8. August 2018, 14:54 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Trotz jahrzehntelanger, massiver Kritik von Tierschützern „boomt“ der Elefantentourismus in Thailand nach wie vor. Nach Angaben von Tierschutzorganisationen und -verbänden werden dort Tausende der Tiere für touristische Zwecke eingesetzt, und um sie für den Tourismus „nutzbar“ zu machen, werden Elefanten schon als Babys gequält. Tierschützer fordern Touristen nachdrücklich dazu auf, sämtliche Unterhaltungsangebote mit Elefanten und anderen Tieren zu boykottieren und damit auch ein klares Zeichen gegen den weiteren Fang wild lebender Elefanten zu setzen.
Auf Kommando schlagen sie Purzelbäume, kicken und tanzen, jonglieren Reifen mit den Rüsseln, malen Bilder und stapeln Baumstämme. Begleitet von lauter Musik, Blitzlichtgewittern, Gelächter und tosendem Applaus aus den Publikumsreihen. Elefantenshows sind in Thailand eine beliebte Touristenattraktion, ebenso wie das Elefantentrekking, das Baden mit Elefanten und das sogenannte Mahout-Training (Elefantentraining).
Bei den Trekkingtouren tragen die Elefanten Touristen stundenlang auf schweren Satteln durch den Dschungel, oftmals mit dicken Eisenketten an den Füßen. Sollte ein Elefant nicht spuren, gibt’s vom Mahout mit dem Elefantenhaken eins drauf. Nicht besser ergeht es den Elefanten beim Mahout-Training, bei dem Touristen oft viele Male hintereinander das Aufsitzen üben, sich dabei an den Ohren des Tieres hochziehen oder aber mit Anlauf auf den Kopf des (sitzenden) Elefanten springen. Wenn die Elefanten ihre Arbeit getan haben, dürfen sie für gewöhnlich ausruhen: meist aber nur angekettet und auf engstem Raum.
Ein so oder ähnlich qualvolles Leben führen nach Angaben der Tierrechtsorganisation PETA in Thailand derzeit rund 2.200 Elefanten, die für den Tourismus „arbeiten“. „Das sind mehr Tiere, als in allen anderen asiatischen Ländern zusammen für touristische Zwecke eingesetzt werden“, sagt Peter Höffken von PETA auf Nachfrage von TRAVELBOOK.
Die Qual beginnt im Babyalter
Die Qual der Elefanten beginne laut Höffken bereits im Babyalter. Ab einem Alter von etwa eineinhalb bis zwei Jahren erfolge das „Brechen“ der Elefantenbabys. Dabei handele es sich um „eine mehrwöchige quälerische Tortur, die schon seit Jahrhunderten in Asien in verschiedenen Ausprägungen angewandt wird, um Elefanten für menschliche Zwecke ‚nutzbar‘ zu machen. In Thailand wird dies auch als Phajaan bezeichnet“, erklärt der Tierschützer.
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Das Elefantenbaby werde dabei zunächst von der Mutter getrennt, in einen winzigen Holzkäfig gesperrt, in dem es sich kaum bewegen könne, und immer wieder geschlagen und gequält. Dabei sei das Elefantenkind mit Seilen festgezurrt. „Der Elefant wird solange misshandelt, bis er keine Gegenwehr mehr zeigt. Dann, so die Annahme der Mahouts, ist der Wille des Tieres gebrochen und es lässt in seinem restlichen Leben alles mit sich machen, weil es sich immer wieder an das Trauma und die Hilflosigkeit erinnert“ erklärt Höffken die grausame Prozedur. Auch später höre die Quälerei nicht auf. Denn der Mahout habe stets den Elefantenhaken, einen Stock mit einem spitzen Metallhaken, dabei. „Wir erhalten ständig Fotos von Thailand-Touristen, die Elefanten mit Wunden zeigen, die von dem Elefantenhaken herrühren“, berichtet Höffken.
