9. Januar 2019, 13:50 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Die Seychellen sind eines DER Traumziele weltweit – doch die Inseln haben massiv mit Müll zu kämpfen. Der Grund: Fast alles muss importiert werden. Schuld an dem Problem sind auch die Touristen …
Kristallblaues Meer, Puderzuckerstrände wie Anse Lazio oder Anse Source d’Argent, dichter grüner Dschungel und eine unendliche Artenvielfalt im Wasser wie auf dem Land: Die Seychellen sind für viele Urlauber ein absolutes Sehnsuchtsziel, finden sich in eigentlich jedem Kalender mit den schönsten Inseln der Welt wieder. Die insgesamt 115 Eilande tragen so malerische Namen wie Silhouette, Big Sister und Felicité, etwa 100 Pflanzen- und Dutzende von Tierarten kommen weltweit nur hier vor. Was allerdings kaum jemand weiß: Dieses Paradies hat ein massives Müllproblem.
Auf den ersten Blick sieht man ihn nicht, die Einheimischen halten ihre Natur und vor allem natürlich ihre Strände sehr sauber, doch trotzdem ist der Müll da, und er wird für die Inseln zu einem immer größeren Problem: Laut einer Studie der ETH Zürich aus dem Jahr 2017 werden allein auf der Hauptinsel Mahé jährlich 70.000 Tonnen Abfall produziert – das sind pro Inselbewohner etwa 970 Kilo im Jahr bzw. rund 2,7 Kilo täglich.
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Mehrere neue Müllhalden wären nötig
Nur unweit der Seychellen-Hauptstadt Victoria befinden sich die Providence Landfills, zwei Müllhalden, auf denen der Abfall gelagert wird. Immer schneller und höher stapelt sich hier der Unrat, weil es auf den Inseln schlicht an einer adäquaten Abfallentsorgung fehlt; 95 Prozent aller Produkte müssen importiert werden, mit der Folge, dass immer mehr Abfall entsteht. Geht das in diesem Tempo so weiter, werden laut Schätzung der ETH Zürich bis 2040 mehrere neue Müllhalden nötig sein. Nur: Dazu fehlt es schlicht an Land.
Immerhin ist die aktuelle Deponie Providence II mit einer Abdichtung gegen den Untergrund versehen, und das Sickerwasser wird neuerdings in einer Kläranlage gereinigt. Dennoch hat auch die Regierung der Seychellen die Zeichen der Zeit erkannt – und überlegt, andere Abfallbehandlungsformen wie Verbrennung, Vergärung und vermehrtes Recycling einzuführen.
Viele werfen ihren Abfall einfach ins Meer
Wenn es nach Daniella Alis-Payette geht, wird es soweit jedoch nicht kommen müssen – die Geschäftsfrau und Hotelbesitzerin hat, gemeinsam mit der deutschen Nachhaltigkeits-Beraterin Diana Körner, die Seychelles Sustainable Tourism Foundation gegründet, um „ihre“ Inseln und die einzigartige Natur hier zu schützen. TRAVELBOOK traf sie auf Praslin, einer Insel mit nur 8000 Bewohnern, die dicht von Dschungel überzogen ist. In den exotischen Bäumen hängen tropische Früchte, bunte Krabben trotzen der sanften Brandung, riesige Flughunde schwingen sich majestätisch über den Himmel – die Hälfte der gesamten Landesfläche der Seychellen steht bereits heute unter Schutz, auf manchen Inseln wie Silhouette sind es sogar 95 Prozent.
Angesichts dieser wunderbaren Naturgewalt, die pro Jahr aktuell etwa 350.000 Touristen aus aller Welt anzieht, sagt Alis-Payette nachdenklich: „Wir müssen mehr Bewusstsein für das Müllproblem schaffen. Viele Leute werfen ihre Abfälle einfach ins Meer, weil sie denken, es ist ja so groß. Fast jeder tut das, und heute zahlen wir den Preis dafür, dass wir in der Vergangenheit so viele Fehler gemacht haben.“
Die Unternehmerin geht mit ihrer Organisation deshalb an Schulen und Universitäten, bildet auch Servicekräfte in Hotels zum Thema Nachhaltigkeit und Müllmanagement aus. „Ich bin extrem stolz auf mein Land und möchte etwas zurückgeben“, sagt sie. Ein weiteres Ziel sei, die Korallenriffe wieder zu beleben, die aufgrund des Klimawandels bereits großflächig abgestorben seien. Dafür züchte man in Becken junge Korallen und wildere sie dann aus – natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein, solange weltweit weiterhin so viel CO2 produziert wird, welches für das massive Korallensterben mitverantwortlich ist.
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Etwa 50 Prozent des Mülls sind organisch
Gemeinsam mit einem deutschen Ferienanbieter verfolgt Alis-Payette zudem weitere ehrgeizige Projekte: Eines davon sind geführte Tauchgänge, bei denen Touristen das fragile Ökosystem der Inseln näher gebracht werden soll. Der Plan: Verständnis und Erkenntnis des Problems soll zum Schutz beitragen, daher gehen die Einnahmen aus den Buchungen für die Tauch-Touren direkt zurück in den Erhalt der so fragilen Inselnatur.
