15. September 2023, 13:19 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Experten versuchen seit jeher, Haie von ihrem Ruf als blutrünstige Killer der Meere zu befreien. Tatsächlich gilt das Tier eher als neugierig und der Mensch steht nicht auf seinem natürlichen Speiseplan. Und doch kommt es in äußerst seltenen Fällen zu blutigen oder gar tödlichen Attacken. TRAVELBOOK zeigt, wo die meisten solcher Vorfälle passieren und hat mit Experten gesprochen, wie man bei einem Haiangriff am klügsten reagiert oder es bestenfalls gar nicht erst dazu kommen lässt.
Erst am vergangenen Mittwoch, dem 13. September 2023, wurde am Roten Meer in Ägypten eine Frau von einem Hai angegriffen und verlor dadurch ihren linken Arm. Leider kein Einzelfall, denn immer wieder kommt es zu tragischen Unfällen mit Haien. Die USA sind das Land mit den bislang weltweit am meisten dokumentierten Haiangriffen auf Menschen. Dabei mag die in der obigen Karte erwähnte Zahl von 1604 dokumentierten Fällen auf den ersten Blick viel erscheinen. Tatsächlich gehen die Daten der International Shark Attack File (ISAF), auf denen die Karte basiert, bis ins Jahr 1580 zurück. Das bedeutet, dass es in den USA in den vergangenen rund 440 Jahren im Schnitt zu gerade mal 0,28 Haiangriffen pro Jahr gekommen ist. Die Deutsche Hai-Stiftung spricht übrigens in diesem Zusammenhang explizit nicht von Angriffen oder Attacken, sondern von Hai-Unfällen, da Mensch nicht zu den Beutetieren der Raubfische gehört und in den meisten Fällen in deren Lebensraum eindringt.
Wie auch immer man es bezeichnen mag: Fakt ist, dass blutig endende Begegnungen zwischen Mensch und Hai wie etwa am vergangenen Mittwoch (13. September) im Roten Meer in Ägypten, wo eine Frau durch einen Hai-Angriff ihren linken Arm verlor, extrem selten vorkommen. So wurden im gesamten Jahr 2022 laut „Statista“ weltweit insgesamt 57 Haiangriffe auf Menschen gezählt – fünf davon waren tödlich. Haiexperte Dr. Philipp Kanstinger von „WWF Deutschland“ sagt hierzu auf Nachfrage von TRAVELBOOK: „Es sterben mehr Menschen durch Sektkorken als durch Haie“. Und doch schwimmt bei vielen Urlaubern die Angst mit.
Was man im seltenen Fall eines Haiangriffs tun kann, wie sinnvoll der Tipp ist, auf Parfüm zu verzichten, und wie man eine Attacke bestmöglich vermeidet – TRAVELBOOK verrät die wichtigsten (Überlebens-)Tipps von Experten der International Shark Attack File (ISAF), der Hai-Forschungsstelle der Universität von Florida und von Philipp Kanstinger.
Übersicht
- Hai-Attacken vermeiden
- Kein Parfüm beim Baden tragen?
- Nicht in Risiko-Zonen baden
- Nicht allein ins Wasser, schon gar nicht nachts
- Verzichten Sie auf Schmuck
- Ohne Hunde ins Wasser und nicht zappeln
- Schwimmen Sie nicht zu weit raus
- Seien Sie aufmerksam
- Hören Sie auf Ihren Instinkt!
- Bleiben Sie ruhig!
- Halten Sie Augenkontakt
- Führen Sie den Hai an der Nase herum
- Was tun bei einer Hai-Attacke?
Hai-Attacken vermeiden
Kein Parfüm beim Baden tragen?
Nach zwei tödlichen Haiangriffen im Roten Meer im Jahr 2022 hatten ägyptische Behörden laut dem Online-Portals „Nau.ch“ Tipps zur Vermeidung derartiger Attacken gegeben. Einer davon lautet, beim Baden und Schwimmen auf Parfüm zu verzichten. „Schwachsinn!“, meint Haiexperte Philipp Kanstinger. „Daran läge es mit Sicherheit nicht, ob ein Hai angreift oder nicht.“
Wichtig sei es vor allem, „auf die Locals zu hören, in den für Haiangriffe bekannten Regionen die Warnschilder zu beachten und Haie niemals zu provozieren“.
