14. Juni 2023, 14:30 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Der älteste Baum der Welt steht in … ja, wo denn nun? Ganz klar ist das nicht. Denn der älteste Baum der Welt ist entweder 5000, 5400, 9500 oder sogar 80.000 Jahre alt. Tatsächlich kommt es ganz auf die Definition an. TRAVELBOOK stellt vier Pflanzengreise vor, die für den umstrittenen Titel infrage kommen.
Wenn es um den ältesten Baum der Welt geht, streiten sich die Gelehrten. Die einen vermuten den Baum in Schweden, andere in Kalifornien oder Chile. Und dann gibt es auch noch ein ganz besonderes Gewächs, das eher einem Wald als einem klassischen Baum gleicht und von dem es nun sogar Aufnahmen gibt, die zeigen, wie sich der „Baum“ anhört. TRAVELBOOK hat mit einem Forstwissenschaftler gesprochen und stellt die Titelanwärter vor.
Die ältesten Bäume der Welt
Pando in Utah, ca. 80.000 Jahre alt
Nicht wirklich ein Baum, sondern eher ein ganzer Wald ist die Klonkolonie „Pando“ im Fishlake National Forest in Utah, USA. Die Amerikanische Zitterpappel wächst seit geschätzten 80.000 Jahren und beansprucht inzwischen einen Raum von 43,6 Hektar für sich. „Pando“ ist damit das älteste Lebewesen der Welt und bricht nebenbei noch einen ganz anderen Rekord: Mit 6000 Tonnen ist die Zitterpappel zudem das schwerste Lebewesen der Welt.
Neuerdings kann man sogar hören, wie sich dieser gigantische Organismus anhört. Jeff Rice, Sounddesigner der Montana State University, hat die Geräusche des Riesen eingefangen, indem er ein spezielles Mikrofon an der Wurzel eines etwa 30 Meter hohen Stamms anbrachte. Hier können Sie sich die Aufnahme anhören. Zu hören ist ein tiefes Brummen, das laut Ansicht von Rice von den Vibrationen kommt, die durch die vielen Stämme in die Erde gelangten. Und von diesen Stämmen gibt es einige. Denn zu „Pando“ gehören inzwischen ungefähr 47.000 Stämme, die unterirdisch durch ein gemeinsames Wurzelsystem verbunden sind und sich dieselbe DNA teilen.
Pando ist bedroht
Doch seit einigen Jahren geht das Wachstum des Riesen zurück, immer weniger junge Stämme kommen nach. Dafür gibt es mehrere Ursachen, wie unter anderem „CNN“ berichtet. Neben den sich ändernden Bedingungen des Klimawandels und Pilzerkrankungen der Hauptstämme sind vor allem andere Lebewesen die größte Bedrohung: Rehe, Hirsche und Elche, die die nachkommenden, jungen Triebe Pandos fressen. Das bedeutet, dass in großen Teilen von Pando kaum neues Wachstum stattfindet. Der Baum ist also akut vom Aussterben bedroht.
Die Sorge um Pando ist zwar berechtigt – um den ältesten Baum der Welt muss man sich aber keine Sorgen machen. Denn laut Forstwissenschaftler Prof. Dr. Roloff handelt es sich eben um ein Lebewesen, nicht aber um einen einzigen Baum. „Die ersten Bäume ‚Pandos‘ sind längst tot, da diese Baumart nur 200 Jahre alt wird. Die heutigen Vertreter sind sozusagen die Ur-ur-ur-ur-ur-Enkel, die aber alle von demselben Baum abstammen“, erklärt Roloff TRAVELBOOK. Pando scheidet also aus um das Rennen um den Titel. Wer bleibt noch?
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Old Tjikko in Schweden, ca. 9550 Jahre alt
Geht es um den ältesten Baum der Welt, wird oftmals dieser Kandidat genannt. Es handelt sich um eine Gemeine Fichte, genannt „Old Tjikko“, die im Nationalpark Fulufjället in Schweden steht. Das auf den ersten Blick unscheinbare Bäumchen soll stolze 9550 Jahre alt sein. Das hätten Untersuchungen durch eine Radiokohlenstoffdatierung des Wurzelsystems ergeben. Entdeckt wurde der Baum und sein außergewöhnliches Alter von Leif Kullmann, Professor für Physische Geographie, der den Baum kurzerhand nach seinem Hund, dem Husky Old Tjikko benannte.
Der fünf Meter hohe Stamm ist dabei lediglich ein paar hundert Jahre alt – der wirklich beeindruckend alte Teil des Baums befindet sich, wie auch bei Pando, unter der Erde: sein Wurzelsystem. Denn „Old Tjikko“ ist ein individueller Klonbaum. Der Stamm selbst werde nur um die 600 Jahre alt, das Wurzelsystem aber überlebe den Stamm und bilde einen neuen, sobald der alte sterbe, zitiert „National Geographic“ Kullmann.
Doch so beeindruckend das auch klingt, Prof. Dr. Roloff zweifelt dieses Ergebnis an. Vor fast 10.000 Jahren sei es in den schwedischen Gebirgen wegen der Eiszeit noch zu kalt gewesen, erklärt er TRAVELBOOK. Deshalb sei das Wurzelalter unglaubwürdig. Bezieht man sich nicht nur auf das Wurzelsystem, sondern auf das ganze Gewächs inklusive Stamm, steht jedoch ein noch älterer Baum mehr als 8000 Kilometer von „Old Tjikko“ entfernt.