Verhaltensstörungen bei gefangenen Elefanten
Viele Elefanten in Thailand leiden nicht nur physisch unter den Misshandlungen, sondern weisen auch Verhaltensstörungen auf, sagt Sandra Henoch von der Tier- und Naturschutzorganisation Pro Wildlife. Eine dieser Verhaltensstörungen sei zum Beispiel das sogenannte „Weben“, ein stereotypes Bewegungsmuster, bei dem der Elefant pausenlos vermeintliche Vor- und Rückwärtsschritte macht, dabei mit dem Kopf nickt und den Rüssel schwingt. „Diese Verhaltensstörung tritt nur bei Elefanten in Gefangenschaft auf“, sagt Henoch. In der Tat lässt sich in vielen Elefantencamps in Thailand das Weben häufig beobachten. Zahlreiche Touristen haben – in Unkenntnis der Sachlage – bedauerlicherweise ihren Spaß daran und finden das Verhalten der Elefanten einfach nur „lustig“.
Elefanten können jedoch alles andere lustig sein und für Menschen sogar sehr gefährlich werden. „Die Risiken sind auch für Touristen immens: Jahr für Jahr werden in Asien und Afrika zahlreiche Touristen beim Elefantentrekking getötet oder schwer verletzt, weil die ihr Leben lang misshandelten Tiere jederzeit aufbegehren und Amok laufen können“, warnt Peter Höffken von PETA. Allein in Thailand seien zwischen 2010 und 2016 mindestens 17 Menschen von Elefanten getötet und 21 schwer verletzt worden. 2017 sei ein deutscher Tourist auf der Urlaubsinsel Ko Chang („Elefanteninsel“) durch einen Elefanten ums Leben gekommen. Zudem könnten Elefanten auch Krankheiten wie Tuberkulose übertragen, warnt auch Sandra Henoch von Pro Wildlife vor Gefahren für Touristen durch Elefanten.
Elefantentourismus ist in Thailand allgegenwärtig
Elefantentourismus ist in Thailand zum Entsetzen von Tierfreunden und -schützern beinahe allgegenwärtig. Im Norden Thailands oder auch in beliebten Touristenorten und -regionen im Süden wie Krabi, Phuket oder Koh Samui gibt es meist alle paar Kilometer Elefantencamps. „Sämtliche Touristencamps sind kommerzielle Camps“, sagt Sandra Henoch von Pro Wildlife. Die Einnahmen aus Elefantenshows, Mahout-Training oder Trekkingtouren kämen lediglich den Betreibern, nicht aber den Tieren zugute.
Henochs Kollegin, Daniela Freyer, rät daher Urlaubern, sich „von dubiosen Angeboten“ fernzuhalten und – wenn sie Einrichtungen besuchen wollten – kritisch zu prüfen. Einige Zeichen für gute Einrichtungen seien laut Freyer einfach zu erkennen: keine Shows und Angebote mit hautnahem Kontakt (Reiten, Baden, Streicheln), keine Selfies mit Elefanten in Ketten. Stattdessen sollte man – wenn überhaupt – „echte Auffangstationen besuchen, die Tiere so naturgemäß wie möglich halten, keine Zucht betreiben und im besten Fall wieder auswildern“.
Tierschützer: „Die massive Quälerei muss sofort aufhören“
Da Elefanten nur durch massive Quälerei für Elefantentrekking, Baden mit Elefanten oder Shows eingesetzt werden könnten, „ist es aus ethischen Gründen selbstverständlich, dass dies sofort aufhören muss“, fordert Peter Höffken von PETA. Höffken weist außerdem darauf hin, dass die steigende Nachfrage nach Elefanten für den Tourismus in Thailand dazu führe, dass die letzten frei lebenden Tiere aus den Wäldern eingefangen würden. Dies belege, so Höffken, eine Studie der WWF/IUCN-Artenschutzorganisation TRAFFIC, die insbesondere den Schmuggel von Elefanten aus Myanmar nach Thailand untersucht habe. „Dies würde sofort enden, wenn Elefanten nicht mehr für den Tourismus genutzt werden dürfen“, ist sich Höffken sicher.
