11. Oktober 2019, 15:23 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Die Medienberichte über die verheerenden Brände im Amazonas-Regenwald sind seit Ende September stark zurückgegangen. TRAVELBOOK hat mit Experten darüber gesprochen, wie die aktuelle Lage im Amazonas einzuschätzen ist.
Die Bilder haben im August die ganze Welt erschüttert. Dichte Rauchschwaden steigen aus den Wäldern des Amazonas empor. Der größte Regenwald der Welt, er steht in Flammen. Vereinzelte Menschen kämpfen verzweifelt gegen das Feuer, versuchen, ihr Hab und Gut zu retten. Wenige Feuerwehren sind im Einsatz, um die Katastrophe in Grenzen zu halten. Aber gegen die Flammenwalze sind sie machtlos. Mittlerweile ist es ruhig geworden um den Amazonas. TRAVELBOOK fragte nach: Brennt der Wald eigentlich noch immer?
Die Brasilianerin Erika Berenguer ist Expertin für den Amazonas-Regenwald und Senior Research Fellow am „Enviromental Change Institute“ an der Universität Oxford. Dort erforscht sie die Auswirkungen der Brände auf das gewaltige Ökosystem des südamerikanischen Tropenwaldes. Wochenlang kam sie kaum hinterher mit all den Nachfragen, die sie täglich von Journalisten erhielt. Nun aber hat die internationale Berichterstattung stark nachgelassen. Hat sich die Situation im Amazonas stabilisiert?
„Die alleinige Hauptursache für die Brände ist die Abholzung des Regenwaldes. Das bedeutet, so lange die Rodung des Amazonas-Gebietes anhält, wird es weiter Brände geben“, erklärt die Ökologin. „Laut der Satellitenbild-Auswertung des INPE (portugiesisch: Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais, das brasilianische Institut für Weltraumforschung, Anm. d. Red.) hat es allein in der ersten Oktoberwoche 2019 1500 Brände gegeben. Im August, dem trockensten Monat, waren es insgesamt 30.000 Brände, im September 19.000.“
Die Feuer halten weiter an
Die Feuer halten demnach weiter an, die Anzahl ist jedoch beträchtlich zurückgegangen. Das liegt laut Berenguer jedoch allein an dem Beginn der natürlichen Regenzeit, nicht an politischen Gegenmaßnahmen: „Die Regierung tut nichts, um die Brände zu verhindern, im Gegenteil: Präsident Bolsonaro kürzt die Budgets für die Umweltbehörden weiter dramatisch. Seine Politik und seine Rhetorik befürworten die Abholzung. Das einzige, was man tun kann, um Brände zu verhindern, ist den Umweltschutz zu fördern und die Abholzung zu bekämpfen. Es gibt keine natürlichen Feuer im Tropenwald, sie sind zu hundert Prozent von Menschen verursacht.“ Seit dem Ausbruch der Großbrände hat Bolsonaro bereits den Leiter von INPE und mehrere bedeutende Klimaforscher im Land entlassen.
Seltene Aufnahmen aus Brasilien Hier filmt eine Drohne ein bislang unbekanntes, isoliertes Urwaldvolk
TRAVELBOOK traf Hardliner Wilson Witzel Müssen Urlauber in Rio de Janeiro Angst haben, Herr Gouverneur?
Krumme Bäume, Regenbogen-Eukalyptus … Die beeindruckendsten Wälder der Welt
„Nächstes Jahr im August werden wir wieder dieselben Bilder sehen, wenn nichts geschieht“
Die geringere Anzahl an Feuer ist laut Berenguer allein dadurch zu erklären, dass der September, im Regelfall der Höhepunkt der brasilianischen Trockenzeit, nicht halb so trocken war, wie erwartet. „Sobald die nächste Trockenperiode im August 2020 einsetzt, werden wir dieselben Bilder sehen, ein zweites Großfeuer haben, wenn wir nichts dagegen tun. Im Moment gibt es keine Kraft in Brasilien, die dagegen ansteuert“, warnt die Wissenschaftlerin. Auch Oliver Salge, der Leiter der internationalen Kampagne für den Schutz des Regenwaldes bei Green Peace, bestätigt diese Aussagen.
Spannende Videos rund ums Thema Reisen gibt’s übrigens auf unserem YouTube-Kanal – hier abonnieren!
Salge zu TRAVELBOOK: „Die Regierung tut so, als wäre der Rückgang der Feuer ein Verdienst ihrer Politik, aber es wurde rein gar nichts getan. Es wurden 89 Soldaten in ein Gebiet geschickt, das so groß wie Westeuropa ist, um die Feuer zu löschen. Der einzige wahre Feuerlöscher ist der Regen, der nun langsam in den Wäldern einsetzt. Es wird aber noch etwa drei Wochen dauern, bis die wirkliche Regenzeit beginnt. Bis dahin wird die Umwelt und vor allem der Lebensraum der brasilianischen Indigenen weiterhin langfristig zerstört. Der Wald wird bis zu hundert Jahre benötigen, um sich zu regenerieren, Arten sind vom Aussterben bedroht und vielen indigenen Einwohnern fehlt die Lebensgrundlage für Jagd, Fischerei und sauberes Trinkwasser.“