23. März 2017, 12:31 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Dunkelrot sind die Ströme, die aus dem Taylor-Gletscher in regelmäßigen Abständen hervorbrechen. Blood Falls nennt man sie daher, Blut-Wasserfall oder Blutströme. Doch wie erklärt sich das Phänomen? US-amerikanische Forscher gingen dem Geheimnis des Gletschers auf den Grund – und förderten Erstaunliches zu Tage.
Dass es den Gletschern dieser Erde nicht gut geht, weiß jeder, der Klimawandel buchstabieren kann. Doch ihr Schwinden erfolgt diskret, die Gletscher schrumpfen im Schmelzen – und wenn dabei nicht zufällig gerade ein Eisklotz krachend zu Boden fällt, verläuft dies still und schweigend, ohne Show und Drama.
Anders der Taylor-Gletscher am Westlichen Bonneysee in der Antarktis. Er scheint eine offene Wunde zu haben. Wie ein gewaltiger Blutfluss wirken die dunkelrot gefärbten Ströme, die hier regelmäßig hervorbrechen – und so manchem Dracula- oder Fantasyfan das Fürchten lehren könnten. Nur, warum blutet der Gletscher?
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Eisen ist für die rote Farbe verantwortlich
Den Entdeckern vor gut 100 Jahren schien das Rätsel zunächst schnell gelöst. Blutschnee sei das, so wurde lange vermutet. Ein Phänomen, das man aus den Hochgebirgen und Polargebieten in den Sommermonaten kennt. Hier färben Algen nassen Altschnee rot, genauer: Die Carotonoide machen das, mit deren Hilfe sich die Schneealgen vor der starken UV-Strahlung schützen.
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Doch bei dem Blut-Wasserfall des Taylor-Gletschers handelt es sich keineswegs um Blutschnee: Nicht Algen, sondern Eisen hat das Wasser rötlich gefärbt. Freigesetzt – und jetzt wird es spannend – wurde es von uralten Mikroorganismen, die in einem eingeschlossenen unterirdischen See 1,5 bis 4 Millionen Jahre isoliert von der Umwelt überlebten. Und die es „veratmeten“ wie wir Sauerstoff.
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Eine flüssige Zeitkapsel
Etwa 400 Meter unter der Gletscheroberfläche liegt diese flüssige Zeitkapsel, ein Überbleibsel eines Urozeans – und da es dort nicht nur dunkel und sehr kalt ist, sondern auch so gut wie kein Sauerstoff vorkommt, haben sich die Bakterien an die einzigen verfügbaren Nährstoffquellen angepasst: an Schwefel und Eisen. Wobei der Schwefel offenbar als eine Art Katalysator bei der Energiegewinnung wirkt.
Es war eine Sensation, als US-amerikanische Forscher auf der Suche nach dem Geheimnis des Taylor-Gletschers vor ein paar Jahren dieses urzeitliche Ökosystem entdeckten. Erlaubt dies doch einen unverhofften Blick in die Erdzeitalter vor etwa 750 bis 550 Millionen Jahren, in denen die Welt mehrfach komplett zugefroren war. Die Eisen atmenden Bakterien – quasi Zeitzeugen.
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Leben unter extremen Bedingungen = außerirdisches Leben?
Und was schließt man daraus, wenn es Organismen möglich ist, unter solchen extremen Bedingungen zu überleben – ohne Licht, Wärme und Sauerstoff? Dass es prinzipiell auch auf anderen Planeten mit ähnlichen Licht- und Temperaturverhältnissen Leben geben könnte. Womit wir wieder im Fantasy-Bereich wären.
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