9. Mai 2019, 14:06 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Sie ist ein ganz besonderes Wahrzeichen des Harz: Eine Wanderung entlang der Teufelsmauer verspricht eine Mischung aus Entschleunigung und Adrenalinrausch. Die Tour führt über spektakuläre Felsformationen samt tollen Ausblicken, immer auf den Spuren einer alten Harzer Legende…
Mitten im Nirgendwo der grünen Ebenen und Felder des Harz erhebt sich, ganz in der Nähe der Weltkulturerbe-Stadt Quedlinburg, ein wahrhaft bizarres Naturwunder: Auf 20 Kilometern Länge ragen zwischen verträumten Orten riesige Sandsteine in den Himmel, aufgeschichtet zu spektakulären Formationen, die ihnen einen treffenden Namen eingetragen haben: Teufelsmauer. Und tatsächlich erinnert das Gestein vielerorts an eine Mauer, schichten sich einzelne Felsen auf wie Wachtürme einer steinernen Verteidigungslinie.
Kein Wunder also, dass es zur Entstehung der Teufelsmauer auch eine Sage gibt, bei der es sprichwörtlich mit dem, nun ja, Teufel zugeht. Demnach stritten der Leibhaftige und Gott darum, die Welt unter sich aufzuteilen. Gott sagte der Legende nach also zum Teufel, alles Land, das dieser in nur einer Nacht vor dem ersten Hahnenschrei mit einer Mauer abgrenzen könnte, solle fortan ihm gehören. Der Bösewicht machte sich an die Arbeit, jedoch wurde er dabei von einer Magd gestört, die mit ihrem Hahn auf dem Weg zum Markt war. Die Magd erschrak beim Anblick des Teufels, stürzte, und dadurch wiederum aufgeschreckt fing ihr Hahn an zu krähen. Luzifer glaubte, sein Werk sei misslungen, und zertrat daraufhin aus lauter Wut seine bereits fertig gestellte Schöpfung – das, was übrig blieb, ist bis auf den heutigen Tag als Teufelsmauer bekannt.
Beeindruckendes Landschaftsdenkmal
Freilich ist die wirkliche Entstehungsgeschichte weniger romantisch, so bildeten sich die Sandsteinformationen laut der Tourismuswebseite des Ortes Blankenburg vor etwa 85 Millionen Jahren als Ablagerungen in den Meeren der Kreidezeit. Am Ende dieses Zeitalters hob sich der Boden des heutigen Harz an und schichtete so die Steine auf, die heute Wanderer auf einer wunderbaren Tour von insgesamt maximal 30 Kilometern Länge zwischen den Ortschaften Ballenstedt im Südosten und Blankenburg im Nordwesten erfreuen. Vorbei geht es an Formationen mit romantischen Namen wie „Königstein“, „Hohe Sonne“ und „Großvaterfelsen“, wobei sich entspanntes Staunen mit kräftigen Adrenalinstößen abwechselt.
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Wer nicht die Zeit oder Lust mitbringt, an einem oder mehreren Tagen 30 Kilometer zu wandern, dem bietet sich eine tolle Alternative dank einer Tour, die nur etwa halb so lang ist und sich auch bei gemächlichem Tempo in fünf bis sechs Stunden bewältigen lässt. Auf etwa 15 Kilometern Länge beginnt der Weg in Weddersleben, wo die Teufelsmauer sich besonders imposant zeigt. Wer auf dem Sprung ist, kann hier auch nur den zwei Kilometer langen Rundweg absolvieren, der Wanderer entlang der archaischen Formationen „Königstein“, „Mittelsteine“ und „Papensteine“ führt, die die ansonsten flache Landschaft eindrucksvoll überragen und tatsächlich so aussehen, als hätte nicht nur der Teufel, sondern auch der Wind sie geformt – denn dem ist man hier in der weiten Ebene bedingungslos ausgesetzt.
Endloses Land
Besonders bizarr: Die Felsen sehen an manchen Stellen so aus wie vom Sturm aufgepeitschtes, in der Bewegung versteinertes Wasser – kein Wunder also, dass auch schon der deutsche Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe 1784 die Teufelsmauer besuchte. Seit 1833 sind die Felsen besonders geschützt, denn der Sandstein war damals ein begehrtes Baumaterial. Naturfreunde profitieren noch heute von dieser Maßnahme, da sich rund um die bizarren Steine diverse seltene Kräuter und Pflanzen angesiedelt haben. Seit 1935 ist die Gegend ein Naturschutzgebiet, eines der ältesten Deutschlands.
