28. März 2021, 8:09 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Der Vulkan Kawah Ijen auf der indonesischen Insel Java ist ein Naturwunder – wenn er ausbricht, scheint dort blaue Lava auszutreten. Was genau hinter dem Phänomen steckt ist leider auch eine tragische Geschichte von Leid und Ausbeutung.
Wenn die Nacht über die indonesische Insel Java hereinbricht, kann man dort nicht selten ein bizarres, faszinierendes Phänomen beobachten. Der aktive Vulkan Kawah Ijen, der über der Insel thront, wird dann mitunter Schauplatz eines einzigartigen Naturschauspiels. Die Hänge des Berges erstrahlen in einem fast außerirdischen Blau, das von der herabfließenden Lava herzurühren scheint.
Wie die renommierte Wissenschaftszeitschrift „National Geographic“ erklärt, handelt es sich bei der vermeintlich blauen Lava allerdings um etwas anderes: Unter unglaublichem Druck und bei Temperaturen von bis zu 600 Grad Celsius entweichen aus dem Berg Schwefelgase. Geraten diese in Kontakt mit der Luft, entzünden sie sich und blaue Flammen schießen bis zu sechs Meter hoch in die Luft.
Begehrter Rohstoff
Die blaue Farbe entsteht also durch die Verbrennung der Schwefelgase – doch warum denken manche, der Vulkan spucke blaue Lava? Tatsächlich verflüssigen sich die Gase manchmal und werden zu flüssigem Schwefel. Dieser fließt dann, während er weiter brennt, den Hang des Vulkans hinab, wodurch dieses Phänomen entsteht.
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Das Phänomen hat jedoch für viele Menschen auf Java tragische Folgen. Denn wenn sich der Schwefel abkühlt und zu einer gesteinsartigen Masse verfestigt, wird er zu einem begehrten Rohstoff – und dieser lässt sich rund um den Vulkan Kawah Ijen in rauen Mengen finden bzw. abbauen. Seit mehr als 40 Jahren „ernten“ die Menschen auf Java den Schwefel.
Ausgebeutet und ungeschützt
Laut Berichten zünden die Minenarbeiter den Schwefel bzw. die Schwefelgase zum Teil absichtlich an, um die natürliche Produktion zu „beschleunigen“. Zudem wird das Gas über Röhren abgeleitet, um es so abzukühlen und in festen Schwefel zu verwandeln. Die Leidtragenden sind die vielen Arbeiter, die bis zu 100 Kilogramm des Gesteins pro Tag und Person „ernten“. Ein Kilogramm verkaufter Schwefel bringt ihnen gerade einmal einen Lohn von umgerechnet 25 Cent.
Gegen die giftigen Dämpfe und Gase sind sie dabei meist schlecht bis gar nicht geschützt – eigentlich wäre das Tragen einer Gasmaske zwingend, um keine bleibenden Gesundheitsschäden zu riskieren. Wer doch eine Maske hat, kann es sich oft nicht leisten, den Filter regelmäßig auszutauschen. Erschwerend kommt hinzu, dass nicht wenige, die hier schuften, noch Kinder sind. Laut der wissenschaftlichen Seite „Smithonian Mag“ leiden viele der Arbeiter an Gesundheitsschäden.
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Phänomen zeigt sich nur nachts
So faszinierend das Phänomen der blauen „Lava“ auch ist – weltweit einzigartig ist es nicht. Auch am Dallol-Vulkan an der Grenze der afrikanischen Länder Eritrea und Dschibuti lässt sich das Schauspiel beobachten. Genauso wie mitunter bei den geothermalen Geysiren im Yellowstone-Nationalpark, an denen viel Schwefel abgelagert liegt. Hier kam es schon vor, dass durch Waldbrände der Schwefel erhitzt und entzündet wurde.
Der Vulkan Kawah Ijen ist wegen seiner spektakulären Ausbrüche längst zu einem wichtigen Tourismus-Faktor für die Insel Java geworden. Doch nur nachts erscheinen die Flammen in dem außerirdischen Blau, das den Berg berühmt gemacht hat. Geführte Touren bringen Besucher zu dem Berg, dessen Krater noch ein anderes Naturwunder beheimatet: Einen der säurehaltigsten Seen auf der ganzen Welt, dessen ph-Wert fast bei Null liegt.
Hinweis: Aufgrund der aktuellen Corona-Lage gilt Indonesien als Risikogebiet, das Auswärtige Amt schreibt auf seiner Seite: „Vor nicht notwendigen, touristischen Reisen nach Indonesien wird derzeit gewarnt.“