23. Mai 2023, 15:00 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die Erde wird immer wärmer – das ist Fakt. Lediglich die Höhe der Erwärmung bis zum Ende dieses Jahrhunderts ist noch unklar. Forscher haben nun errechnet, welche Folgen ein Temperaturanstieg von 2,7 Grad Celsius konkret auf die Bevölkerung weltweit hätte. Demnach würden diverse Regionen quasi unbewohnbar werden.
Der Mensch ist so anpassungsfähig, wie kaum ein anderes Lebewesen auf der Erde. Er hat es geschafft, sich selbst in den scheinbar unwirtlichsten Umgebungen niederzulassen. So leben Menschen etwa in Hochgebirgen, in der Arktis und in der Wüste. Doch schaut man auf die globale Verteilung der Bevölkerung, also konkret dahin, wo die meisten Menschen leben, so ergibt sich ein Schema. Am häufigsten siedeln Menschen in Zonen mit einem gemäßigten Klima – dort, wo es wenige extrem kalte oder extrem warme Tage gibt. Das ist die sogenannte „humane climate niche“, also die „menschlichen Klimanische“. Hier sind Menschen laut Wissenschaftlern am produktivsten, gesündesten und weniger anfällig für Konflikte. Auch viele Lebensmittel, die Menschen anbauen, sind auf dieses Klima ausgerichtet. Doch nun zeigt eine Studie: Bis 2100 könnten diverse Regionen der Erde außerhalb dieser Nische sein – also eigentlich unbewohnbar für den Menschen.
Das haben Forscher der britischen Universität Exeter, der Universität Nanjing in China und der Universität Wageningen in den Niederlanden herausgefunden. In der im Wissenschaftsmagazin „Nature Sustainabilty“ publizierten Studie schreiben sie, dass bis zum Ende des Jahrhunderts, also etwa 2080 bis 2100, bei der derzeitigen Politik mit einer globalen Erwärmung von etwa 2,7 Grad Celsius zu rechnen sei. Das führe dazu, dass „ein Drittel (22-39 Prozent) der Menschen nicht mehr in der Nische leben“.
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Welche Regionen der Erde könnten bis 2100 unbewohnbar sein?
Menschen, die außerhalb dieser Nische leben, könnten Probleme mit Zugang zu Süßwasser haben und eine geringe Ernährungssicherheit, weil sich viele Erntepflanzen und Nutztiere ebenfalls in unserer „menschlichen Nische“ befinden. Hohe Temperaturen führen zudem „zur Ausbreitung wichtiger Pflanzenschädlinge und Krankheitserreger“, so die Studienautoren. Bei Menschen führen extrem hohen Temperaturen zudem nachweislich zu einer höheren Sterblichkeit.
Käme es zu einer von den Wissenschaftlern erwarteten Erwärmung von 2,7 Grad Celsius, würde ein Drittel der dann lebenden Menschen sich innerhalb dieser eigentlich unbewohnbaren Zonen befinden. Zu diesen Orten zählen vor allem Regionen, die schon jetzt oft extreme Temperaturen haben.
Dazu zählen in Asien große Teile der südlichen arabischen Halbinsel, darunter Saudi-Arabien, der Oman und der Jemen, große Teile von Indien, sowie Teile von Myanmar, Thailand, Vietnam, Malaysia, Indonesien und den Philippinen. In Afrika ist vor allem die Sahelzone, also Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und der Tschad, betroffen, aber auch Teile von Kenia und Somalia.
In Südamerika befänden sich große Teile von Brasilien außerhalb der menschlichen Klimazone. Hier wären zudem auch Regionen in Kolumbien, Venezuela, Guyana und Suriname betroffen. Vereinzelt träfe es auch Regionen in Mittelamerika, etwa in Guatemala und Nicaragua, sowie im Süden Mexikos. Auch der Nordwesten Australiens wäre den Berechnungen zufolge im Jahr 2100 einer der Orte der Erde, der eigentlich unbewohnbar wäre. Doch was genau heißt „unbewohnbar“?
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Heißt es, dass an diesen Orten wirklich keine Menschen mehr leben?
Tatsächlich besagt die Studie nicht, dass in diesen Regionen gar keine Menschen mehr leben. Im Gegenteil: Die Forscher prognostizieren, dass hier besonders viele Menschen weiterhin wohnhaft sein werden. Der Grund ist, dass in diesen Regionen mehr Kinder geboren werden und die Familien größer sind. Zudem leben, wie bereits erwähnt, schon jetzt Menschen außerhalb der Nische. Dazu heißt es in der Studie: „Der Mensch hat sich physiologisch und kulturell an ein breites Spektrum lokaler Klimazonen angepasst.“ Dennoch zeige sich aber eine „primäre Spitze der Bevölkerungsdichte“ aus den oben genannten Gründen in der menschlichen Klimanische.
Auch ist unklar, wie sich zukünftige technologische Entwicklungen auf die betroffenen Regionen auswirken. So ist es bereits jetzt so, dass durch entsprechende Anpassungen, etwa durch Klimaanlagen, viele Menschen in extrem heißen Regionen leben können – etwa in Dubai. Allerdings stehen diese Hilfsmittel meist nur wohlhabenden Menschen zur Verfügung. Ein Großteil der betroffenen Bevölkerung außerhalb der menschlichen Klimazone wird den Forschern zufolge aber mutmaßlich nicht über die entsprechenden Mittel verfügen. Deshalb resümieren sie, dass „der technologische Fortschritt nur ein begrenztes Potenzial hat, die menschliche Klimanische in Zukunft zu erweitern.“
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Wie wahrscheinlich ist das von den Forschern entworfene Szenario?
Das ist allein deshalb schon tragisch, da das von den Forschern entworfene Szenario ziemlich realistisch ist. So wurde zwar von den Forschern auch berechnet, welche Regionen der Erde im Jahr 2100 unbewohnbar wären, wenn es nur zu einer Erwärmung von 1,5 Grad Celsius kommen würde (siehe oben). Dann würden statt einem Drittel der Menschen weltweit nur noch ein Fünftel in eigentlich unbewohnbaren Zonen leben. Doch es ist sehr unwahrscheinlich, dass es zu einem so geringen Temperaturanstieg kommt. Einer anderen Studie aus dem Jahr 2021 zufolge ist es sogar nahezu unmöglich, die Erwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen.
Dennoch hoffen die Studienautoren, mit ihren Erkenntnissen auf die Dramatik der Situation aufmerksam zu machen, denn nach aktuellem Stand würde vor allem die Bevölkerung in armen Ländern leiden. So schreiben sie: „Diese Ergebnisse machen deutlich, dass entschiedenere politische Maßnahmen erforderlich sind, um die menschlichen Kosten und Ungerechtigkeiten des Klimawandels zu begrenzen.“