9. März 2021, 12:30 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Die Antarktis gilt als einer der letzten weitgehend unberührten Naturräume der Erde. Das hat nicht nur mit der entlegenen Lage des Kontinents zu tun, sondern auch mit seinem unwirtlichen Klima. In Tälern des Ostantarktischen Plateaus wurden einmal Temperaturen von minus 98 Grad gemessen. In dieser unwirtschaftlichen Welt will Australien nun einen Flughafen bauen lassen. Doch die Kritik ist immens. Wovor die Experten warnen, welche Gebietsansprüche Australien überhaupt in der Antarktis hat und ob der Flughafen je gebaut wird – TRAVELBOOK hat die Infos.
In der Antarktis, einer weltweit einmaligen Region, plant Australien bis 2040 den Bau eines Flughafens. Eine 2,7 Kilometer lange befestigte Landebahn soll es künftig auch großen Maschinen ermöglichen, den Südpol anzusteuern. Umweltschützer sind entsetzt. Die Regierung in Canberra will das Projekt im von ihr beanspruchten Teil im Osten der Antarktis durchführen, ganz in der Nähe der australischen Forschungsstation Davis.
Die asphaltierte Piste würde nach den Wünschen der Regierungsbehörde Australian Antarctic Division (AAD) ganzjährige Flugverbindungen zwischen Hobart, der Hauptstadt des Bundesstaates Tasmanien, und der Antarktis möglich machen. In dem Gebiet gibt es kaum Eis, aber viele Naturwunder. „Die Region um Davis Station ist wahrscheinlich das bedeutendste eisfreie Küstengebiet der Antarktis“, betonen Forscher der Universität Tasmanien (UTAS). „Sie bietet einzigartige Seen, Fjorde, Fossilienfundstätten und wildlebende Tiere.“ Die Antarktis gilt als das größte Naturschutzgebiet der Welt.
Landebahn des Antarktis-Flughafens mitten in Brutgebiet
Das ist einer der Gründe, warum Naturschützer wegen der Pläne auch auf die Barrikaden gehen. So warnen etwa Julia Jabour und Shaun Brooks vom Institut für Meeres- und Antarktisstudien (IMAS) eindringlich vor möglichen Folgen des Vorhabens. Die Umgebung der geplanten Landebahn sei wichtig für Adéliepinguine, Weddellrobben und Riesensturmvögel. Nicht nur würden Teile des Lebensraums der Tiere zerstört. Die Tiere würden während des Baus und vor allem nach der Inbetriebnahme auch massiv unter Lärm und Staub leiden, sagen die Tierschützer.
Allein in der direkten Umgebung des anvisierten Bauortes gibt es demnach acht Adéliepinguin-Brutgebiete. Die flugunfähigen Seevögel könnten künftig durch startende und landende Flugzeuge in Panik geraten und ihre Eier zurücklassen. Die wären dann den eisigen Winden ausgesetzt. „Wenn man bedenkt, dass die Tourismusrichtlinien vorsehen, dass man einem Pinguin nicht einmal den Weg blockieren darf, kann man davon ausgehen, dass dieses Projekt enorme Auswirkungen auf die Tiere haben wird“, sagte der Antarktis-Experte Alistair Allan von der Naturschutzorganisation Bob Brown Foundation.
Irreparable Schäden in der Natur werden erwartet
„Auch in den angrenzenden Seen sind irreparable Schäden zu erwarten“, schrieben Jabour und Brooks in ihrem Papier. Heimische Flechten, Pilze und Algen könnten zerstört werden. Brooks schätzt, dass das Projekt den ökologischen Fußabdruck aller Nationen, die in der Antarktis Studien betreiben, um 40 Prozent steigern würde. Die Umweltbedenken verstehe man vonseiten der Antarktis-Division AAD. Es würden eingehende Untersuchungen und Prüfungen durchgeführt, um die Auswirkungen so gering wie möglich zu halten.
