27. Januar 2024, 14:05 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Vor nicht einmal 15 Jahren war Tan-Awan auf der Philippinen-Insel Cebu noch ein verschlafenes Nest, in das sich kaum je ein Urlauber verirrte. Heute ist der Ort eine wahre Boomtown, die täglich von hunderten Menschen quasi überrannt wird. Sie alle wollen die riesigen Walhaie sehen oder gar mit ihnen tauchen, die die Einheimischen eigens dafür an die Küste locken. Doch während der Tourismus mit der ohnehin bedrohten Spezies das Dorf reich gemacht hat, warnen Forscher vor unabsehbaren Folgen für die Tiere.
Seit dem Jahr 2011 ist in dem kleinen Dorf Tan-Awan auf der Philippinen-Insel Cebu nichts mehr, wie es war. Der Ort selbst, früher ein verschlafenes Fischerdorf, ist nicht mehr wiederzuerkennen, seit man hier in atemberaubender Geschwindigkeit Ferienresorts und Restaurants hochgezogen hat. Dabei hätten wohl nicht einmal die Einheimischen sich den märchenhaften Aufstieg ihres Heimatortes zu einem der Touristenmagneten der asiatischen Inselwelt jemals vorstellen können. Doch dann kamen die Walhaie, und mit ihnen Scharen an Besuchern.
Wobei, Walhaie, die größten Fische der Welt, gab es vor den Gewässern vor Cebu eigentlich schon immer. Laut „The Diplomat“ kommen die Tiere hier zu Hunderten vor, wie eine lokale NGO schon 2013 bei einer Untersuchung herausfand. Die Meeresbewohner können dem WWF zufolge bis zu 20 Meter lang und mehr als 30 Tonnen schwer werden, und sind trotz ihres Namens keine Jäger. Stattdessen fressen sie bevorzugt Zooplankton, auch bekannt als Krill. Und genau diese Vorliebe hat dafür gesorgt, dass Tan-Awan zu so etwas wie der Walhai-Hauptstadt der Welt aufgestiegen ist.
Bis zu 1000 Besucher täglich
Denn 2011 entdeckten die örtlichen Fischer von Tan-Awan, dass sie die gewaltigen, aber sanftmütigen Tiere durch gezieltes Anfüttern in die flachen Wasser vor der Küste locken konnten. Eine Praxis, die sie seitdem maximal ausbeuten, denn sie können damit bis zu dem Zehnfachen ihres normalen Tageslohnes verdienen. Touristen zahlen pro Kopf umgerechnet etwa 20 Dollar, um eine halbe Stunde im Wasser mit den Walhaien schwimmen zu dürfen. Ein Privileg, das den kleinen Ort in eine wahre Boomtown verwandelt hat, die heute täglich bis zu 1000 Menschen und mehr quasi überrennen.
Für die Bewohner von Tan-Awan sind die gewaltigen Fische ein Segen, der vielen hier ein sehr viel besseres Leben beschert hat. Die Einheimischen verdienen als Guides bedeutend mehr als noch als Fischer, können es sich leisten, ihre Kinder zum Studieren zu schicken. Da nimmt es nicht Wunder, dass die immer lauter warnenden Rufe von Umweltschützern nur allzu gerne überhört werden. Denn was für negative Auswirkungen das tierische Massenspektakel für die Ozeanbewohner hat, lässt sich schon heute nur allzu deutlich beobachten.
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Dramatische Veränderung
So stellte die International Union for Conservation of Nature (IUCN) bereits 2016 fest, dass die Population der majestätischen Fische in den seit damals vergangenen 75 Jahren um mehr als die Hälfte zurückgegangen ist. Zwar waren die Philippinen bereits 1998 eines der ersten Länder weltweit, die den Fang der Tiere verboten. Doch die Bedeutung als weltweiter Touristen-Hotspot, um die Walhaie zu beobachten, könnte genauso eine ernsthafte Bedrohung für deren Bestand darstellen.
Denn wie Forscher feststellten, ändert sich durch die Fütterung, und damit die Gewöhnung an Menschen, das Verhalten der Walhaie von Tan-Awan dramatisch. Zum Beispiel bewegen sich die Tiere heute viel weniger als früher, weil sie im eher flachen Wasser nun permanent auf Futter warten. Das führt aber dazu, dass sich ihre Körper schneller erhitzen, was für ein höheres Stresslevel sorgen kann. Das nun kann sich wiederum auswirken auf Merkmale wie ihr Wachstum, bzw. den Körperbau generell. Andere mögliche Folgen sind Schäden für das Immunsystem bzw. die Gesundheit der Fische im Allgemeinen, bis hin zu einer Einschränkung ihrer Reproduktivität.
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Multimillionen-Dollar-Business
Auch sind Walhaie, die an Menschen und deren Boot gewöhnt sind, weitaus anfälliger für Verletzungen. Das zeigt eine Untersuchung mit erschreckendem Resultat: Demnach weisen 47 Prozent der Fische von Tan-Awan Verletzungen durch Bootspropeller auf. Zu wie vielen Todesfällen es dadurch gar gekommen sein könnte, ist nicht belegt. Zudem sind Walhaie eigentlich Tiere, die im Meer „wandern“, also umherziehen. Selten halten sie sich im Normalfall länger als 30 Tage an nur einem Ort auf. Die Tiere vor der Küste von Cebu bleiben wegen des Nahrungsangebotes aber durchschnittlich bis zu 45 Tage, ein Tier hielt sich sogar 572 Tage am Stück hier auf.
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Was dieser Wandel zu mehr „Sesshaftigkeit“ bei den Fischen eventuell für Folgen haben könnte, untersuchen Forscher aktuell noch. Fest stehen dürfte aber, dass der Massentourismus um Tan-Awan für diesen „Lebenswandel“ verantwortlich ist. „The Diplomat“ bezeichnet das Geschäft mit den Fischen als Multimillionen-Dollar-Business. Laut Forschern sähen die lokalen Behörden daher mitunter nur allzu gerne weg. Und den Einheimischen selbst fehle es teils an Bildung, um die Auswirkungen ihres Verhaltens auf die Fische überhaupt zu begreifen. Sie rufen daher nach national verbindlichen Gesetzen, um den Walhai-Tourismus zu regulieren.
Und daran dürfte dem Land, das die Fische sogar auf ihren Banknoten verewigt hat, durchaus gelegen sein. Das philippinische Tourismusministerium appellierte aber in der Vergangenheit auch immer wieder an internationale Urlauber, das marine Wildleben der Inselwelt zu respektieren und zu schützen. So hieß es unter anderem in einer Pressemitteilung von 2021: „Den Ozean und seine Bewohner zu respektieren, muss oberste Priorität für jeden Touristen sein. Zu lernen, wie man mit diesen Tieren richtig umgeht, ist ein kleiner, aber wichtiger Schritt auf dem Weg zum Schutz und der Erhaltung der maritimen Vielfalt.“