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Langlebige Kiefer in Kalifornien, ca. 5070 Jahre alt
Der bis vor kurzem als ältester geltende Baum der Welt befindet sich nämlich in den White Mountains in Kalifornien. Das Alter der Langlebigen Kiefer (Pinus longaeva) wurde im Jahr 2012 bestimmt. Demnach ist der Baum heute beeindruckende 5070 Jahre alt. Um den Baum vor Besuchern zu schützen, ist der Standort geheim. Vor der Messung 2012 galt die Langlebige Kiefer „Methuselah“ als ältester Baum der Welt, sie ist mehr als 4800 Jahre alt. Eine weitere, erstaunlich Langlebige Kiefer wurde 1964 gefällt, bevor ihr Alter bekannt wurde. Zum Zeitpunkt der Fällung was „Prometheus“, so der Name des Baums, 4862 Jahre alt.
Besonders spannend ist, dass Pflanzen nicht durch eine Sterblichkeit limitiert sind, wie wir es von Menschen und anderen Tieren kennen. Vielmehr ist es in ihrem Erbmaterial festgelegt, wie alt eine Pflanze wird. Und bei Bäumen wie der Langlebigen Kiefer muss dem nicht zwangsläufig ein Ende gesetzt sein, da der Baum sich immer wieder selbst erneuern kann. „Denn ein Baum erneuert jedes Jahr an fast allen seinen Organen einen Teil der Gewebe: Er treibt neue Blätter und Zweige, bildet einen neuen Jahrring im Holz und neue Bastzellen in der Rinde sowie neue Wurzeln, sodass die jüngsten Organe und Organbereiche in der Regel maximal ein Jahr alt sind“, erklärt Prof. Dr. Roloff das Phänomen in seinem Buch „Handbuch Baumdiagnostik“, wobei es sich bei genannten Organen um Blätter, Zweige, dem Stamm und die Wurzeln handelt. Neue Äste und Wurzeln können das Überleben des Baums sichern, während gewisse Teile absterben.
Klima führt dazu, dass die langlebige Kiefer so alt wird
Langlebige Baumarten müssten eine Vielzahl an Mechanismen entwickelt haben, die sie vor Umwelteinflüssen wie Schädlingen, Krankheiten und Beschädigungen über einen langen Zeitraum schützten, sagt Prof. Dr. Roloff. „Dazu trägt zum Beispiel das Klima des Standorts der Langlebigen Grannenkiefer bei: Es ist kalt und die Vegetationszeit beträgt nur drei Monate – das wiederum hält die Schädlinge in Schach“, sagt der Forstwissenschaftler zu TRAVELBOOK. Hinzu komme, dass die Langlebige Kiefer durch die harten Winter das Wachstum selbst verlangsame. So würde sie auch weniger schnell altern.
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Die Selbsterneuerung ist jedoch auch der Grund für das Ableben der alten Geschöpfe. Ist der Weg von der Wurzeln in die Astspitze zu weit, können Nährstoffe und Wasser nicht bis in die letzten Enden des Baums gelangen. Das „System Baum“ funktioniere als Ganzes nicht mehr, da der Nährstoffaustausch zwischen Wurzel und Krone nicht mehr im ausreichenden Maß stattfinden könne, erklärt Prof. Dr. Roloff. Jedoch weisen neue Forschungen darauf hin, dass die Langlebige Kiefer doch nicht der älteste Baum der Welt ist, stattdessen soll in Chile eine fast 400 Jahre ältere Patagonische Zypresse stehen.
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Gran Abuelo in Chile, ca. 5400 Jahre Alt
Vor etwa 5400 Jahren soll ein Samen in Chiles Alerce Costero Nationalpark gekeimt sein, der Brände und Abholzungen überlebte, und nun zu einem Baum mit einem Durchmesser von fast vier Metern herangewachsen ist: „El Gran Abuelo“, auf Deutsch „Urgroßvater“. Der mehr als 60 Meter hohe Baum ist damit eines der potenziellen ältesten Lebewesen der Welt. Laut dem chilenischen Forscher J. Barichivich gibt es eine 80 Prozent Wahrscheinlichkeit, dass der Baum, der ursprünglich auf ein Alter von etwa 3500 Jahren geschätzt wurde, in Wirklichkeit mehr als 5000 Jahre alt ist.
Doch andere Wissenschafter sind skeptisch, vor allem wegen Barichivichs unkonventionellen Messtechniken. Statt, wie üblich, die Wachstumsringe des Baums zu untersuchen, nahm er nur eine Teilkernprobe und erstellte auf Basis ähnlicher Bäume ein Modell und bestimmte so das (vermeintliche) Alter des Baums. Dies kritisierte Ed Cook von der Columbia University, der „Science“ erklärte, dass die „einzige Möglichkeit, das Alter eines Baumes wirklich zu bestimmen, die dendrochronologische Zählung der Ringe ist“.
Unabhängig von der kontroversen Diskussion über Messmethoden, ist aber laut Barichivich nicht der Titel, sondern vor allem der Schutz des Baumes das Wichtigste. Denn vor allem das Wurzelwerk des Baums leidet schon lange darunter, dass er bereits eine Touristenattraktion im Alerce Costero Nationalpark Nationalpark ist.