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Massentourismus am Pranger

Reisen wir unsere Welt kaputt?

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Angelika Pickardt
Redaktionsleiterin

4. Dezember 2014, 17:18 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Mit dem Aufkommen der Billigflieger ist Reisen auch an ferne Orte für fast jeden erschwinglich geworden. Die negativen Folgen sind bekannt: Vermeintliche Geheimtipps werden immer überlaufener, die Landschaft durch immer mehr Hotelbauten zerstört und die Luft durch einen immer höher werden CO2-Ausstoß der Flugzeuge verpestet. Gleichzeitig sichert die Branche vielen Menschen ihr Einkommen, gerade in ärmeren Ländern. Mit ihrem Dokumentarfilm „Gringo Trail“ gibt die US-Regisseurin Pegi Vail Einblick in die Schattenseiten des Tourismus und zeigt, wie man zu einem besseren Reisenden werden kann.

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Wenn man Regisseurin Pegi Vail fragt, ob man angesichts all der schlimmen Auswirkungen des Tourismus überhaupt noch reisen sollte, dann sagt sie voller Überzeugung: „JA, und zwar so viel wie möglich!“ Schließlich sei Reisen eine der wichtigsten Formen kultureller Begegnungen und der Völkerverständigung. „Es ist aufregend, erweitert den Horizont und erfüllt die Zeit.“

Allerdings, und das ist die wichtigste Botschaft, die Pegi Vail mit ihrem Film vermitteln will, solle man nicht bedenkenlos reisen, sondern mit Bedacht. Nur so könne man die schönen Orte dieser Welt davor schützen, vom Tourismus zerstört zu werden. Um zu dieser Erkenntnis zu kommen, musste die US-Anthropologin erst selbst schmerzlich erfahren, wie ein geliebter und lange Zeit als Geheimtipp geltender Ort mit der Zeit vom Massentourismus regelrecht überrannt wurde. 1986 reiste Pegi Vail, damals gerade 20 Jahre alt, zum ersten Mal als Backpackerin durch Thailand und besuchte auch die Insel Kho Phangan. Damals gab es hier noch unberührte Strände, viel Natur und wenig andere Backpacker – ein echtes Paradies.

13 Jahre später, im Jahr 1999, kehrte sie noch einmal nach Koh Phangan zurück – und alles hatte sich verändert. Die Insel war zum Party-Hotspot geworden, Tausende Menschen feierten bei den inzwischen weltweit bekannten Full Moon Partys. „Das zu sehen, war ein Schock“, sagt Pegi Vail im Gespräch mit TRAVELBOOK. „Ich war todunglücklich, als ich die Veränderungen wahrnahm, wusste aber auch gleichzeitig, dass ich selbst zu dieser Entwicklung beigetragen hatte.“ Seit 1999 sind die Full Moon Partys jedes Jahr noch größer geworden, noch mehr Menschen kommen um zu feiern, als gäbe es kein Morgen mehr.

Koh Phangan ist auch im Dokufilm „Gringo Trail“ zu sehen. Auf die Bilder der wilden Partynacht folgt die Ernüchterung am Morgen: Der Strand ist übersät von leeren Plastik- und Bierflaschen. Dazwischen: betrunkene junge Leute, die umgeben von Müll ihren Rausch ausschlafen. Dieser Art von Urlaubern sei es völlig egal, was mit dem Müll passiere, sagt Vail, und auch, ob es auf einer solchen Insel überhaupt eine adäquate Abfallentsorgung gebe. Andererseits seien da aber auch die Einheimischen, denen der Tourismus das Überleben sichert. Einfach so zum Nullpunkt zurückkehren – das geht eben nicht.

Die Idee zum Film

Für den Film ist Pegi Vail an viele verschiedene Orte auf der Welt gereist, war im bolivianischen Dschungel, in Salar de Uyuni, der größten Salzwüste der Erde, in Bhutan und in Mali. Die ersten Aufnahmen drehte sie schon 1999 in Bolivien, damals wollte die Anthropologin eigentlich die Backpacker-Kultur aus ethnografischer Sicht beleuchten und befasste sich weniger mit den Veränderungen der Orte durch den Tourismus. Diese frühen Bolivien-Aufnahmen legte sie aber zunächst beiseite, schrieb erst mal ihre Doktorarbeit und machte ihren Abschluss. Mehr als zehn Jahre vergingen.

„Erst 2010 haben wir wieder mit dem Drehen begonnen, und dann wurde auf einmal ein völlig anderer Film daraus“, erzählt Pegi Vail rückblickend. Dank der Langzeitbeobachtungen habe sich eine völlig neue Botschaft herauskristallisiert. „Mir wurde klar, dass der Film ein visuelles Dokument sein könnte, ein Werkzeug, das die Veränderungen durch den Tourismus bezeugt und als warnendes Beispiel dient.“

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Wie man ein besserer Reisender wird

„Gringo Trail“ zeigt die schlechten und die hässlichen, aber auch die guten Seiten des Tourismus und offenbart, was es bedeutet, ein Reisender zu sein. „Der Film ist eine Ode an das Reisen, aber in dem Sinne, es mit Bedacht zu tun“, sagt Vail. Vorausschauendes Handeln sei wichtig, um sich auf die ständig wachsende Zahl an Touristen einzustellen. „Wir können anfangen, die Zahl der Urlauber an überlaufenen Schauplätzen zu begrenzen. Viele Orte haben damit schon begonnen, in Bonito in Brasilien zum Beispiel gibt es ein Voucher-System, mit dem die Besucherzahl limitiert wird.“ Auch Bhutan, das kleine Königreich in Südasien, begrenzt die Zahl seiner Touristen, indem jeder von ihnen pro Tag eine Pauschale von 240 Dollar bezahlen muss.

Und was kann der Einzelne tun, um zu einem besseren Reisenden zu werden? „Zunächst mal sollte man seine Beweggründe überdenken, bestimmte Orte besuchen zu wollen und einigen davon Zeit lassen, durchzuatmen und sich zu regenerieren. Stattdessen könnte man sich ein anderes Reiseziel aussuchen, das gerade weniger ‘in‘ ist.“ Außerdem empfiehlt Pegi Vail, sich vorab über das Land und die Einheimischen zu informieren. „Das kostet nichts und öffnet die Türen zu einem Gespräch mit denen, die ihr besucht. Lernt ein paar Wörter in der Landessprache und wendet sie vor Ort an. Sammelt Infos über die Kulturen und Lebenswelten, in denen ihr landen werdet. Und vor allem: Genießt eure Entdeckungen – die kleinen und die großen!“

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