27. Oktober 2024, 14:53 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Vor der Küste von Südafrika bis hinein nach Namibia erstreckt sich unter Wasser eines der einzigartigsten Ökosysteme unseres Planeten. Sogenannte Kelpwälder, bestehend aus mehreren Arten von Braunalgen, sind nicht nur Lebensraum für unzählige mitunter bedrohte Arten, sondern als gigantischer CO2-Speicher für unsere Erde genauso wichtig wie die großen Regenwälder. Trotzdem sind die fragilen Habitate weltweit mittlerweile teils stark gefährdet.
Vor der Küste Südafrikas liegt eines der größten, und doch nahezu unbekannten Naturwunder unseres Planeten. Ein 1000 Kilometer langes Ökosystem, das Lebens- und Schutzraum für unzählige Arten ist, und sich bis nach Namibia erstreckt. Ein Habitat, das der Mensch bereits seit zehntausenden von Jahren kennt, und über das dennoch nur wenig bekannt ist. Kelpwälder sind einzigartige Unterwasserwelten, und ganz wie ihre Pendants an Land haben sie für unseren Planeten wichtige Schutzfunktionen, filtern zum Beispiel Unmengen von CO2. Umso alarmierender ist es, dass rund um den Globus diese Refugien teilweise stark bedroht sind.
Der Begriff Kelpwälder beschreibt laut der Fachzeitschrift „Nature“ ein Ökosystem, das aus Algen besteht, insbesondere aus Braunalgen. Sie bilden, ähnlich wie in einem Wald an Land, komplexe vertikale Strukturen. Um zu entstehen, brauchen diese Lebensräume nährstoffreiches kaltes Wasser, oft siedeln sie sich an felsigen Küsten an. Der Artenreichtum, den ein solcher Kelpwald beherbergen kann, ist schlicht atemberaubend. So können hier mehrere hundert Spezies an Fischen vorkommen, Krustentiere, Oktopusse und auch Säugetiere wie der Seeotter. Durch Fotosynthese binden die Unterwasser-Wälder zudem Kohlendioxid in gewaltigen Mengen.
Einfluss auf menschliche Evolution
So viel CO2 wie der Amazonas-Regenwald speichern die Kelpwälder vor Südafrikas Küste. Damit sind sie für das weltweite Klima ein unschätzbar wichtiger Faktor. Doch nicht nur das: Indem sie die Energie dämpfen, mit der Wellen auf Land treffen, tragen sie erheblich zum weltweiten Küstenschutz bei. „Science Direct“ zufolge nutzt auch der Mensch bereits seit mindestens 10.000 Jahren diesen einzigartigen Lebensraum, der sich bevorzugt in flacherem Wasser entfaltet. Viele Tiere, die dort leben, standen nachweislich bereits vor bis zu 70.000 Jahren auf dem Speiseplan einiger früher Jäger-Kulturen.
Es wird sogar angenommen, dass dadurch die Kelpwälder vor Südafrika einen signifikanten Beitrag zur menschlichen Evolution leisteten. Die Erweiterung des „Speiseplans“ um Fisch und Meerestiere könne laut Wissenschaftlern demnach entscheidend zur anatomischen Spezifikation von Homo Sapiens beigetragen haben. Doch in unserer modernen Zeit sind die Kelpwälder weltweit leider nicht mehr nur einzigartige Ökosysteme, sondern auch Wirtschafträume mit erheblichem Wert. So schätzt „Science Direct“ den monetären Profit, der aus dem Habitat vor Südafrikas Küste geschlagen wird, auf unglaubliche 434 Millionen Dollar jährlich.
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Die stille Katastrophe
40 Prozent davon mache alleine der Ökotourismus aus, denn die Kelpwälder mit ihrem Artenreichtum sind längst beliebte Spots für Taucher geworden. Auch unter Sportanglern sind sie genau deswegen eine gefragte Destination. Legale und illegale Fischerei sei ebenfalls ein Faktor, der die Kelpwälder beeinflusst und weltweit teilweise auch immer stärker beeinträchtigt. Dem „Sea Change Project“ zufolge geht es dem Ökosystem vor Südafrika dabei aber immer noch vergleichsweise gut. Andere Unterwasser-Wälder hingegen, zum Beispiel vor der Küste Australiens und Nordamerikas, sind mittlerweile drastisch zurückgegangen. Auch entlang der gesamten europäischen Küste bis hoch ins Nordpolarmeer sind die einzigartigen Lebensräume teils auf dem Rückzug.
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Schuld daran ist nicht nur der Klimawandel, sondern unter anderem auch die Verschmutzung unserer Meere mit immer mehr Plastikmüll. Die Kelpwälder vor Südafrika leiden aber auch darunter, dass immer wieder chemische Abfälle in den Ozean gelangen. Nicht zuletzt ist es auch die gezielte Überfischung einiger für die Ökosysteme wichtiger Arten, die zu einem Rückgang in die Biodiversität geführt haben bzw. noch führen können. Die zunehmende Versauerung des Meerwassers und seine stetig steigenden Temperaturen tragen zu dieser weltweit kaum bemerkten Katastrophe ihr Übriges bei.
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Weltweites Sterben
Denn während alle Welt sich um den Regenwald, insbesondere den Amazonas, Sorgen macht, läuft das Sterben unter Wasser still ab. Dabei rühmte bereits der legendäre Forscher Charles Darwin die Kelpwälder in seinen Tagebüchern 1834 als einzigartige und wichtige Lebensräume. Größere Aufmerksamkeit erhielt das Ökosystem vor Südafrika 2020 als Schauplatz der Netflix-Dokumentation „Mein Lehrer, der Krake (My Octopus Teacher)“. Um noch mehr Bewusstsein für die Wichtigkeit dieses Habitats zu schaffen, hat das „Sea Change Project“ es „Der Große afrikanische Meereswald“ getauft.
In den vergangenen Jahrzehnten haben 38 Prozent aller weltweiten Kelpwälder demnach einen teils drastischen Rückgang erlitten. Anderen, wie dem Unterwasserwunder vor Südafrika, geht es aktuell noch gut. Pro Jahr geht der weltweite Bestand laut aktuellen Schätzungen aber um zwei Prozent zurück. Schätzungsweise ein Drittel der weltweiten Küstenlinien sind Heimat für diese einzigartigen und schützenswerten Ökosysteme. Noch.