Die Wanderung führt von Weddersleben nun entlang mehrerer kleiner Felskämme in Richtung Warnstedt, immer mit dem Blick auf die dortige Windmühle auf der rechten und die Stadt Thale auf der linken Seite. Hunderte von Metern weit kann man in beide Richtungen das offene grüne Land bewundern, während hoch oben in der Luft majestätisch Raubvögel kreisen, die nach Beute suchen. Auch die Ausläufer der Harz-Berge in Thale sind hier nur etwa eine Stunde Fußmarsch entfernt, doch man durchquert stattdessen Warnstedt und läuft weiter auf einem schotterigen Feldweg, der nach Timmenrode führt. Hier ist die Landschaft besonders flach und erscheint deshalb umso endloser, dabei ist es auch in diesen kleinen Ort nur ein relativ kurzer Weg. Obstbäume säumen die alte Straße, die wohl einst als Hauptverbindung zwischen Warnstedt und Timmenrode gedient hat, bevor die Moderne Einzug hielt und mit ihr eine breitere Bundesstraße.
Spektakuläre Steine
Timmenrode ist einer dieser Orte, die mit dem Auto schon vorübergeflogen wären, wenn man nur einmal blinzelt – doch für den Wanderer beginnt hier das spektakulärste Stück der Tour. Ein kurzer Aufstieg führt durch jetzt wieder dichter werdenden Wald zu dem Aussichtspunkt „Hamburger Wappen“, der wohl eindrucksvollsten aller Felsformationen entlang des Teufelsmauerstieges. Die drei gewaltigen Zinnen ähneln tatsächlich dem Wappen der Hansestadt und haben vermutlich daher ihren Namen. Von hier aus hat man einen sehr schönen Ausblick auf das weite Land, das von oben so idyllisch aussieht wie eine Modellbaulandschaft.
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Nun wird es endgültig fantastisch – und zwar bei der Begehung des sogenannten „Kammweges“, entlang dessen sich im dichten Wald mehr und mehr skurrile Steine in den Himmel strecken, die „Fahnenfelsen“, „Teufelskopf“ oder „Schweinekessel“ heißen – jetzt befindet man sich eben auf dem Bergkamm des Höhenzuges, und damit bieten sich zu beiden Seiten des Weges wunderbare Ausblicke. Die Wurzeln der Nadelbäume quellen wie Kraken-Fangarme aus dem Waldboden hervor und umschlingen das Gestein, hier macht wirklich jeder Schritt Spaß, und die frische Luft pustet den Kopf frei vom Lärm und der Hektik des Alltages. Merkwürdig ist das Gefühl, hier weit oben in wildester Natur zu sein, während einem quasi zu Füßen das von Menschen domestizierte, parzellierte und in gleichförmige Quadrate gepresste Land liegt.
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Adrenalin pur
Das anspruchsvollste Stück Weg führt nun etwa einen Kilometer lang zum sogenannten „Großvaterfelsen“ – hier geht es sprichwörtlich über Stock und Stein, der „Weg“ ist an vielen Stellen mit eisernen Geländern gesichert und kaum breiter als ein Mensch, wobei es an beiden Seiten zum Teil steil in die Tiefe geht. Das Adrenalin pumpt förmlich in den Ohren, und wohl auch deshalb haben zahlreiche Wanderer ihre Namen in das weiche Gestein geritzt, wie zum Beweis, dass sie hier waren und diese nicht ungefährliche Strecke bewältigt haben. Eine willkommene Rast samt grandioser Aussicht bietet der „Teufelssessel“, zwei nebeneinander in den Stein gehauene Sitznischen.
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Der Höhepunkt der Wanderung ist dann die Aussicht vom „Großvaterfelsen“ auf das unten im Tal liegende Blankenburg mit seiner gleichnamigen beeindruckenden Festung und den wie überall im Harz noch sehr gut erhaltenen Fachwerkhäusern – hier muss man jedoch absolut trittsicher und auch mutig sein, um sich entlang eines weiteren eisernen Geländers auf einen kleinen, windumtosten Turm zu hangeln. Und ehe man es sich versieht, sind 15 Kilometer verflogen, steigt man über wiederum sanften Waldboden hinab nach Blankenburg und genießt die wohlverdiente Einkehr in einer der zahlreichen guten Gaststätten.