Sollte die Stadt den Weg weiterverfolgen, werden wir als Höhlenforscher beratend unterstützen.“