19. Oktober 2023, 17:41 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Er ist ein echtes Naturphänomen: In der kleinen Stadt Andernach bei Koblenz sprudelt seit mehr als 100 Jahren ein echter Weltrekordhalter – die Fontäne steht sogar im Guinness-Buch.
Dass es in Deutschland zahllose schöne Naturwunder gibt, ist bekannt – aber hätten Sie gewusst, dass wir auch einen Geysir haben? Und zwar nicht irgendeinen, sondern dazu einen absoluten Weltrekord-Halter, der sogar im Guinness-Buch steht? Bis zu 60 Meter sprudelt er nahe der kleinen Stadt Andernach in Rheinland-Pfalz in die Höhe und ist damit der höchste Kaltwasser-Geysir der Welt.
Entdeckt wurde er laut offizieller Webseite, als zwischen 1903 und 1904 an einer Stelle auf der Halbinsel Namedyer Werth in einer Tiefe von 343 Metern Bohrungen durchgeführt wurden. Vorher hatte man bereits jahrelang in einem nahen Altwasser-Arm immer wieder aufsteigende Gasblasen beobachtet, hielt sie aber zunächst nur für schädliche Faulgase. Schließlich fand man aber heraus, dass es reines Mineralwasser war, was aus der Erde schoss. Ab 1904 wurde es sogar von einer lokalen Firma zur Trink- und Heilwassergewinnung genutzt.
Bereits um 1910 war der Geysir wegen seiner spektakulären Ausbrüche zu einer beliebten Touristenattraktion in Deutschland geworden.
„Wie eine Mineralwasserflasche“
Doch wie funktioniert das Naturphänomen? Das weiß Ralf Schunk, der wissenschaftlich-pädagogische Leiter des Geysir-Besucherzentrums. „Das CO₂ reichert sich so lange im Wasser an, bis dieses gesättigt ist, also kein weiteres Gas mehr aufnehmen kann. Durch den Druck, der sich dabei aufbaut, schießt das kohlensäurehaltige Wasser dann nach oben – jeder, der schon einmal versehentlich eine Mineralwasserflasche geschüttelt hat, kennt den Prozess“, erklärt er auf TRAVELBOOK-Anfrage.
Diese Eruption wiederholt sich immer wieder: Kaum ist der Druck entwichen, baut er sich von neuem auf, das Wasser fließt aus der Erde in die Bohrung und reichert sich wiederum mit CO₂ an. Auf diese Weise bricht der Geysir aktuell alle zwei Stunden aus. Das war nicht immer so: 1953 kam die Quelle vorerst zum Erliegen, denn die 1904 angelegten Rohre waren unter anderem durch zwei Weltkriege schwer beschädigt worden.
Die Andernacher aber erinnerten sich ihrer einst so beliebten Besucherattraktion und so wurden um die Jahrtausendwende Voruntersuchungen durchgeführt, um den Geysir wieder zum Leben zu erwecken. Am 10. Mai 2005 war es dann dank einer weiteren Bohrung tatsächlich so weit. Seitdem wird die Fontäne immer beliebter: In der bisherigen Rekordsaison 2016 kamen mehr als 127.000 Besucher nach Andernach.
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Phänomen aus 4000 Metern Tiefe
Ein Geheimtipp ist der Geysir also nicht mehr. Das dürfte auch an dem Besucherzentrum liegen, das seit 2009 geöffnet ist und in dem Gäste alles rund um den Geysir lernen und verstehen können. So reist man zunächst durch einen künstlichen Vulkanschlot in eine simulierte Tiefe von 4000 Meter und kann nachvollziehen, wie sich die Kohlensäure und das Wasser von dort ihren Weg an die Erdoberfläche bahnen – der Geysir ist nachweislich durch vulkanische Aktivitäten entstanden.
Mit einem Schiff kann man von dort zur Halbinsel Namedyer Werth fahren, die heute ein Naturschutzgebiet ist. Dort, wo der Geysir liegt, kann man die bis zu 60 Meter hohen Eruptionen beobachten, die mehrere Minuten andauern. Der Auenwald, der den Geysir umgibt, dient außerdem als Lebensraum für seltene und gefährdete Tier- und Pflanzenarten. Alleine neun verschiedene Fledermausarten findet man hier, auch Orchideen sowie Schwarzerlen und -pappeln.
Achtung: Vom 1. November bis Ende März jeden Jahres macht die Attraktion Winterpause – aber bis November bleibt noch etwas Zeit, um Deutschlands Rekord-Geysir zu besichtigen.