Nicht in Risiko-Zonen baden
Trübe Gewässer sollten Sie meiden, da sowohl die Haie als auch Sie wenig Orientierung haben. Unfälle kommen hier häufiger, trotzdem noch immer extrem selten, vor. Dasselbe gilt für Flussmündungen, Sandbänke, Hafenbereiche, Steilufer und andere Orte, an denen es von Beutetieren für Haie wimmelt. Auch an Stellen, an denen essbare Abfälle ins Meer geleitet werden, gibt es eine erhöhte Gefahr. Ebenso sollten Sie nicht in der Nähe von Sportfischern ins Wasser gehen. Hier werden Haie vom Fang und den zappelnden Fischen angelockt.
Nicht allein ins Wasser, schon gar nicht nachts
Gehen Sie nicht alleine in Wasser, Haiangriffe auf Gruppen sind seltener. Nachts oder in der Dämmerung sollten Sie Haifisch-Gewässer meiden.
Verzichten Sie auf Schmuck
Auch etwa kontrastreiche Badekleidung und glänzender Schmuck können die Gefahr eines Angriffs erhöhen, möglicherweise wegen der Verwechslung mit Fischen.
Ohne Hunde ins Wasser und nicht zappeln
Vom Schwimmen mit Hunden und Pferden raten Experten ebenfalls ab, da deren Bewegungen Haie anziehen. Aus demselben Grund sollten sich auch Menschen nicht zappelnd in Hai-Gewässern bewegen.
Schwimmen Sie nicht zu weit raus
Wenn Sie sich zu weit vom Strand entfernen, ist im Falle des Falls keine Hilfe in Sicht und der Weg aus dem Wasser sehr lang.
Seien Sie aufmerksam
Beobachten Sie Ihre Umgebung: Wenn Fische oder Meeresschildkröten flüchten, kann dies ein Zeichen für Raubfische sein. Ziehen Sie sich vorsichtig zurück.
Dasselbe gilt, wenn Sie ein großes Aufkommen fischender Seevögel oder viele Delfine sehen: Sie sind ein Hinweis auf Beute-Fischschwärme, die auch Haie anziehen. Solche Bereiche sollten Sie meiden.
Hören Sie auf Ihren Instinkt!
Wenn Sie sich unwohl fühlen, auch scheinbar ohne Grund: Hören Sie auf Ihr Gefühl und verlassen Sie das Wasser. Ihr Instinkt kann Sie vor Gefahren warnen. Das sagen sogar die ganz und gar nicht esotherischen Wissenschaftler vom Haiforschungsinstitut.
Bleiben Sie ruhig!
Wenn Sie einem Hai begegnen: Bleiben Sie zunächst ruhig, auch wenn es schwerfällt! Oft ist der Fisch nur neugierig oder zufällig dort – immerhin befinden Sie sich in seinem natürlichen Lebensraum, quasi in seinem Wohnzimmer. Vorschnelle Verteidigungsversuche könnten eine an sich harmlose Situation in ein Horrorszenario verwandeln. Als Faustregel empfiehlt Philipp Kanstinger: „Sind Haie mehr als 1,50 Meter entfernt, greifen sie in 99,999 Prozent der Fälle nicht an.“ Denn der Mensch gehört nicht auf den Speiseplan, erklärt Kanstinger: „Der Hai erkennt Menschen, also Landlebewesen gar nicht als Beute. Im Gegensatz zu den marinen Säugern haben Menschen zu wenig Fettgehalt und zählen daher nicht zum über 400 Millionen Jahre geschärften Beutespektrum der hoch spezialisierten Räuber.“
Aufmerksam, aber ruhig und entspannt sein: Mit dieser Einstellung sind Sie am sichersten, darin sind sich die Experten einig. Falls Sie trotzdem im Wasser plötzlich Panik bekommen, rufen Sie sich in Erinnerung, dass Haiangriffe wirklich extrem selten sind.
2015 kamen laut CNN weltweit sechs Menschen bei Hai-Attacken ums Leben. Das sind viel weniger als jährlich durch Hundebisse oder Blitzeinschläge getötet werden, wie Statistiken gezeigt haben.
Halten Sie Augenkontakt
Sie sollten aber dennoch dem Hai auf keinen Fall den Rücken zuwenden, damit er sie nicht umkreisen und von hinten überraschen kann. Richten Sie sich mit Ihrem Schorchel- oder Tauchpartner Rücken an Rücken aus, um alles im Auge zu behalten. Achten Sie unbedingt darauf, dass Sie dem Hai nicht den Weg ins offene Meer versperren, damit er sich nicht bedrängt fühlt. Auch wenn Sie allein von einem Hai überrascht werden, empfiehlt Philipp Kanstinger, Augenkontakt zu halten und langsam ans Ufer zu schwimmen.
