10. Februar 2023, 14:39 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Störung im Betriebsablauf – das ärgert nicht nur die Fahrgäste. Doch das Schienennetz grundlegend zu sanieren und auszubauen, ist ein jahrelanger Kraftakt. Nun steht zumindest ein grober Plan, wann welche Strecken überholt werden. Auch wenn viele Maßnahmen erst in den nächsten Jahren beginnen, gibt es bereits jetzt Frust.
Wer mit der Deutschen Bahn fährt, muss derzeit vielerorts mit Verspätungen und Ausfällen rechnen. Grund ist die jahrelang vernachlässigte Infrastruktur. „Die Durchsage, Grund für die Verspätung ist eine Störung im Betriebsablauf, möchte ich eigentlich möglichst bald nicht mehr hören“, sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Angeblich gingen 50 Prozent aller Verspätungen darauf zurück. Im letzten Jahr wurde bekannt gegeben, dass die Deutsche Bahn nun endlich ihr Streckennetz digitalisieren und sanieren möchte – doch die unglückliche Folge davon sind Streckensperrungen.
Welche wichtige Strecke zuerst gesperrt wird
Als erster Schritt einer Generalsanierung im Netz soll die Strecke Frankfurt/Main-Mannheim 2024 für fünf Monate gesperrt werden – direkt nach der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. Wissing verglich das Projekt mit der Operation an einer Hauptschlagader. Die Arbeiten sollen am 15. Juli 2024 beginnen und zu Weihnachten 2024 beendet sein, wie die Bahn ankündigte. Während der Sperrung werden Fern- und Güterzüge teils weiträumig umgeleitet. Busse sollen bis zu 200 Nahverkehrszüge am Tag ersetzen. Der Abschnitt hat große Bedeutung für das Gesamtnetz der Bahn. Denn hier fährt ein Fünftel der bundesweiten Fernzüge und ein Viertel aller Fahrgäste.
Während der Sperrung sollen 1200 Anlagen der Leit- und Sicherungstechnik erneuert werden, 152 Weichen, vier Bahnübergänge und gut zehn Kilometer Lärmschutzwände. Zudem soll es neue Überholmöglichkeiten für Züge sowie eine Ausrüstung für den digitalen Bahnbetrieb geben. Auch 20 Bahnhöfe werden erneuert. Vorher will die Bahn die Umleitungsstrecken ertüchtigen – sie kalkuliert mit Gesamtkosten von etwa 500 Millionen Euro.
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Welche Streckensperrungen die Bahn bis 2030 noch plant
Die Generalsanierung ist eine Voraussetzung für den angestrebten Deutschland-Takt. Dieser sieht bis 2030 ein System mit besser abgestimmten Umsteigeverbindungen zwischen den Metropolen vor. Damit der Plan wirklich aufgeht, ist zwingend erforderlich, dass bis 2030 das System grundlegend überarbeitet wird. Dafür will der Konzern Dutzende viel befahrene Streckenabschnitte überholen und die Korridore für jeweils rund fünf Monate komplett sperren. Nachdem bislang, abgesehen von der ersten Sperrung, unklar war, wo die Deutsche Bahn zuerst sanieren möchte, hat der Konzern nun ein Konzept vorgelegt, wann in den kommenden Jahren welche Streckensperrungen anstehen. Dem Konzept zufolge geht es um mehr als 40 Streckenabschnitte mit einer Gesamtlänge von rund 4200 Kilometern. Nach der Sanierung der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim folgt im Jahr darauf die vor allem für den Güterverkehr wichtige Trasse Emmerich-Oberhausen und die Strecke Hamburg-Berlin.
Ab 2026 könnten dem Papier zufolge die Abschnitte Köln-Wuppertal-Hagen, Hamburg-Hannover und Nürnberg-Regensburg folgen. Weiterhin sind unter anderem vorgesehen: Köln-Dortmund-Hamm über Düsseldorf (2027), Würzburg-Nürnberg (2028), Stuttgart-Ulm (2029) und Osnabrück-Münster (2030). Die Bahn betonte aber, dass eine endgültige Entscheidung über Zeitplan und Korridore noch mit dem Bund getroffen werden müsse.
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Folgen für die Reisenden
Die grundsätzliche Idee der Großbaustellen bis 2030 ist: Anstatt immer wieder mit kleinen Baustellen im laufenden Betrieb nur das Nötigste auszubessern, wird alles in einem Rutsch erledigt. Dafür soll dann, in der Theorie, für Jahre Ruhe sein und der Zugverkehr zuverlässiger fließen. Doch vorher bringen die Bauarbeiten einige Herausforderungen mit sich. Nicht nur muss die Bahn Umleitungsstrecken rechtzeitig auf Vordermann bringen. Es müssen auch der Ersatzverkehr, vor allem mit Bussen, ausgeschrieben werden. Manche in der Branche äußern sich skeptisch, dass dafür überhaupt genügend Fahrzeuge sowie Fahrerinnen und Fahrer gefunden werden können. Bereits jetzt ist absehbar, dass Reisende starke Nerven beweisen müssen.
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Kommentar: „Ob das was wird…“
„Schon jetzt zeigt sich für Fahrgäste, dass die kommenden Jahre mit der Deutschen Bahn, solange sie sanieren will, nicht einfach werden, denn was bisher noch scheinbar völlig außer Acht gelassen wird, ist, dass solche Großbaustellen mit Streckensperrungen nicht nur lokale Auswirkungen haben. Das Bahn-Netz ist eng verknüpft und (viel zu) eng getaktet. Überspitzt könnte man sagen: Fällt in Bayern ein Zug aus, kommt der ICE in Hannover zu spät. Das kann etwa an fehlendem Zugpersonal liegen, an verspäteten Zügen, belegten Gleisen in Bahnhöfen oder an Streckenabschnitten, die noch nicht befahrbar sind.
Dieser „Butterfly-Effect“ zeigt sich aktuell etwa beim ICE-Sprinter zwischen Köln und Berlin. Der fährt eigentlich seit 2021 dreimal pro Tag. Eigentlich. Denn aktuell fährt er gar nicht. Informiert hatte die DB darüber nicht, erst auf Nachfrage des „Tagesspiegels“ hieß es, man könnte momentan die eigentlich beim Sprinter vorgesehene Zeit von vier Stunden wegen nicht näher definierter Baustellen nicht einhalten. Immerhin, in wenigen Monaten soll der Zug wohl wieder fahren. Doch bei mir zumindest bleibt ein ungutes Gefühl für die Zukunft: Wenn für den Konzern in diesem Fall das ersatzlose Streichen ohne Kommunikation eine adäquate Maßnahme darstellte, sehe ich schwarz bei den kommenden Großbaustellen.“
Larissa Königs, Redaktionsleiterin
mit Material der dpa