Noch wichtiger im Kampf gegen den Müll ist aber ihr Projekt, künftig vor allem organische Abfälle drastisch zu reduzieren – diese machen aktuell etwa 50 Prozent des Unrats auf den Müllhalden aus. Leider sind auch viele Lebensmittelabfälle darunter, die zum Beispiel durch oft reichhaltige bzw. überladene Buffets in Hotels verursacht werden – was nicht gegessen wird, landet auf dem Müll. Laut Schätzungen der ETH Zürich sind Touristen insgesamt sogar verantwortlich für 10 Prozent allen auf den Seychellen anfallenden Mülls.
Statt Essen aber einfach achtlos wegzuwerfen, könnte es in Zukunft beispielsweise gespendet werden. Auch sei Alis-Payette aktuell mit einem deutschen Financier im Gespräch, um eine Müllverbrennungsanlage bauen zu lassen. Die Regierung der Seychellen zeigte sich zudem offen für den möglichen Bau einer Biogasanlage, mit der Abfälle künftig in Energie umgewandelt werden könnten.
Die Touristen sind Teil des Problems
Eine weitere Kämpferin gegen den Müll ist Britta Krug, Gebietsdirektorin für Geschäftsentwicklung im Hilton Hotel auf Silhoutte Island – die Quasi-Privatinsel ist gesäumt von Palmen und Brotfruchtbäumen, doch auch hier spürt man die Folgen des Müllproblems deutlich: „Momentan verbrauchen wir hier noch 80.000 Plastikflaschen pro Jahr – unser Ziel ist es, auf 10.000 zu reduzieren.“ Gerade bei Wanderungen oder Bootstouren könne man aber auf Plastikflaschen nicht verzichten, zu hoch sei die Verletzungsgefahr durch Glas.
Paradox: Ausgerechnet die Touristen, die für eine der luxuriösen Strandvillen viel Geld bezahlen, sind ein Teil des Problems: „Wir würden zum Beispiel gerne auf größere Shampoo- und Cremefläschchen in unseren Bädern umstellen, aber die Besucher wollen lieber die kleinen Flaschen – die können sie dann nämlich als Erinnerung mit nach Hause nehmen.“ Leider keine Aussage, die zufrieden stellt, schließlich ist nicht davon auszugehen, dass das Hotel nur wegen fehlender kleiner Shampoo-Fläschchen zum Mitnehmen weniger gebucht würde.
Seit 2017 ist Plastikgeschirr auf den Seychellen verboten
Um Plastikabfall zu reduzieren, wolle man künftig auf Strohhalme aus Bambus zurückgreifen, aber das sei logistisch nicht leicht und zudem teuer. „Der Müll geht bei uns einen sehr langen Weg — von der Insel nach Mahé und von da auf die Deponien.“ Schon jetzt verfügt die Hotelanlage aber über einen Organic Grinder für die Kompostierung von Bioabfällen, das Wasser kommt aus einer eigenen Quelle und wird in einer Filterstation aufbereitet. Zudem sammele man an den Stränden der Insel mehrmals in der Woche angespülten Abfall ein.
Dass auch die Regierung die Wichtigkeit des Kampfes gegen den Müll verstanden hat, zeigt ein bereits 2017 in Kraft getretenes Verbot für Plastiktüten, -becher, -teller und -besteck – sie dürfen seit dem 1. Juli vergangenen Jahres weder produziert noch eingeführt werden. Bis Januar 2019 sollen auch sämtliche Einwegstrohhalme aus Plastik aus dem Seychellen-Alltag verschwunden sein, ein entsprechender Beschluss wurde bereits 2016 vom Ministerkabinett gefasst.
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„Es geht um unser Erbe“
Die Organisation Sustainability for Seychelles gibt, unter anderem an Schulen, zudem diverse Workshops für Einheimische, etwa unter dem Titel „Reduce, Reuse & Recycle“ (reduzieren, wiederverwenden, recyclen). Auch, wie man aus Abfall Schmuck herstellt oder zur besseren Verwertung Kompostieranlagen baut, bringt die NGO den Seychellois (so heißen die Einwohner der Seychellen) bei. Nützlich ist auch ein 2014 eingeführtes landesweites Pfandsystem auf PET-Flaschen und Dosen, bei dem laut der ETH Zürich heute sechs- bis achtmal so viele Dosen recycelt werden, wie vorher noch auf den heimischen Müllkippen landeten. Dieser aufgewertete Abfall wird dann nicht selten zum Beispiel nach Indien oder China verschifft, um dort weiter verarbeitet zu werden.
Bei Papier und Pappe ist das Recycling wegen der hohen Luftfeuchtigkeit auf den Seychellen aber nicht so einfach möglich – sie machen aber immerhin 13 Prozent der gesamten Abfallmasse auf den Müllhalden aus. Zwar gibt es kleine Unternehmen, die den Papier- und Pappmüll etwa zu Eierkartons oder Essensboxen upcyclen, jedoch werden sie wiederum von billigerer Konkurrenz aus Indien auf dem heimischen Markt klein gehalten.
Für Daniella Alis-Payette steht fest: Damit der Kampf gegen den Müll letztlich erfolgreich ist, müssen alle mitmachen – darin sieht sie auch einen Weg, den Nationalstolz ihrer Landsleute wachzurütteln. „Wir leben hier in einem wahren Paradies, und das wollen wir erhalten. Natürlich kommt dabei noch viel harte Arbeit auf uns zu, aber schließlich geht es ja um unser Erbe.“