Führen Sie den Hai an der Nase herum
Kommt der Hai wirklich zu nah, rät Kanstinger, die Nase des Hais nach unten zu drücken und ihn „umzulenken.“
Aber was tun, wenn der Hai nicht weiter zieht, vielleicht sogar aggressiv erscheint? Sich tot zu stellen ist keine gute Idee, sagen Experten. Auch panische Fluchtversuche seien gefährlich, da sie den Hai zusätzlich verwirren und Angriffe provozieren könnten.
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Was tun bei einer Hai-Attacke?
Zeigen Sie, dass Sie keine Beute sind!
Obwohl der Mensch nicht zu den Beutetieren der Raubfische gehört, kommt es in seltenen Situationen zu einem Angriff, der in der Regel ein neugieriger Test, eine Verteidigungsreaktion oder ein Missverständnis ist. Zu den für den Menschen gefährlichsten Haiarten zählen laut Philipp Kanstinger Tigerhaie, Bullenhaie im trüben Wasser und Weiße Haie, die vor allem für Surfer eine Gefahr darstellen.
Wenn es brenzlich wird: Wenden Sie sich dem Tier zu, schreien Sie es an und wehren Sie sich. Zeigen Sie ihm, wen er vor sich hat! Panische Fluchtbewegungen hingegen könnten den Hai in dem Irrtum bestärken, eins seiner Lieblingsbeutetiere erwischt zu haben – und er ist auf jeden Fall schneller als Sie.
Wehren Sie sich – aber richtig!
Wenn der Hai trotzdem angreift und Sie wirklich keine Wahl mehr haben, als zu kämpfen, empfehlen Experten folgendes: Wehren Sie sich möglichst mit Hilfe von Gegenständen, wie zum Beispiel Ihrer Kamera oder dem Surfbrett.
Nur wenn Sie nichts bei sich haben, sollten Sie Ihre Hände benutzen. Faustschläge oder Krallengriffe sind am effektivsten an empfindlichen Stellen wie Augen oder Kiemen.
Stoppen Sie Blutungen!
Spätestens beim Zubeißen bemerkt der Hai, dass er kein Beutetier erwischt hat, und lässt in der Regel vom Opfer ab – daher werden diese Angriffe auch Test- oder Fehlbisse genannt, die für den Menschen dennoch extrem gefährlich sind. Nicht aber der Biss selbst, sondern die Folgen wie etwa ein Schock oder Kreislaufversagen sind meistens die Todesursache bei fatalen Haiattacken.
Auch der Blutverlust ist eine große Gefahr. Wenn Sie einen Neoprenanzug tragen: Ziehen Sie ihn nicht aus, außer wenn sich stark blutende Verletzungen sonst nicht abbinden lassen. Denn der Neoprenanzug kann wie ein rettender Druckverband wirken. Blutungen sollten Sie sofort stoppen, auch wenn Sie noch im Wasser sind.
Raus aus dem Wasser – schnell, aber ruhig!
Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass der Hai seinen „Fehlbiss“ wiederholt, sollten Sie das Wasser sicherheitshalber trotzdem sofort verlassen, allein schon, um medizinische Hilfe zu suchen. Dabei sollten Sie sich so effektiv, schnell und trotzdem so ruhig wie möglich entfernen, denn Hektik könnte unter Umständen doch noch einen erneuten Angriff provozieren.
Auch wenn Sie keinen Schmerz spüren, sollten Sie zurück aufs Boot oder an Land gehen und nachsehen, ob Sie wirklich unversehrt sind. Denn es gab schon Berichte von Opfern, die ihre Verletzung gar nicht bemerkt haben.
Lassen Sie sich sofort ärztlich behandeln!
Experten raten, sofort vor Ort medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, egal wie klein Ihnen die Wunde erscheint.
Auch Schock und Unterkühlung können gefährlich sein. Bewegen Sie sich (beziehungsweise das Opfer, wenn Sie sich als Helfer um eine andere Person kümmern) nicht unnötig und halten Sie sich (beziehungsweise das Opfer) warm, zum Beispiel mit einer Decke.
Erste Hilfe für alle Fälle
Außerdem raten Experten zu regelmäßigen Erste-Hilfe-Kursen: „Viele Todesfälle hätten verhindert werden können, wenn Arterienblutungen rechtzeitig erkannt worden und bis zum Eintreffen der Rettungskräfte die richtigen Erste-Hilfe-Maßnahmen geleistet worden wären“, mahnen die Wissenschaftler der „Shark Attack Files“.