19. April 2023, 16:17 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Wird der Abflug um Stunden verschoben, mag ein Drink zur Beruhigung äußerst verlockend erscheinen. Doch auf Rechnung der Airline geht das eher nicht – Ausnahmen bestätigen allerdings die Regel.
Bei langen Flugverspätungen haben Passagiere laut EU-Recht Anspruch auf „Mahlzeiten und Erfrischungen“, also Essen und Getränke. Bietet die Airline das nicht an, können sie selbst am Flughafen etwas zu essen und zu trinken kaufen. Aber: Darf es auch Alkoholisches sein? Im Fall von zwei Aperol Spritz, die ein Passagier während der Wartezeit für 15 Pfund an einem Londoner Airport gekauft hatte, verweigerte die Airline die Erstattung. Der Streit ging bis vor das Amtsgericht Hannover. Das gab der Fluggesellschaft Recht – und zwar aufgrund des konkreten Wortlauts „Erfrischungen“ in der zugrunde liegenden EU-Fluggastrechte-Verordnung.
Sinngemäß begründete das Amtsgericht: Alkoholische Getränke zählen nicht zu Erfrischungen, weil ihre Wirkung im Regelfall das Gegenteil bewirken würde. Deshalb müssten die 15 Pfund für die Aperol Spritz von den Verpflegungskosten abgezogen werden. (Az.: 513 C 8538/22; noch nicht rechtskräftig)
Also nie Bier oder Wein auf Kosten der Airline bei Verspätungen? Ganz so schwarz und weiß liegt die Sache nicht, wie Juristin Karolina Wotjal vom Europäischen Verbraucherzentrum in Kehl erklärt.
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Wotjal wäre zwar auch ohne das aktuelle Urteil aus Hannover zu der Einschätzung gekommen, dass es sich bei alkoholischen Getränken um Genussmittel handelt, die nicht erstattet werden müssten. Aus ihrer Beratungspraxis weiß sie aber: „Es gibt Airlines, die auch Kosten für Wein zum Essen erstatten, ohne diese in Frage zu stellen.“
Auch Gerichte seien schon zu anderen Urteilen gekommen. So hielt beispielsweise das Amtsgericht Düsseldorf in einem Urteil von 2019 „Champagnercocktails und Dessertwein“ für erstattungsfähig. (Az.: 27 C 257/18) So weit ging das Amtsgericht Memmingen 2021 zwar nicht, es urteilte aber: Zumindest bei Bier sei die Grenze zwischen Erfrischung und Genuss noch nicht überschritten. Wein indes ist nach Überzeugung dieses Gerichts kein Erfrischungsgetränk mehr. (Az.: 11 C 157/21)
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Keine höhergerichtliche Rechtsprechung
Wojtal kennt nach eigenen Worten außer solchen erstinstanzlichen Urteilen keine höhergerichtliche Rechtsprechung zu der Frage, was noch als Erfrischung zählt und was schon ein Genussmittel ist – zumal das quer durch Europa sehr unterschiedlich eingeschätzt werde. Sie weist in dem Zusammenhang noch auf andere Entscheidungen hin, bei denen es nicht um konkrete Erstattungsfragen ging, sondern wo die Verpflegungskosten geschätzt wurden.
Zehn Euro pro Person und Mahlzeit seien dabei für notwendig und angemessen gehalten worden, so die Juristin. „Inwiefern dies an einem europäischen Flughafen im Jahr 2023 realistisch ist, lasse ich einmal dahingestellt – aber man sieht schon, in welche Richtung das geht.“
„Aktuell kann ich deshalb keinem Fluggast guten Gewissens dazu raten, hier über die Stränge zu schlagen“, so die Verbraucherschützerin. Man darf nicht damit rechnen, dass das dann voll erstattet wird. Deshalb ist Bescheidenheit angebracht, vor allem bei Aperol Spritz und Co. Wojtal ist zwar der Ansicht: „Kosten Bier und Wein genauso oder fast genauso viel wie Wasser und Softdrinks, sind auch diese Kosten zu ersetzen.“ Wer aber auf Nummer sicher gehen will, dass es keinen Streit um die Erstattung gibt, kauft lieber Wasser oder Cola.