16. November 2024, 14:19 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Das Kaspische Meer ist der größte See auf der ganzen Welt – noch, denn bereits seit einiger Zeit schreitet hier eine der größten Öko-Katastrophen überhaupt immer schneller voran. Das Wasser und der Artenreichtum sind bereits stark zurückgegangen, und doch beuten die fünf Anrainerstaaten das Gewässer immer weiter aus. Im Zuge des Klimawandels dürfte sich dieses Drama in Zukunft sogar noch verschärfen. Dafür gibt es einen erschreckenden Präzedenzfall.
Forscher und Umweltschützer schlagen Alarm: Der größte See der Welt, das Kaspische Meer, ist in akuter Gefahr. Demnach sinkt sein Wasserspiegel bereits seit einiger Zeit dramatisch. Ein Prozess, der sich aufgrund wirtschaftlicher Ausbeutung und auch dem Klimawandel in naher Zukunft noch deutlich beschleunigen könnte. Die Folgen dieser Katastrophe wären verheerend für Menschen und Umwelt. Und dennoch sehen offenbar viele Verantwortliche nicht nur tatenlos zu, sondern beschleunigen durch ihre Gier die Öko-Apokalypse sogar noch weiter.
Wertvoller Trinkwasserspeicher
Wie „CNN“ berichtet, hat das Kaspische Meer bereits heute einen beispiellosen Rückgang des Wasserspiegels zu verzeichnen. Dieser war schon seit Beginn erster Messungen seit Mitte der 1990er-Jahre immer weiter gesunken. Ab 2005 hat sich dieser Schwund offenbar noch einmal beschleunigt. Um mehr als anderthalb Meter ist das Niveau des größten Sees der Welt bis 2024 laut Forschern der Uni Bremen zurückgegangen. Ginge dieser Prozess ungebremst so weiter, könnte das Kaspische Meer bis zum Ende dieses Jahrhunderts acht bis 18 Meter weniger tief sein. Andere Studien sprechen gar von einem möglichen Rückgang des Wasserspiegels von bis zu 30 Metern.
Selbst in optimistischeren Szenarien dürfte bis zum Jahr 2100 der komplette nördliche Teil des Mega-Sees, vor allem in Kasachstan, komplett trocken fallen. Dies bedeutete nicht nur einen Rückgang der noch reichen Fischgründe, sondern auch ein massives Einbrechen des Tourismus und der Schiffsindustrie in der Region. Da das Kaspische Meer aber insgesamt schrumpft, wird die Krise auch die anderen vier Anrainerstaaten Russland, Iran, Turkmenistan und Aserbaidschan in naher Zukunft zwangsläufig betreffen. Nicht zuletzt, weil es sich beim Kaspischen Meer um die wertvollste Ressource an Wasser überhaupt in der Region handelt.
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Der See enthält zwar Salzwasser, weswegen er auch die Bezeichnung als Meer trägt, aber dieses wird seit jeher als Trinkwasser entsalzen und aufbereitet. Doch warum schrumpft das Kaspische Meer immer schneller? Obwohl das Gewässer aus insgesamt 130 Flüssen gespeist wird, stammen 80 Prozent seines Volumens allein aus der durch Russland fließenden Wolga. Der Staat hat aber in der Vergangenheit entlang des Stroms bereits 40 Dämme errichtet, 18 weitere sind in Planung. Damit erreicht immer weniger Wasser aus der Wolga eben auch das Kaspische Meer.
Dramatischer Rückgang der Fauna
Auch die durch den Klimawandel bedingt abnehmenden Regenfälle und die sich gleichzeitig verstärkende Verdunstung des Wassers zeigen immer mehr ihre Auswirkungen. Verschmutzung durch die Anrainerländer macht dem Gewässer dadurch auch immer stärker zu schaffen. Seine Ausbeutung als begehrte Quelle für sowohl Öl als auch Gas schreitet derweil ungebremst voran. Das hat bereits heute zu einem dramatischen Rückgang der lokalen Fauna geführt. Dadurch, dass das Kaspische Meer immer weniger Wasser führt, verringert sich nämlich auch der Sauerstoffgehalt in dem noch vorhandenen.
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Bedroht ist vor allem die Kaspische Robbe, die weltweit nur hier vorkommt. Ihre ohnehin gefährdete Population ist laut Beobachtungen seit 2009 weiter geschrumpft. Auch der Stör, ein Fisch, der weltweit begehrten Kaviar liefert, ist von der Öko-Katastrophe betroffen. In einer seit jeher politisch instabilen Region scheint eine Verhinderung des Umwelt-Dramas aber aktuell nicht in Sicht. Eine Zusammenarbeit der verantwortlichen Staaten zur Rettung des Sees gibt es jedenfalls bislang nicht. So bezeichnete Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev die Lage im August 2024 zwar als „katastrophal“, kündigte aber gleichzeitig eine Ausweitung der Produktion an fossilen Brennstoffen an, die die Krise noch verschärfen könnte.
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Keineswegs ein Präzedenzfall
Fassungslos macht die Lage vor allem deshalb, weil sie keineswegs ein Präzedenzfall ist. So ist der Aralsee, der einst der viertgrößte der Welt war, heute aus ähnlichen Gründen wie das Kaspische Meer weitflächig zu einer Wüste geworden. Manche Orte, die früher Häfen waren, liegen mittlerweile mehr als 150 Kilometer entfernt von seinen Ufern. Bereits 2014 hatte er nur noch ein Zehntel seiner einstmaligen Gesamtfläche. Die Gründe für den Rückgang gleichen sich dabei auf gespenstische Weise. Ob sich die Katastrophe um das Kaspische Meer überhaupt noch aufhalten lässt, ist heute nicht abzusehen. Bleibt zu hoffen, dass der Mensch sich zumindest bemüht, sie einzudämmen.