16. März 2023, 14:28 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Der Shanay-timpishka in Peru ist ein weltweit einzigartiger Fluss – sein Wasser ist an manchen Stellen fast 100 Grad heiß. Alles was hier hinein fällt, stirbt innerhalb von Sekunden. Dennoch hat sich hier in den vergangenen Jahren ein einzigartiges Ökosystem entwickelt. Und das ist ausgerechnet einer Ölbohrgesellschaft zu verdanken.
Die Geschichte vom Shanay-timpishka klingt ein bisschen wie ein Märchen. Denn das ist ein Fluss in Peru, dessen Wasser an manchen Stellen teilweise fast 100 Grad heiß ist. Und der lange als nichts weiter als eine Legende galt. Bis ein junger Mann auszog, um den kochenden Fluss zu entdecken. Und bewies, dass er tatsächlich existiert. TRAVELBOOK erzählt die Geschichte von der Entdeckung vom fast kochenden Fluss in Peru.
Andrés Ruzo ist laut „National Geographic“ noch ein kleiner Junge, als er das erste Mal von seinem peruanischen Großvater die Geschichte des Shanay-timpishka hört. Jahre später behauptet auch seine Tante, den Fluss schon einmal selbst gesehen zu haben. Ruzo vergisst die Geschichte jedoch wieder, bis er sein Studium der Geophysik in Texas beginnt. Doch während er für seine Doktorarbeit eine detaillierte Karte von Perus geothermalen Energieströmungen anlegt, stößt er auf etwas Unerwartetes. Heiße Quellen, mitten im Amazonasgebiet.
Ein Märchen wird Wirklichkeit
Als Ruzo Kollegen daraufhin vom Shanay-timpishka erzählt, glaubt ihm niemand. Einer seiner Professoren sagt ihm sogar, er solle aufhören, solchen Blödsinn zu erzählen. Doch Ruzo bricht 2011 trotzdem nach Peru auf, gelangt von der Stadt Pucallpa auf einer beschwerlichen mehrstündigen Reise in den dichten Dschungel des Amazonas. Und dort wird er tatsächlich fündig, entdeckt den fast kochenden Fluss in Peru.
Ruzo untersucht ihn eingehend, findet heraus, dass er an seiner heißesten Stelle 94 Grad warmes Wasser führt. Genug, um alles, was hineinfällt, sofort zu töten. Laut dem britischen „Telegraph“ würde nur eine halbe Sekunde genügen, um sich hier Verbrennungen dritten Grades zuzuziehen. Ruzo fragt sich nun, woher der nur neun Kilometer lange Fluss seine tödliche Energie bezieht.
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Warum führt der Fluss heißes Wasser?
Eine Theorie, die Erwärmung durch Vulkanismus, scheidet schnell aus, denn der nächste Feuerkegel ist etwa 700 Kilometer entfernt. Zu weit, um im Shanay-timpishka für derart hohe Temperaturen zu sorgen. Und obwohl ganz in der Nähe eine große Ölfirma operiert, erscheint auch ein Unfall auf dem Ölfeld als Ursache unwahrscheinlich – denn bereits Ruzos Großvater kannte ja die Legende des heißen Flusses, die auf die spanischen Eroberer zurückgeht.
Untersuchungen belegen schließlich die wahre Ursache für die enorme Wärme des Shanay-timpishka. Das heiße Wasser kommt tatsächlich aus Spalten tief aus dem Inneren der Erde, wo bekanntlich extreme Temperaturen herrschen. Den zwei indigenen Gemeinden, die an den Ufern des Flusses leben, ist er heilig. Übersetzt aus ihrer Sprache bedeutet Shanay-timpishka soviel wie „Der mit der Hitze der Sonne kocht“.
Schutz von unerwarteter Seite
Ihrem Glauben nach ist der Fluss ein Ort mächtiger Geister, dem sich nur Schamanen gefahrlos nähern können. Der Stamm der Mayantuyacu ist nach einer solchen Gestalt benannt, die dem Glauben nach den Kopf eines Frosches und den Körper einer Eidechse hat. Und so unglaublich es klingt, gerade um diesen kochenden Fluss ist in den vergangenen Jahren ein einzigartiges biologisches Habitat entstanden. Der Grund dafür ist allerdings traurig.
Denn wie überall wird auch rund um den Shanay-timpishka immer mehr Amazonas-Regenwald gerodet. Sei es für die Holzwirtschaft oder um Platz für Weideflächen zu schaffen. Nicht selten sind es Einheimische selbst, die Brände legen und für Zerstörung sorgen. Ausgerechnet Ölfirmen, die in der Gegend um den Fluss operieren, schützen aber den Dschungel – nicht auszudenken, was passierte, würde ein illegales Feuer eine ihrer Öl- oder Gasleitungen beschädigen.
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Kampf um die Zukunft
Und so ist laut Ruzo der Dschungel rund um den Shanay-timpishka mittlerweile der besterhaltene in der gesamten Region. Tiere, die von anderswo vertrieben wurden, haben sich hier angesiedelt. Für den dauerhaften Schutz des Flusses und seine Anerkennung als Nationales Naturerbe setzt sich Ruzo mit seinem „Boiling River Project“ ein.
Zur Erhaltung des Lebensraums rund um den kochenden Fluss von Peru könnte auch beitragen, dass seit seiner Entdeckung ein zarter Tourismus in der Gegend entstanden ist. Die indigenen Gemeinden der Santuario Huistin und Mayantuyacu nehmen Besucher bei sich auf. Wer den Shanay-timpishka besuchen möchte, sollte sich an sie wenden, denn keiner kennt den Fluss und seine Gefahren so gut. Und auch wenn man Perus kochenden Fluss einmal mit eigenen Augen gesehen hat – er wird wohl immer märchenhaft bleiben.