28. August 2023, 5:37 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Der Weltwald Harz bei Bad Grund ist viel mehr als nur ein gewöhnliches Arboretum. Denn wie der Name schon nahelegt, wachsen in dem einzigartigen Naturpark mehrere hundert Arten von Bäumen und Pflanzen aus aller Welt. Und das schon seit beinahe 50 Jahren. TRAVELBOOK sprach mit dem Revierförster Jan-Ole Kropla über seinen Job, die besten Zeiten für einen Besuch und wie ein Orkan dabei half, den ungewöhnlichen Ort überhaupt erst zu etablieren.
Wen es auf Reisen in den kleinen Ort Bad Grund in Niedersachsen verschlägt, der dürfte sich mitunter verwundert die Augen reiben. Statt des gewohnten Waldbildes kann es hier passieren, dass einem auf Schritt und Tritt Mammutbäume und andere Pflanzen begegnen, die in Deutschland eigentlich gar nicht heimisch sind. Und nicht nur die Riesen aus Kalifornien, sondern auch insgesamt mehrere hundert andere Arten gibt es im Weltwald Harz zu bestaunen. Dieser besteht bereits seit 1975 – was auch einer verheerenden Naturkatastrophe zu verdanken ist.
Der Weltwald Harz beherbergt rund 600 Arten
„Wir haben hier so eine Art Freilichtmuseum für Bäume“, sagt Jan-Ole Kropla, der seit 2020 als Revierförster im Weltwald Harz arbeitet, zu TRAVELBOOK. „Das Besondere ist, dass wir sie genauso gepflanzt haben, wie sie in ihrem natürlichen Lebensraum auch vorkommen.“ Es gibt Bäume und Pflanzen aus Nord- und Südamerika, Europa und Asien. „Keine aus subtropischen und tropischen Gebieten“, erklärt Kropla. „Bei uns herrschen mitunter im Winter noch manchmal bis zu minus 20 Grad Celsius, die würden dann eingehen.“ Insgesamt gibt es laut dem Förster, der das mehr als 1000 Hektar große Revier Grund/Weltwald Harz bewirtschaftet, in „seinem“ Reich aktuell etwa 600 Arten.
Der Weltwald Harz macht von dieser Fläche gerade einmal 65 Hektar aus, und ist doch sehr pflegeintensiv. Ständig muss beschnitten, gemäht, nachgepflanzt werden. Alles, damit die Besucher auf insgesamt 14 Kilometern und verschiedenen Wegen die Pflanzen von vier Kontinenten in ihrem natürlichen Habitat bestaunen können. Regionen wie die Rocky Mountains, die nordamerikanische Pazifikküste, aber auch der Himalaya sind hier so originalgetreu wie möglich abgebildet. Neben den bereits erwähnten Mammutbäumen gibt es unter anderem Tulpenbäume, Hickory, Schwarznuss und Zuckerahorn zu sehen.
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Ein Jahrhundert-Orkan gab den Anstoß für die Entstehung
Laut Kropla wurde der Weltwald Harz 1975 sowohl zu Forschungszwecken als auch als Touristenattraktion angelegt. „Bereits seit 1971 gab es Planungen für das Gebiet“, so Kropla zu TRAVELBOOK. Was dann aber den endgültigen Ausschlag für die Anlegung des Arboretum gegeben habe, sei eine Naturkatastrophe gewesen. So fegte am 13. November 1972 der später als Jahrhundert-Orkan bezeichnete Sturm Quimburga über den Harz hinweg und entwurzelte auf einer Fläche von 20 Hektar sämtliche Fichten. „Die entstandenen Kahlflächen hat man dann genutzt, um die ersten Pflanzungen durchzuführen.“
Dies sei die Initialzündung für den Weltwald Harz gewesen, im Laufe der Jahre kamen dann immer mehr Arten dazu. Ideal sei nach wie vor die Lage des Gebietes auf 200 bis 400 Höhenmetern. „Jede Baumart hat zudem unterschiedliche Ansprüche an Bodenverhältnisse und Licht, das muss man beachten.“ Das Highlight – vor allem für kleine Besucher – sei der knapp zwei Kilometer lange Erlebnispfad, für den man durchaus zwei Stunden brauchen könnte, weil es so viel zu sehen gibt. „Da geht es stramm auf und ab, zudem über eine Hängebrücke und vorbei an verschiedenen Aussichtspunkten.“ Einer der Wege ist aber auch barrierefrei.
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Baumblüte und Indian Summer
Besucher-Highlights im Weltwald Harz seien laut Förster Kropla einerseits die Baumblüten im Frühjahr, für die es unter anderem sogar den „Japanischen Blütenweg“ gibt. Zum anderen dann der Indian Summer im Herbst, bei dem der Wald sich in ein buntes Farbenmeer verwandelt. Kropla gibt auch Führungen für Studierende und Fachgruppen durch den Weltwald Harz. „Man erweitert hier stetig sprichwörtlich den eigenen Horizont. Da lerne ich dann auch immer noch viel dazu. Nicht nur über die Bäume, sondern auch über die Regionen, in denen sie ursprünglich wachsen.“ Wer sich nicht so gut auskennt, der kann sich dank mehrerer hundert Informationstafeln im Wald neues Wissen aneignen.
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Kostenloser Eintritt und keine Schließzeiten
Wer nun denkt, eine solche Attraktion wie der Weltwald Harz verlange Eintritt, darf sich freuen: Das Arboretum ist jederzeit frei für alle zugänglich, Eintrittspreise oder Schließzeiten gibt es nicht. Denn der Wald ist kein in sich abgeschlossener Komplex, sondern gehört zu Kroplas ganz normalem Revier. Nur ist er eben etwas vielseitiger. Und weitere Habitate sind bereits im Entstehen, um den Besuchern immer etwas Neues bieten zu können. In Entstehung ist zum Beispiel ein Douglasien-Pfad. Der Nadelbaum, der in der Forstwirtschaft eine wichtige Rolle spielt, ist in Deutschland nicht heimisch, aber seit etwa 140 Jahren präsent. Finanziert wird der Naturschatz übrigens von den Landesforsten Niedersachsen, bei denen Kropla auch angestellt ist.
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„Ich habe mich damals schriftlich beworben, als der alte Revierförster in den Ruhestand ging. Ein Einstellungsgespräch hat es gar nicht gegeben, und nach ein paar Monaten kam dann die Zusage.“ Da der Wald für alle offen stehe, gebe es auch keine Messungen der Besucherzahlen. Aber im Sommer und besonders an Wochenenden könne es hier auch schon einmal voller werden. „Im Winter ist dann die Zeit der Ruhe, da kann man auch mal das Alleinsein im Wald genießen.“ Kommerziell genutzt wird der Weltwald Harz übrigens nicht. „Nur selten verkaufen wir mal besonderes Holz an Tischlereien, wenn wir etwas fällen müssen.“
Dass im Weltwald Harz die Natur das Wichtigste ist, merkt man auch an einem anderen Umstand. Wer hierher kommt, muss sich seine Verpflegung selbst mitbringen. Gastronomische Einrichtungen oder gar Souvenir-Läden sucht man hier vergeblich. „Wir haben aber viele schöne Orte im Wald, an denen man herrlich picknicken kann“, so Kropla zu TRAVELBOOK. Und dabei kann man entspannt einen der unbekannten deutschen Naturschätze genießen: einen Wald, in dem sich die ganze Welt der Pflanzen trifft.