Überdies sollten „neue“ Elefanten nicht mehr ins Tourismusgeschäft nachrücken. Für existierende Tiere, die nicht ausgewildert werden könnten, „stellen Elefantenauffangstationen eine Alternative dar, in denen die Tiere ohne Ketten, ohne Elefantenhaken und ohne Show-Vorführungen in weitläufigen Gebieten weitgehend selbstbestimmt leben können“, sagt Höffken. Da wildlebende Elefanten sehr selten zu beobachten seien, würden Touristen nach Auffassung von PETA dafür zahlen, die Tiere in Auffangstationen aus einer gewissen Distanz beobachten zu können.
Am besten Nationalparks mit wilden Elefanten besuchen
Am besten sei es, wenn Touristen Nationalparks mit wilden Elefanten besuchen, sagt Susanne Gotthardt von der Natur- und Umweltschutzorganisation WWF gegenüber TRAVELBOOK. Im Kui Buri Nationalpark circa 300 Kilometer südlich von Bangkok habe man beispielsweise sehr gute Chancen, wilde Elefanten zu beobachten. „Mit ihrem Besuch im Nationalpark unterstützen Touristen durch den Eintrittspreis nicht nur aktiven Elefantenschutz, sie drücken damit auch ihre Wertschätzung für Elefantenschutz aus“, so Gotthardt. Laut WWF gebe es nach thailändischen Schätzungen noch mindestens 3.500 wilde Elefanten in Thailand. Nach Angaben unterschiedlicher Quellen sollen es um 1900 noch insgesamt 100.000 Elefanten gewesen sein und 1950 noch 50.000. Grund für den drastischen Rückgang des Bestands war in erster Linie die zunehmende Rodung der Wälder und die damit einhergehende Minimierung des Lebensraums der Elefanten.
Deutsche Reiseveranstalter setzen Zeichen gegen Elefantentourismus
Nach Aussage des Deutschen Reiseverbands (DRV) hat ein Großteil der deutschen Reiseveranstalter klare Zeichen gegen den Elefantentourismus und für mehr Tierschutz gesetzt und die Ausflugsprogramme in Thailand entsprechend verändert. „Der DRV hat sich 2016 bei der Erstellung eines Informationspapiers zu Elefanten als touristische Attraktion von Pro Wildlife beraten lassen und die Verbandsmitglieder entsprechend darüber informiert und aufgeklärt, dass Angebote mit direktem Kontakt zu den Tieren oder mit nicht artgerechten Vorführungen kritisch betrachtet werden müssen“, sagt Sprecherin Kerstin Heinen auf Nachfrage von TRAVELBOOK.
Ob die Haltung des Deutschen Reiseverbands Beispielcharakter für Reiseveranstalter in anderen Ländern der Welt hat, bleibt abzuwarten. Denn noch boomt in Thailand das Tourismus-Geschäft mit Elefanten. Ganze Busladungen mit oftmals chinesischen und japanischen Pauschaltouristen strömen in die Freiluftarenen, um die Elefantenshows anzuschauen. Ebenso zahlreiche Individualtouristen, die über lokale Tourveranstalter oder auf eigene Faust kommen, um den Elefanten bei ihrer qualvollen Arbeit zuzusehen.
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Tiershows auch mit Affen, Schlangen und Krokodilen
Ebenso tragisch wie das Schicksal der Elefanten in Thailand ist auch das von Schlangen, Krokodilen und Affen (besonders Makaken), die ebenfalls für touristische Zwecke eingesetzt werden. Bei den Affenshows werden die Makaken an straffen Leinen gehalten und müssen unter anderem Dreirad fahren, Pappgewichte heben, auf Befehl urinieren und Ball spielen. Wenn die Show vorbei ist, werden die Affen in ihre viel zu kleinen Käfige gesperrt, wo sie bis zum nächsten Auftritt ausharren müssen. Dann heißt es für sie wieder: „Manege frei!“