Derzeit befindet sich das teure Projekt in der Umweltprüfungsphase. Beobachter rechnen mit Kosten von mehreren Milliarden Australischer Dollar. Ob es letztlich genehmigt wird, ist noch fraglich. Die Antarktis-Division AAD sieht aber „eine Reihe bedeutender wissenschaftlicher Vorteile“, wenn es künftig ganzjährig Zugang zu der unwirtlichen Region geben sollte. „Dies würde es Wissenschaftlern ermöglichen, sich auf die Beantwortung kritischer Fragen von globaler Bedeutung zu konzentrieren“, sagte ein AAD-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur. Er erwähnte unter anderem Vorteile bei der Datenerfassung und biologischen Studien. Außerdem gäbe es die Möglichkeit, „ökologische Daten mit einer höheren Auflösung über die Jahreszeiten hinweg zu erfassen“.
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Wie gefährdet ist die Antarktis?
Gesteigerte Präsenz in der Antarktis eine mögliche Motivation für den Flughafen
Kritiker glauben aber, dass die Regierung nicht nur wissenschaftliche, sondern vor allem geopolitische Ziele verfolgt. So erklärte Außenministerin Marise Payne im Dezember in einer Pressemitteilung, das Projekt werde „Australiens Präsenz in der Antarktis stärken“. Auch die AAD hatte in einem früheren Bericht mitgeteilt, der Flugplatz werde „gleichermaßen unsere Präsenz und unseren Einfluss steigern“.
Geoff Dannock, der über ein Jahrzehnt lang als Logistikmanager für die AAD tätig war, erläutert die Beweggründe der Planer aus seiner Sicht: „Sie sind besorgt über den wachsenden Einfluss und das wachsende Interesse Chinas und Russlands an der Antarktis – und sie glauben, dass sie dem durch den Bau dieses Betonstücks entgegenwirken können.“ Seit der Ankündigung des Projekts im Jahr 2018 hat Dannock die Regierung nicht nur vor den Folgen für die Umwelt, sondern auch vor „massiven logistischen Problemen“ gewarnt. Er könne „überhaupt keine Vorteile in dem Vorhaben sehen“, erklärt er.
Wem gehört eigentlich die Antarktis?
Die Herrschaftsverhältnisse in der Antarktis sind seit 1959 durch den sogenannten Antarktisvertrag geregelt. Er ist so etwas wie die Verfassung der Antarktis und legt fest, wie man die Region nutzen darf. Die Antarktis gehört demnach zu keinem Staat der Erde und darf nur friedlich (es darf kein Militär stationiert werden) und zur Forschung genutzt werden, wie Dr. Stefan Hain vom Alfred-Wegener-Institut in Bremen TRAVELBOOK bestätigte.
Festgeschrieben im Antarktisvertrag ist auch, dass alle Länder, die Gebietsansprüche an die Antarktis haben, diese ruhen lassen und die Region gemeinsam wissenschaftlich erforschen. Die Staaten, die dort sich verpflichtet haben, dauerhaft Forschungsstationen zu errichten, sind im Antarktisvertrag als Konsultativstaaten festgelegt. Insgesamt handelt es sich um 12 Staaten, wovon sieben Gebietsansprüche erheben. Dazu gehören neben Australien auch Argentinien, Chile, Frankreich, Großbritannien, Neuseeland und Norwegen.
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Die Bob Brown Foundation hatte schon im November eine Petition gegen das Projekt auf den Weg gebracht. Bislang wurde sie von rund 1200 Menschen unterschrieben haben. Er habe mit vielen Beteiligten über die Pläne gesprochen, darunter frühere AAD-Mitarbeiter und Wissenschaftler, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie das Projekt aufgenommen wird, so Antarktis-Experte Allan. „Die ganz überwiegende Mehrheit war der Auffassung, dass es kein gutes Projekt ist und nicht weiterverfolgt werden sollte.“
Schätzungen zufolge wären rund 250 Menschen nötig, um die Piste des Flughafens in der Antarktis zu bauen. „Die Unterbringung so vieler Leute, um den Flugplatz bis 2040 fertigzustellen, würde ebenfalls Folgen für die Umwelt haben“, warnte Dannock. „Es handelt sich schließlich um eine High-Tech-Landebahn, nicht nur um ein Stück Beton“, hieß es weiter. Letztlich liege die Entscheidung aber allein bei der Regierung.
Mit Material der dpa