3. März 2023, 13:49 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Schneller, häufiger und, bestenfalls, auch pünktlicher: das alles plant die Deutsche Bahn mit ihrem Prestige-Projekt, dem Deutschlandtakt. Bis 2030 sollte er deutsche Großstädte besser miteinander verbinden. Doch nun wurde das Projekt um 40 Jahre verschoben.
Schnellere und häufigere Verbindungen im Nah-, Fern- und Güterverkehr: Mit dem Deutschlandtakt wollte das Bundesministerium für Digitales und Verkehr gemeinsam mit der Deutschen Bahn den Zugverkehr in Deutschland deutlich verbessern. Konkret hieß es, wie sich in einer Pressemitteilung des Verkehrsministeriums noch von Juni 2022 nachlesen lässt, dass sich bis 2030 die „Verkehrsleistungen im Schienenpersonenverkehr verdoppeln“ sollten. Ursprünglich angekündigt hatte der damalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer den Deutschlandtakt im Jahr 2018. Innerhalb von nur 12 Jahren sollten breit ausgebaut und mehrere Milliarden Euro investiert werden. Die Ziele waren auch klimapolitisch relevant. Doch nun stellt sich heraus, dass das Startdatum 2030 wohl um mehrere Jahrzehnte verfehlt wird.
Denn wie Michael Theurer (FDP), Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums von Volker Wissing (ebenfalls FDP), auf Nachfrage des ZDF erklärt, werde der Deutschlandtakt erst „in den nächsten 50 Jahren als Jahrhundertprojekt“ umgesetzt. Sowohl bei Umweltschützern, als auch in der politischen Opposition sorgte die Ankündigung für massive Kritik. Der Berichterstatter der Unionsfraktion für die Schiene, Michael Donth (CDU), zeigte sich laut „Tagesschau“ „fassungslos“ ob der Ankündigung und betonte, die Verschiebung um 40 Jahre sei „ein Desaster für die Zukunft des deutschen Schienenverkehrs“.
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Wie lange dauert die Umsetzung des Deutschlandtakts?
Diese Einschätzung teilt jedoch nicht jeder, wie es scheint. Theurer sagte etwa, es sei „immer völlig klar gewesen, dass das Jahrzehnte dauert“. Auf der Website zum Deutschlandtakt steht indes noch prominent unter „Umsetzung“ ein deutlich ambitionierterer Zeitplan als ein Ende bis 2070. Die Umsetzung erfolge demnach in mehreren Etappen, wobei die „erste große Etappe (…) bis Mitte der 2020er Jahre abgeschlossen sein“ werde. Die zweite Etappe erfolge „in der zweiten Hälfte der 2020er Jahre“ und werde „einen enormen Angebotssprung ermöglichen“ durch „die Einführung eines Halbstundentakts im Schienenpersonenfernverkehr auf den großen Achsen in Deutschland“.
Ob sich immerhin diese Ziele halten lassen, ist ebenso unklar, wie das genau weitere Vorgehen bis zum Jahr 2070. Gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ sagte Theurer, die Deutsche Bahn habe aktuell 55 der insgesamt 180 Maßnahmen in Planung.
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„Man konnte sich schon 2018 denken, dass ein Zeithorizont von 12 Jahren für die Deutsche Bahn etwas ambitioniert ist. Doch nachdem gerade in den letzten Jahren immer wieder betont wurde, wie wichtig es ist, mehr Bürger und Bürgerinnen auf die Schiene zu bringen, und das Thema sogar im Koalitionsvertrag aufgenommen wurde, mutmaßte man, die Dringlichkeit könnte sich auch auf die Schnelligkeit des Projekts auswirken. Doch falsch. Mitten in der Klimakrise ein so wichtiges Projekt um fast ein halbes Jahrhundert nach hinten legen? Ein schlechteres Signal kann es kaum geben. Und wenn dann auch noch gesagt wird, dass eben das „immer völlig klar gewesen“ sei, obwohl selbst auf der Projektwebseite noch völlig andere Zeithorizonte genannt werden – dann kann man nur zur Erkenntnis kommen: Hier wird man von Bahn und Verkehrsministerium zum Narren gehalten.“
– Larissa Königs, Redaktionsleiterin TRAVELBOOK